LSG Stuttgart: Jobcenter muss Räumungsklage zahlen

Begonnen von Meck, 09. Juli 2017, 19:02:45

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Meck

Kann ein Hartz-IV-Bezieher seine Miete wegen fehlender Leistungen des Jobcenters nicht bezahlen, muss die Behörde die Kosten für die vom Vermieter eingelegte Räumungsklage übernehmen. Die Gerichtskosten sind dann als einmalig anfallender Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Donnerstag, 6. Juli 2017, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 9 AS 1742/14).

-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/jobcenter-muss-raeumungsklage-zahlen.php
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

Gast10987

Hier darf man gespannt sein ob das Urteil in der Revision hält.
Normalerweise wären das Amtshaftungsansprüche die vor dem Landgericht geltend gemacht werden müssen, wo Anwaltszwang herrscht, Gerichtskosten anfallen und die Kosten der Gegenseite bei einer Niederlage zu erstatten wären.

Da ist es löblich dass das LSG versucht diese Nachteile für den betroffenen abzumildern und diese als KdU zu qualifizieren.
Hoffen wir mal das BSG - vorausgesetzt es kommt zur Revision - sieht das auch so.

oldhoefi

Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen wenn es Leistungen zu Unrecht verweigert hat

Im normalen Recht etwas selbstverständliches, jemand schädigt durch Tun oder unterlassenes Tun jemand anderen, dann hat der Schädiger für die Kosten aufzukommen.

Im Umgang vieler Jobcenter mit SGB II Leistung beziehenden Menschen fast schon eine Alltäglichkeit, dass Sozialleistungen willkürlich nicht oder verspätet gezahlt werden und den Betroffenen dadurch wirtschaftliche Schäden entstehen. Seien es Kosten zum Wiederandrehen von Haushaltsenergie, sei es die Kündigung und Räumungsklage einer Wohnung wegen Nichtzahlung der Miete oder Mietschulden oder auch nur regelmäßig unregelmäßige Zahlung. Das hat für die Leistungsberechtigten immense Folgen: Verlust einer Wohnung, negative Schufa-Einträge, Mietschulden in der Bescheinigung des Vormieters, ob Miete regelmäßig gezahlt wurde, bis hin zu immensen Geldforderungen wie Mietforderungen, gegnerische Anwaltskosten, Energie-Anstellgebühren...

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27.06.2017 - L 9 AS 1742/14 entschieden, dass das Jobcenter die Kosten einer Räumungsklage zu tragen hat, wenn es einem Leistungsberechtigten zu Unrecht die Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt. Die anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hatte das Jobcenter zu Unrecht Leistungen versagt, weil der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen sein soll.

mehr dazu --> http://www.jurablogs.com/go/jobcenter-muss-kosten-einer-raeumungsklage-tragen-wenn-es-leistungen-zu-unrecht-verweigert-hat

Ein Urteil mit grundsätzlicher Bedeutung, welches Willkürhandeln von Jobcentern im vorliegenden Fall einen Riegel vorschiebt und hoffentlich vielen Mut macht sich weiter gegen Willkürhandeln zur Wehr zu setzen!

(Zitat und Quelle: Harald Thomé - Newsletter vom 13.07.2017)

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017 – AZ: L 9 AS 1742/14

Volltext --> https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193641

Anmerkung:
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da es sich um eine höchstrichterlich klärungsbedürftige, bislang nicht geklärte Rechtsfrage zum Umfang eines Anspruches aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 

coolio

hmm - Hatte @Meck schon in kurzer Form geschrieben.
Die einzige Frage wäre demnach, ob Revision eingelegt wurde - das scheint noch nicht bekannt?

oldhoefi

Zitat von: coolio am 06. August 2017, 03:31:54hmm - Hatte @Meck schon in kurzer Form geschrieben.
Ist es nun nicht mehr erwünscht, dass ich andere Beiträge zu dieser Thematik einstelle und damit auch den Volltext dieser Entscheidung nachliefere, der im Übrigen ein Service von mir ist. Erkennbar auch daran, dass bei manchen Rechtssprechungen der Zusatz ,,Volltext liegt noch nicht vor" von mir mit aufgeführt wird.

Zitat von: coolio am 06. August 2017, 03:31:54Die einzige Frage wäre demnach, ob Revision eingelegt wurde - das scheint noch nicht bekannt?
Wenn es mir bekannt gewesen wäre, hätte ich es explizit erwähnt mit Angabe des Aktenzeichens beim BSG, denn ich habe bereits erfolglos recherchiert.

Ich kopiere nicht blind die Beiträge von Thomé und stelle diese ungeprüft ein, sondern von mir wird jeder Beitrag/Link vorher genau gelesen und wenn vorhanden, um den Volltext der Entscheidung und/oder um den weiteren Verfahrensgang erweitert. Aber anscheinend kann ich mir in Zukunft diesen zeitlichen Aufwand ersparen, da bloße Artikel offenbar schon befriedigend sind.

Die nachfolgende Veröffentlichung der Sozialberatung Kiel, die ich einstelle – wenn erlaubt – stammt vom 04.08.2017, demnach ganz aktuell. Da dieser Artikel von RA Hildebrandt stammt, gehe ich davon aus, dass diesem derzeit auch keine Kenntnisse über eine anhängige Revision vor dem BSG vorliegen.

oldhoefi

Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27.06.2017 (L 9 AS 1742/14) entschieden, dass ein Jobcenter die Kosten einer Räumungsklage zu tragen hat, wenn es einem Leistungsberechtigten zu Unrecht die Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt.

Mit dieser Entscheidung betritt das Gericht insofern juristisches Neuland, als es die angefallenen Gerichtskosten als (einmalige anfallende) Bedarfe den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zuordnet. Durch diese Zuordnung kann der Anspruch auf Ersatz der entstandenen Gerichtskosten vor den Sozialgerichten verfolgt werden, vor denen kein Anwaltszwang besteht und Leistungsberechtigten auch keine Gerichtskosten entstehen.

weiterlesen --> http://sozialberatung-kiel.de/2017/08/04/jobcenter-muss-kosten-einer-raeumungsklage-tragen/