Frage zum ewigen Thema wegen Probearbeit/Praktikum

Begonnen von Gast32644, 20. August 2021, 09:21:22

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Gast32644

Hallo,

ich mache gerade eine Maßnahme zur Integration von Schwerbehinderten und habe im Maßnahmevertrag unterschrieben, dass ich zur Ableistung von Praktika verpflichtet bin.

Im Prinzip bin ich damit auch einverstanden, wenn es sich um eine Arbeit handelt, die ich entweder noch nie gemacht habe oder wo der letzte Job vor meiner Behinderung war und ich nicht weis, ob das aus gesundheitlichen Gründen überhaupt noch machbar ist.

Jetzt habe ich mich aber auf eine Stelle beworben, wo ich bereits eine mehrjährige Berufserfahrung per Arbeitszeugnis nachweisen kann (was ich bei der Bewerbung mitgeschickt habe) und wo ich selbst davon überzeugt bin, diesen Job ohne gesundheitliche Probleme machen zu können. Trotzdem hat die Firma ein kostenloses, mehrwöchiges Praktikum verlangt, welches ich abgelehnt habe.

Das hab ich in der Maßnahme mitgeteilt und jetzt machen die Theater, von wegen, dass ich das doch im Vertrag so unterschrieben hätte.

Können die mir wirklich Probleme machen oder bin ich hier im Recht?

Der Beitrag https://hartz.info/index.php?topic=10282.0 hilft in der Frage nicht wirklich weiter.

Gruß

Sheherazade

Zitat von: Gast32644 am 20. August 2021, 09:21:22Können die mir wirklich Probleme machen oder bin ich hier im Recht?

Warum solltest du im Recht sein? Du befindest dich in einer Maßnahme, in der eine bestimmte Anzahl Praktikumstage verpflichtend sind. Du hast ein angebotenes Praktikum abgelehnt.

Zitat von: Gast32644 am 20. August 2021, 09:21:22Jetzt habe ich mich aber auf eine Stelle beworben, wo ich bereits eine mehrjährige Berufserfahrung per Arbeitszeugnis nachweisen kann (was ich bei der Bewerbung mitgeschickt habe) und wo ich selbst davon überzeugt bin, diesen Job ohne gesundheitliche Probleme machen zu können. Trotzdem hat die Firma ein kostenloses, mehrwöchiges Praktikum verlangt, welches ich abgelehnt habe.

Bist du mal auf die Idee gekommen, dass sich auch der AG gerne davon überzeugen möchte, wovon du so überzeugt bist, nämlich dass du für den Job auch geeignet bist?
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Gast32644

Nein, ich habe keine bestimmte Anzahl von Praktikumstagen unterschrieben.

Außerdem war das ein reguläres Stellenangebot auf StepStone. Nur weil ich mich in einer Maßnahme befinde, bin ich doch nicht automatisch bei jedem Stellenangebot zu einem Praktikum verpflichtet.

Sheherazade

OK, dann geht es dir eben nicht darum, einen Job zu finden.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Gast34764

Was wäre das Problem bei dem Praktikum gewesen? Gerade bei gesundheitlichen Einschränkungen ist es für beide Seiten ein unverbindliches Testen, ob und was (noch) geht.

Als Schwerbehinderter hast du selbst in der Probezeit u.U. den besonderen Kündigungsschutz. Deshalb das Praktikum.

Sheherazade

Zitat von: Gast34764 am 20. August 2021, 10:19:47
Als Schwerbehinderter hast du selbst in der Probezeit u.U. den besonderen Kündigungsschutz.

Nein.
ZitatDie Dauer der Probezeit richtet sich auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer nach dem jeweiligen Tarifvertrag. Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt jedoch ohne Rücksicht auf die Dauer der Probezeit in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses nicht (§ 173 Absatz 1 Nummer 1 SGB IX).
Quelle

Dennoch macht ein Praktikum auch als Schwerbehinderter Sinn, irgendwie muss man den potentiellen AG doch von der eigenen Überzeugung, man sei tauglich, überzeugen können, wenn man sonst nichts vorzuweisen hat wie einen lückenlosen Lebenslauf, gute Schul-, Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse.

Mal interessehalber: Wie lange genau sollte das
Zitatmehrwöchiges Praktikum
denn dauern?
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Gast34764

Ich hatte ein anderslautendes Urteil gefunden, aber gut da ging es um Personalrat und Co. Kommt sicherlich dann aufs Unternehmen an  :scratch:

ZitatWie im Beitrag Der Kündigungsschutz bei Querschnittlähmung beschrieben, gelten bei der Kündigung von Menschen mit Schwerbehinderung besondere Regeln. Seit dem 01.01.2017 ist die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unwirksam, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht im Vorfeld darüber informiert wurde. Dies gilt auch während der Probezeit. Bei einem diesbezüglichen Versäumnis durch den Arbeitgeber, kann die Beteiligung der SBV im Nachhinein nicht nachgeholt werden. Die Kündigung bleibt unwirksam und der Arbeitgeber muss ggf. ein neues Beteiligungsverfahren zu einer neuen Kündigung einleiten.
Quelle

So oder so sollte man solche Chancen nutzen, der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung ist nicht so riesig.

Einfachicke

Manche kapieren es einfach nicht.

Hier nochmal für vollkommen Merkbefreite:

Arbeit ist etwas wofür ich bezahlt werde, und zwar auf eine Art und Weise, dass ich davon ein menschenwürdiges Leben führen kann!

Wenn ich etwas tue, weil ich so irre Spaß daran habe, dass ich auf die Bezahlung verzichte, dann ist das ein HOBBY!!!

Wenn ich etwas tue, weil ich mich gesellschaftlich einbringen möchte und deshalb auf Bezahlung verzichte, dann ist das ein Ehrenamt!

Und warum sollte der / die TE seine / ihre einzige Einkommensquelle (nämlich seine / ihre Arbeitskraft) unentgeltlich zur Verfügung stellen???

Aber was rede ich hier, die üblichen Verdächtigen aus Hauptsache-Arbeit(macht frei) sind hier wieder zugange und laden mal wieder ihre neoliberale gequirlte "lasst-euch-doch-einfach-ausbeuten-und-verarschen-Gülle" ab.

Sheherazade

Zitat von: Einfachicke am 20. August 2021, 13:03:35
Und warum sollte der / die TE seine / ihre einzige Einkommensquelle (nämlich seine / ihre Arbeitskraft) unentgeltlich zur Verfügung stellen???

Wenn du seine/ihre Vorgeschichte kennen würdest, könntest du dir die Frage, warum er/sie seine/ihre Arbeitskraft zeitlich befristet unentgeltlich zur Verfügung stellen sollte um potentielle Arbeitgeber von seiner/ihrer Arbeitsleistung zu überzeugen, selbst beantworten.

Aber reingrätschen und Parolen krähen ist ja einfacher als individuelle Ratschläge zu erteilen.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Gast32644

Zitat von: Sheherazade am 20. August 2021, 10:34:55

Dennoch macht ein Praktikum auch als Schwerbehinderter Sinn, irgendwie muss man den potentiellen AG doch von der eigenen Überzeugung, man sei tauglich, überzeugen können, wenn man sonst nichts vorzuweisen hat wie einen lückenlosen Lebenslauf, gute Schul-, Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse.

Mal interessehalber: Wie lange genau sollte das
Zitatmehrwöchiges Praktikum
denn dauern?

Was willst denn sonst noch alles vorweisen außer einem "lückenlosen Lebenslauf, gute Schul-, Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse"? Mehr hat doch auch kein gesunder Bewerber vorzuweisen? Verstehe ich nicht.

Das Praktikum sollte 3 Wochen dauern und die Inhalte wären zufällig u.a. das gewesen, was auch in meinem gut bis sehr-gutem Arbeitszeugnis drinsteht. Nur mit dem Unterschied, dass ich damals noch viel mehr Aufgaben hatte, weil ich Gruppenleiter war und der aktuelle Job nur als einfacher Arbeiter ist.

Ich habe seit 2015 ca. ein Dutzend Praktika gemacht und noch nie wurde ich danach eingestellt. Das mit den zahllosen Praktika ist nicht nur in Deutschland ein großes Problem geworden. Viele Studierte ziehen von einem Praktikumsplatz zum nächsten, ohne Aussicht auf einen Job.

Außerdem sind das eh alles Scheinpraktika, denn wenn die Arbeit meinen körperlichen Einschränkungen entspricht, was ich ja auch mit meinem aktuellen sozialmedizinischen Gutachten nachweisen kann, dann muss die körperliche Eignung nicht erst noch vom Arbeitgeber geprüft werden und die fachliche Eignung ergibt sich aus dem Arbeitszeugnis. Das ist nichts anderes wie kostenlose Probearbeit.

ella


Gast34764

Zitat von: Gast32644 am 20. August 2021, 15:08:12Ich habe seit 2015 ca. ein Dutzend Praktika gemacht und noch nie wurde ich danach eingestellt.

Du bist damit 6 Jahre aus dem Beruf, so lückenlos ist der Lebenslauf dann nicht. Je nach Job ist es verständlich, dass der AG da vorher prüfen will ob das vom Kenntnisstand und Belastbarkeit her noch passt.


Gast32644

Zitat von: Gast34764 am 20. August 2021, 15:14:31
Zitat von: Gast32644 am 20. August 2021, 15:08:12Ich habe seit 2015 ca. ein Dutzend Praktika gemacht und noch nie wurde ich danach eingestellt.

Du bist damit 6 Jahre aus dem Beruf, so lückenlos ist der Lebenslauf dann nicht. Je nach Job ist es verständlich, dass der AG da vorher prüfen will ob das vom Kenntnisstand und Belastbarkeit her noch passt.

Ok, aber warum soll ich als Schwerbehinderter immer ein kostenloses Praktikum machen müssen und ein gesunder Bewerber braucht das nicht? Das sehe ich einfach nicht mehr ein. Nur weil ich eine Maßnahme mache, bin ich doch nicht automatisch verpflichtet ständig ein Praktikum zu machen.

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeiten erinnern, als ich gesund war, da wurde ich nie nach einem Praktikum gefragt, sondern einfach eigestellt.

Dafür ist eigentlich die Probezeit gedacht, um zu prüfen, ob der Bewerber wirklich geeignet ist und nicht ein Praktikum, wo einem keine neue Inhalte vermittelt werden, sondern man ganz normal eigenständig arbeiten muss. Das ist kostenlose Probearbeit, nur mit einem anderen Namen.

Sheherazade

Zitat von: ella am 20. August 2021, 15:13:12
https://hartz.info/index.php?topic=53354.0  das ist der Ratgeber aus diesem Forum dazu sehr interessant.

Vielleicht, in Teilen. Wenn es aber die Maßnahme aus diesem Thread ist, läuft das alles über die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit, weil der TE im ALGI-Bezug war.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Gast32644

Zitat von: Sheherazade am 20. August 2021, 15:39:30
Zitat von: ella am 20. August 2021, 15:13:12
https://hartz.info/index.php?topic=53354.0  das ist der Ratgeber aus diesem Forum dazu sehr interessant.

Vielleicht, in Teilen. Wenn es aber die Maßnahme aus diesem Thread ist, läuft das alles über die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit, weil der TE im ALGI-Bezug war.

Ist korrekt

Bei meiner Arbeitsagentur gibt es den Begriff "Probearbeit" anscheinend nicht, denn die bezeichnen alles als Praktikum. Mit denen hab ich schon öfters sinnlose Gespräche darüber geführt.

Ich habe generell nichts gegen echte Praktika, wo es um die Umsetzung neuer theoretischer Kenntnisse in praktische Arbeit geht. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann handelt es sich um Probearbeit, die einfach als Praktikum bezeichnet wird, um nicht bezahlt werden zu müssen.