Keine EGV, dennoch Sanktion?

Begonnen von SuperKai, 04. Februar 2021, 17:09:15

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SuperKai

Hallo liebe Mitglieder des Forums,

ich habe hier folgende Situation bzw. folgendes Problem:
Ich bin jetzt leider schon etwas länger arbeitslos, besonders Corona zieht die Sache in die Länge. Meine Sachbearbeiterin ist da ziemlich locker, deswegen hatte ich von ihr auch bisher keine EGV erhalten, es fanden nur ein paar Gespräche statt.

Ich hatte einige Monate nichts von ihr gehört, plötzlich schreibt sie mir Ende Dezember eine E-Mail, wieso ich ihr nicht die "EGV" zurücksende. Ich schrieb ihr dann, dass ich keine EGV erhalten habe. Keine EGV per Post oder E-Mail, nichts.
Sie schrieb mir dann zurück, dass sie mir eine EGV zugesendet hätte und darin auch eine Maßnahme eingebunden hätte, irgend eine Art Training.

Ich schrieb ihr dann wieder zurück (per E-Mail), dass ich soetwas nicht erhalten habe und dass sie mir doch bitte diese EGV zukommen lassen soll.
Dann, vor ein paar Wochen habe ich plötzlich einen Sanktionsbescheid in der Post...
Daran angebunden war ein Verwaltungsakt, der die EGV quasi beinhaltet.

Ich habe darauf dagegen Widerspruch (per abgesichertem Brief, schriftlich, natürlich) eingelegt. Der Widerspruch stützte sich darauf, dass es rechtswidrig ist, eine Sanktion auf eine EGV bzw. einen VA zu erlassen, den ich selbst nie erhalten habe, über dessen Inhalt ich erst ab dem Sanktionsbescheid bescheid weiß und den ich vorher auch nicht prüfen konnte.
Also zusamemngefasst: Ich hatte keine EGV, keinen VA, nur ein paar Mails und jetzt eine Sanktion...
(Es hat sich alles in die Länge gezogen, deswegen schreibe ich auch erst jetzt hier im Forum.)

Die Sachbearbeiterin hat dann geschrieben, dass sie den Widerspruch ablehnt, da sich die Sanktion allgemein darauf bezieht, dass ich Bemühungen um eine Arbeitsstelle hätte von mir aus vorlegen müssen.
Abgesehen davon stand die Maßnahme direkt im VA. Ich habe hier im Forum gelesen, dass dies rechtswidrig sei bzw. die Maßnahme da nicht hinein gehört.
Heißt, dass der VA an sich also auch rechtswidrig bzw. ungültig ist?

Meine Frage ist jetzt: Wie stehe ich rechtlich da, wenn ich damit (wohl gezwungenermaßen) vors Sozialgericht muss?
Was kann/muss ich dem Gericht sagen?
Meine Idee wäre ja: Ich hatte einfach keine EGV, deswegen ist die Sanktion schon rechtswidrig. Abgesehen davon war die EGV / der VA sowieso rechtswidrig, fertig.

Ist das schon ausreichend?

Danke für die Hilfe!

Der Kai :smile:

BigMama

Könntest du den Sanktionsbescheid bitte anonymisiert hochladen?
Die Welt wird nicht von skrupellosen Verbrechern, finstren Kapitalisten oder machtgierigen Despoten regiert, sondern von einer gigantischen, weltumspannenden RIESENBLÖDHEIT.
Wer´s nicht glaubt, ist schon infiziert.
(Michael Schmidt-Salomon, GBS-Sprecher)

SuperKai

Okay, hier ist der Sanktionsbescheid.

Hab einfach alles, was auf mich hinweisen könnte anonymisiert.

Dazu vielleicht noch:
Wie gesagt, ich hatte kaum E-Mails von ihr erhalten und vor allem standen in diesen Mails keine Aufforderungen. Mal abgesehen davon, dass E-Mails scheinbar sowieso nicht zählen, habe ich auch gar keine Post erhalten, nur eben diesen Bescheid.

Und wie gesagt: Keine EGV erhalten, keinen VA, nur sofort den Sanktionsbescheid.

Vielen Dank für die Hilfe!


[gelöscht durch Administrator wegen Erreichen der Speicherfrist]

blaumeise

Wie hat die SB dich denn konkret dazu aufgefordert, Bewerbungsbemühungen nachzuweisen? Gab es dazu eine Rechtsgrundlage, einen Vermittlungsvorschlag, hat sie das schriftlich gemacht und eine Bewerbungskostenerstattung angekündigt? Eine EinV gab es ja nicht.

Guck diesen Beitrag dazu mal an inklusive Anhang: https://hartz.info/index.php?topic=124498.msg1451127#msg1451127

SuperKai

@blaumeise
Prinzipiell gab es an sich nur mündlich eine Art Hinweis, dass ich mir natürlich einen Job suchen muss.
Aber es gab nichts schriftliches, keinen Brief, keine E-Mail, jedenfalls nicht VOR der Sanktion.
Und wenn ich das richtig verstehe bezieht sich doch eine Sanktion AUF die EGV bzw. den VA, richtig?

Ich musste keine Bewerbungsbemühungen nachzuweisen. Das wurde nicht bestimmt, schriftlich festgelegt und natürlich hatte ich auch nichts unterschrieben, auch nichts im Zusammenhang mit irgendeiner Maßnahme.
Es wurden mir auch keine Vermittlungsvorschläge gesendet. Keine Bewerbungskostenerstattung angekündigt.
Grundsätzlich habe ich nichts schriftliches, nichts unterschrieben und zu nichts zugestimmt.

Wenn ich deine Verlinkung richtig verstehe: Also heißt das, dass ich gar nicht sanktioniert werden kann bzw. nur eben rechtswidrig? Da ich nichts nachweisen musste, da die rechtliche Grundlage fehlt, richtig?

Ganz lieben Dank noch einmal für die Hilfe!

BigMama

Leg umgehend Widerspruch gegen den Bescheid ein. Du kannst auch bei Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragen.

Grundsätzlich besteht gem § 2 SGB II die Verpflichtung alle Möglichkeiten zu nutzen die Hilfebedürftigkeit zu verringern oder zu beenden. Allerdings hat der Gesetzgeber hieran keine konkrete Rechtsfolgen geknüpft. Somit kann sich alleine aus diesem Paragrafen keine Sanktion ergeben.

Die Sanktionstatbestände sind in den §§ 31 und 32 SGB II aufgeführt.

Die im Bescheid genannte Rechtsgrundlage § 31 ABs. 1 Nr. 1 SGB II bezieht sich auf Eigenbemühungen die in einer EGV oder einem VA festgelegt wurden. Liegt keins von beiden vor, kann auch nicht auf dieser Rechtsgrundlage sanktioniert werden. Ein mündlicher Hinweis auf Verpflichtungen zu Bewerbungen ist nicht ausreichend. Genau so wenig ist es ausreichend, wenn der AV behauptet er hätte dir ne EGV per E-mail oder per Post zugesandt. Gem. § 37 Abs. 2 S.3 SGB X hat der SB bzw. das JC den Zugang des VA nachzuweisen. Kann der Zugang nicht nachgewiesen werden, ist der Verwaltungsakt nicht wirksam und es können somit auch keine Rechtsfolgen daraus abgeleitet werden.
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(Michael Schmidt-Salomon, GBS-Sprecher)

blaumeise

Zitat von: SuperKai am 04. Februar 2021, 22:11:19Ich musste keine Bewerbungsbemühungen nachzuweisen.
Richtig. Du musst dich zwar bewerben, aber du musst dem SB nichts darüber nachweisen.


Zitat von: BigMama am 05. Februar 2021, 07:57:40Ein mündlicher Hinweis auf Verpflichtungen zu Bewerbungen ist nicht ausreichend.
Na ja, die Verpflichtung, sich zu bewerben, besteht. Aber nicht die, dies dem SB nachzuweisen. Siehe Anhang von Fettnäpfchens Beitrag.

Ansonsten stimme ich dir voll und ganz zu.

Gast49594

Du musst Dir überhaupt keine Sorgen machen.
Das JC ist vollumfänglich in der Beweispflicht, dass Dir die Post zugegangen ist

hier wörtlich aus § 37 SGB 10:
im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Teile das ruhig dem JC mit. Das ist auch die Begründung zum SG.

Solange das JC den Nachwies nicht erbracht ist, sind Sanktionen rechtswidrig weil Du gar nicht reagieren konntest.
Zur Bearbeitung eines Widerspruches kann sich das JC bis zu 3 Monaten Zeit lassen.

SuperKai

Klasse, boah, danke Leute.
Dann bin ich ja froh...
Ich hatte ja bereits Widerspruch eingelegt bzw. per nachweis, postalisch Zugesendet.
Meine SB hat aber schon per Mail zurück geschrieben, dass sie den Widerspruch nicht annimmt und die Sanktion aufrecht erhält.
Zählt das als Mitteilung oder muss sie mir auch postalisch eine Antwort zukommen lassen?
Und als eine letzte Frage zu der Sache:
Muss ich jetzt so schnell wie möglich reagieren im Sinne von Sozialgericht?
Super tolle Hilfe hier von euch allen, bin euch wirklich dankbar, das beruhigt mich wirklich!
Vielen Dank!

mousekiller

Zitat von: SuperKai am 05. Februar 2021, 15:33:06
Meine SB hat aber schon per Mail zurück geschrieben, dass sie den Widerspruch nicht annimmt und die Sanktion aufrecht erhält.

Das kann sie gerne tun. Sollte der Widerspruch nicht bearbeitet werden, steht dir nach 3 Monaten das Recht einer Untätigkeitsklage zu (§88 SGG). Spätestens dann wird sie sich damit beschäftigen müssen.

Da die Sanktion nur 30 % beträgt, geht die meisten Sozialgerichte (leider!) noch davon aus, dass du nicht rechtlich beschwert bist. Das wäre erst bei einer 100 % Sanktion möglich.

Du kannst trotz allem noch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Deinem Sozialgericht stellen. Begründe das damit, dass dir keine EGV zugegangen ist, aus der sanktioniert werden kann. Solch einen Antrag kannst du bei den meisten Sozialgerichten auch direkt vor Ort stellen. Die Rechtspfleger sind dir dabei behilflich. Nimm deinen aktuellen Bescheid mit, den Sanktionsbescheid, Mietvertrag, aktuellen Kontoauszug und den diesbezüglichen Schriftverkehr. Auch die Nachweise, dass du einen Widerspruch eingereicht hast.
Alle verrückt hier! Komm, Einhorn, wir gehen...

Fettnäpfchen

SuperKai

Zitat von: SuperKai am 05. Februar 2021, 15:33:06Meine SB hat aber schon per Mail zurück geschrieben, dass sie den Widerspruch nicht annimmt und die Sanktion aufrecht erhält.
Zählt das als Mitteilung oder muss sie mir auch postalisch eine Antwort zukommen lassen?
Dafür braucht es schon den Postweg und nicht nur eine E-Mail.
Schließlich hast du einen korrekten Widerspruch abgeschickt!
Daher ist der Widerspruch auch nicht abgelehnt in mMn rechtlichem Sinne.
Also mache einen Widerspruch der über den Postweg oder den Einwurf im Hausbriefkasten* beim JC landet.
Im Widerspruch erwähnen dass dies ein Nachtrag zu deinem vorab
Zitat von: SuperKai am 04. Februar 2021, 17:09:15
Ich habe darauf dagegen Widerspruch (per abgesichertem Brief, schriftlich, natürlich) eingelegt.
ist aufgrund Ihrer ablehnenden EMail.
Du nimmst dann sämtliche Tipps von hier, die treffen ja alle zu, bestehst auf einem rechtlich korrekten schriftlichen Bescheid der die Sanktion zurück nimmt, oder du wendest dich umgehend an das SG , da du durch diesen Nachtrag und die "Erinnerung"/erneute Aufforderung deiner Pflicht nach gekommen bist dies erst einmal ohne das SG zu belasten und zu klagen nachgekommen bist.

MfG FN

*
Zitatoder beim Einwurf in den Briefkasten vom JC,
am besten Handschriftlich vor dem JC und Einwurf im Briefkasten
unter Angabe Datum Uhrzeit und Namen vom Zeugen persönlich auf dem Antrag o.ä./ und dem Kuvert vermerken und Unterschreiben lassen!!

Hiermit bestätige ich Herr/Frau XY am... um... Uhr das Schreiben gelesen, beim kuvertieren und Einwurf als Zeuge dabei gewesen zu sein.

Am besten auf dem Kuvert auch noch unterschreiben!!

Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
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Mach es: Sei stärker als deine stärkste Ausrede.

Gast49594

Dazu habe ich auch mal eine Frage an die Experten:
Kann er den Widerspruch nicht einfach zurück nehmen und gegen den rechtswidrigen Sanktionsbescheid gleich klagen?

Muss er bei Rechtswidrigkeit echt bis zu 3 Monaten Bearbeitungszeit für einen Widerspruch hinnehmen?

mousekiller

Zitat von: Gast49594 am 07. Februar 2021, 18:48:22
Dazu habe ich auch mal eine Frage an die Experten:
Kann er den Widerspruch nicht einfach zurück nehmen und gegen den rechtswidrigen Sanktionsbescheid gleich klagen?

Das geht leider nicht, da es sich hierbei um ein Verwaltungsverfahren handelt.

Zitat von: Gast49594 am 07. Februar 2021, 18:48:22
Muss er bei Rechtswidrigkeit echt bis zu 3 Monaten Bearbeitungszeit für einen Widerspruch hinnehmen?

Ja. § 88 SGG (2)

Alle verrückt hier! Komm, Einhorn, wir gehen...

Unwissender

Er schreibt, das die SB den Widerspruch zurückgewiesen hat! Muss den WS nicht jemand anders bearbeiten?
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

SuperKai

Hallo liebes Forum!

Danke noch einmal für die tolle Hilfe!
Ich werde das in die Weg leiten und euch dann, wenn etwas bzw. was dabei herum kommt mitteilen.

Liebe Grüße

SuperKai :smile: