Gilt das 1 BvL 7/16 (max. 30% Sanktion) oder die EGV (mehr als 30%)?

Begonnen von jumba, 19. April 2022, 14:58:28

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jumba

Hallo,

rechtlich bin ich leider nicht so versiert. Daher meine folgende Frage:
Wenn in meiner EGV drin steht das mehr als 30% sanktioniert werden kann, jedoch das Bundesverfassungsgericht wie wir bereits wissen im Urteil vom 5. November 2019 entschieden hat das 30% Sanktionen die Grenze sind, welches von beiden gilt dann für mich?
Ich gehe davon aus das das Urteil des Bundesverfassungsgericht "über allem steht", egal was in der EGV steht?

Hier ein paar Auszüge aus meiner EGV aus dem Abschnitt Rechtsfolgenbelehrung:
- Das Arbeitslosengeld 2 kann danach -auch mehrfach nacheinander - gemindert werden.
- Führen die Leistungsminderungen dazu, dass kein Arbeitslosengeld 2 mehr gezahlt wird, werden auch keine Beträge zur Kranken und Pflegeversicherung abgeführt

Dann ist meine EGV doch im Widerspruch zum Urteil vom Bundesverfassungsgericht, oder?

Danke schon vorab
Mfg
jumba


Kopfbahnhof

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 14:58:28Dann ist meine EGV
schlicht Ungültig, weil nicht rechtens.

30% ist die Obergrenze, allerdings geht immer noch Nacheinander.
Oder 100% bei extremen Fehlverhalten wie z.B. Wochenlang nicht beim JC Melden, wenn es eine Aufforderung dazu gab.

justine1992

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 14:58:28Ich gehe davon aus das das Urteil des Bundesverfassungsgericht "über allem steht", egal was in der EGV steht?
richtig

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 14:58:28Dann ist meine EGV doch im Widerspruch zum Urteil vom Bundesverfassungsgericht, oder?
Nein.

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 14:58:28- Das Arbeitslosengeld 2 kann danach -auch mehrfach nacheinander - gemindert werden.
Du sammelst 13 Sanktionen, die sind dann 13x3 Monate fällig (theoretisch... Schlagwort hier: nacheinander)

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 14:58:28- Führen die Leistungsminderungen dazu, dass kein Arbeitslosengeld 2 mehr gezahlt wird, werden auch keine Beträge zur Kranken und Pflegeversicherung abgeführt
Das ist nicht verkehrt, wenn auch das erste nicht eintreffen KANN. (Blödes Beispiel, aber: "Wenn ich fliegen kann, bringe ich es Dir auch bei." Das ist nicht falsch. Aber wir beide wissen, dass das erste nicht zutreffen wird. Und somit das zweite nicht eintreffen kann. Dennoch verspreche ich Dir das.)

Wenn das also alles ist, ist sie nicht besonders ordentlich, aber nicht "im Widerspruch zum Urteil".
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

Ratlos

In meinem Link steht doch drin wie das JC die 100 % herbei zaubert.
Das sind dann keine Sanktionen sondern ist eine Leistungseinstellung wegen fehlender Mitwirkung

Yavanna

Wobei Sanktionen und vorläufige Zahlungseinstellung zwei verschiedene §§ im SGB II sind und auch nichts miteinander zu tun haben

Ratlos

Zitat von: Yavanna am 19. April 2022, 16:00:53Wobei Sanktionen und vorläufige Zahlungseinstellung zwei verschiedene §§ im SGB II sind und auch nichts miteinander zu tun haben
Stimmt schon. Kommt aber einer 100 % Sanktion gleich. Wird ja keine Miete usw. nicht bezahlt und der Betreffende hat erstmal kein Geld für Lebensmittel.
Die tricksen halt über die Mitwirkungspflicht.

justine1992

Zitat von: Ratlos am 19. April 2022, 15:51:48In meinem Link steht doch drin wie das JC die 100 % herbei zaubert.
Das sind dann keine Sanktionen sondern ist eine Leistungseinstellung wegen fehlender Mitwirkung
Aber in der EinV geht es explizit um Leistungsminderungen.
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

Kopfbahnhof

Zitat von: justine1992 am 19. April 2022, 16:21:40in der EinV geht es explizit um Leistungsminderungen.
Geht es eigentlich in jeder EGV. (bis 30% kann sein darüber EGV ist Ungültig)

Ohne die EGV zu kennen ist eine Antwort auch schwierig.


Yavanna

Es gibt seit dem BVerfG Urteil keine Sanktionen mehr über 30%. Wenn kein Geld kommt, handelt es sich um eine vorläufige Zahlungseinstellung, z.b. weil jemand sich mehrfach nicht gemeldet hat und daher der gewöhnliche Aufenthalt unklar

jumba

Danke für die vielen Antworten ! :)

(Vor allem) Zu Ratlos Beitrag: Ich habe den Link zu Totalsanktionen über Umwege gelesen, aber ich denke der trifft eher selten zu. In den meisten Fällen muss man das Jobcenter nur auf das Urteil vom Bundesverfassungsgericht hinweisen und schon müssen die sich an die 30% halten. Frage: Ich dachte das nicht mitwirken bei den Mitwirkungspflichten mit Sanktionen geahndet werden, die ja aber mit 30% gedeckelt sind, welchen (in dem Link beschriebenen) Umweg gehen denn manche Jobcenter dann bei Mitwirkungspflichten um total zu sanktionieren?

Wo könnte ich nochmal all meine Mitwirkungspflichten nachlesen? Stehen die alle in meiner EGV?

(Vor allem) Zu Justines Beitrag: Tschuldigung das ich so doof frage aber sind 30% das Maximum oder bedeutet 30% Maximum bei einer Sanktion? Also bei 2 Sanktionen zu jeweils 30% insgesamt 60% oder würden 2 Sanktionen nur die Dauer verlängern (2*3 Monate) und insgesamt monatlich weiterhin 30% bedeuten?

Danke schon vorab
Mfg
jumba

justine1992

Zitat von: jumba am 19. April 2022, 22:14:22Also bei 2 Sanktionen zu jeweils 30% insgesamt 60% oder würden 2 Sanktionen nur die Dauer verlängern (2*3 Monate) und insgesamt monatlich weiterhin 30% bedeuten?
Weniger als 30% kann es nicht geben, also 2x3 Monate, ja.

Ratlos vermischt Unterschiedliches. Menschen, die nicht leistungsberechtigt sind bzw. bei denen die Leistungsberechtigung nicht nachgewiesen werden kann, bekommen weiterhin kein ALG2. Das hat gar nichts mit Kürzungen oder Sanktionen zu tun, wird aber (zumindest hier) gerne verwechselt/durcheinander gebracht.
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

jumba


jumba

Noch ne Frage.. wie wir wissen sollen die Sanktionen ja demnächst ausgesetzt werden.
In folgenden Artikeln steht das UND das trotzdem Leistungsminderungen ausgesprochen werden können und vollzogen werden.. also kann das ALG 2 trotzdem gekürzt werden? (Ich dachte das das ALG 2 in der Zeit überhaupt nicht gekürzt werden könnte..)
In welchen Fällen würde denn eine Leistungsminderung eintreten können?

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/sanktionen-grundsicherung-2009920

https://www.hartziv.org/hartz-iv-sanktionen.html

Ginsu

Wenn die RFB der EInV und das Urteil des BverfG im Konflikt stehen, so ist die Rechtsfolgenbelehrung (RFB) der EinV schlicht falsch, bzw veraltet.
Eine fehlerhafte RFB kann die gesamte EinV angreifbar machen, daher mache ich die JC nie darauf aufmerksam.
Besser noch einen Pfeil im Köcher zu haben und ihn nicht zu brauchen als das ganze Pulver schon in der ersten Runde zu verschießen.

Eine Sanktion jenseits der 30%, also die Sanktionsstufen 2 und 3 gibt es nicht mehr.
Was es aber noch gibt, ist die Leistungseinstellung, z.B. aufgrund mangelnder Mitwirkung usw.
Das wird gerne mal mit einer 100% Sanktion verwechselt, ist tasächlich aber etwas völlig anderes.
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Berthold Brecht