Ein Wegweiser in die Selbständigkeit für ALG II Empfänger

Begonnen von Ottokar, 15. November 2008, 12:56:50

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Ottokar

ALG II Empfängern wurde ja vom Gesetzgeber in § 16 Abs 1 SGB II die Fördermöglichkeit nach §§ 57 und 58 SGB III versagt.
Dieser Wegweiser soll deshalb ALG II Empfängern helfen, die sich Selbständig machen wollen. Eine Rechtsberatung stellt dieser jedoch nicht da.
Vielen Dank an unser Forenmitglied Bonita, die mit diesem Wegweiser ihre eigenen Erfahrungen weitergibt.

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Von uns Hartz 4 Empfängern wird verlangt, dass wir unser Leben selbst in die Hand nehmen.
Einige von uns sind dann ganz mutig und haben eine Geschäftsidee und ...
Bei der ARGE hat man ganz wenig Glück an einen Sachbearbeiter zu gelangen, der wirklich einen Weg aufzeichnen kann. Was ja eigentlich logisch ist, denn sie sind Gehaltsempfänger, also nicht aufregen!!
Ich kann und werde nur aus eigenen Erfahrungen schreiben und einen kleinen Leitfaden erstellen, der Euch evtl. helfen kann Eure Geschäftsidee in die Praxis umzusetzen und evtl. Fördermittel zu erhalten.

1. Grundsatz:
Verlasst Euch niemals auf andere, sondern immer nur auf Euch!

2. Grundsatz:
Geht es um Recht- und um Steuerfragen, sucht Fachleute auf und vor allem, lasst Euch alles schriftlich geben, wovon Eure Existenz abhängt. Fragt frech und fröhlich:
Wo steht das??
Kann ich das bitte schriftlich haben??
Ist einfach eine Existenzfrage für Euch.

3. Grundsatz:
Auf Fördermittel jeglicher Art besteht kein Rechtsanspruch!

4. Grundsatz:
Ich fange erst an gewerblich tätig zu werden, wenn alles unter Dach und Fach ist. Davor mache ich gar nichts, was nach Selbstständigkeit aussieht!
Ohne Gewerbeschein hole ich mir nur Informationen, die ich brauch, um erfolgreich durchzustarten und um mein Konzept zu erstellen.



Konzept

In diesem Konzept stellt ihr Eure Geschäft vor. Kurz und bündig erklärt ihr, was ihr machen wollt, welche Zielgruppe ihr habt und ihr stellt klar, dass ihr den Markt analysiert habt und kristallisiert heraus, was Euch von Euren Mitbewerbern in diesem Markt unterscheidet.


Inhalt eines Konzeptes

Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens
Budgetplanung für die ersten 3 Geschäftsjahre
Detailauflistung der Erlös-, Kosten- und Privatkonten zur Budgetplanung
Umsatzermittlung für die ersten 3 Geschäftsjahre
Einkauf/Preisliste/Gewinnspanne
Lebenslauf

Bitte schlüssig und stimmig gestalten!! Eurer Gegenüber, der dieses Konzept dann liest, muss alles nachvollziehen können!!

Und jetzt....zum Bankangestellten gehen und nerven??

Nein, ihr könnt noch nicht los legen!

Ihr ruft die IHK an, erklärt Eure Situation und holt Euch einen Existenzgründerpass*** und nehmt an einen Existenzgründerseminar teil, dass ihr über diesen Pass abrechnet.
Ihr bekommt eine Teilnahmebestätigung. AUFHEBEN!!
Damit geht ihr zur ARGE und fragt nach einem Coachingvertrag (???) /dazu komme ich noch.
Einige ARGE'n werden keine rausgeben können, weil einfach die Mittel dazu nicht da sind. Die ,,Summe" die darauf steht, kann unterschiedlich sein. Nicht darüber aufregen, ruhig bleiben.

Im Existenzgründerseminar wurden Euch Wege zur Förderung dargestellt.
Ihr ruft also die KfW Bank an, erklärt kurz worum es geht und bittet um entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten. Unterlagen zu schicken lassen!
Ihr ruft die Bürgschaftsbank an (haftet bis zu 80 % für die Kreditsumme), erklärt ebenfalls worum es geht und bittet ebenfalls um Finanzierungsmöglichkeiten. Unterlagen zu schicken lassen!
Dann gibt es noch die Landesaufbaubanken *** – bei uns heißt es Thüringer Aufbaubank.
Auch hier lasst Ihr Euch entsprechende Unterlagen zuschicken.
GfAW anrufen! Auch hier wie oben beschrieben.

Anmerkungen
ACHTUNG!!
Die ARGE kann Euch auch unterstützen, über das Überbrückungsgeld.
Ihr müsst alles genau durchrechnen, wenn ihr Überbrückungsgeld von der ARGE erhaltet, erhaltet ihr keine Förderung von der GfAW!!
(war jedenfalls bei mir so)
ACHTUNG!!
*** Landesaufbaubank
Bei mir war das so, dass man Bearbeitungsgebühren in Höhe von 400 € verlangte.
Erkundigt Euch bitte, bevor ihr dort euer Konzept abgebt, weil ihr evtl. dort Fördermittel beantragt wollt, was es kostet!! Die Bearbeitungsgebühr ist keine Zusage für die Bereitstellung der Fördermittel, sondern nur ein ,,Bonus", damit der Bankangestellte es in die Hand nimmt!! Bei Ablehnung ist dieses Geld weg!
Ihr benötigt eine Hausbank, die Eurer Unterfangen unterstützt.
Ihr könnt also nicht zur KfW Bank gehen und einen Kreditantrag stellen, sondern Eure Hausbank muss dies beantragen. Dies gilt auch für die Bürgschaftsbank!!


Steuern
Ihr ruft bitte das Finanzamt an, erklärt ebenfalls was ihr machen wollt und lasst Euch SCHRIFTLICH die Mehrwertsteuer, die ihr den Kunden in Rechnung stellen müsst geben!

Ihr müsst ja Eure Kunden Rechnungen stellen, aus der offensichtlich sein muss, wie viel Mehrwertsteuer ihr berechnet müsst. Also Nettobetrag X,XX € plus X,XX € Mehrwertsteuer gleich Brutto (Gesamtrechnungsbetrag).
Dazu braucht ihr aber die entsprechenden Steuersätze. Macht ihr das nicht bzw. berechnet ihr die falschen Mehrwertsteuern, kann es passieren, dass ihr schneller wieder aus der Selbstständigkeit seit, als Euch lieb sein wird. Hier also SORGSAM arbeiten!!
Lasst es Euch SCHRIFTLICH geben, mit Unterschrift und Stempel – bleibt hartnäckig, wenn der Mitarbeiter sagt, dass dies nicht notwendig ist. Ihr möchtet es, weil ihr es in Eurer Konzept mit einfügen wollt.
(eigentlich aber nur, damit ihr auf der sicheren Seite seit!)

Selbstständige müssen evtl. Genehmigungen einholen, kümmert Euch rechtzeitig darum.
Am Besten geht zu den zuständigen Behörden, erklärt Euch, wann ihr Euch selbstständig machen wollt und was ihr benötigt. Ohne erforderliche Genehmigungen dürft ihr auf gar keinen Fall arbeiten!!

Und nun denkt ihr – ihr könnt Euch vom Amt abmelden??

Leider immer noch nicht!

Selbstständige müssen sich auch selbstständig versichern. Krankenversicherung, Betriebshaftpflicht, ganz, ganz, WICHTIG RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG!!
Holt Euch auch Angebote ein, am Besten gleich mal mit dem Kleingedruckten!!

Ihr habt an Alles gedacht, wisst, welche Fördermittel ihr möchtet, welche Versicherungen usw. ihr abschließen wollt usw. Ihr kennt also Eure ganzen Einnahmen (klar bei Existenzgründer geschätzt) ihr kennt auch Eure ganzen Ausgaben. Ihr wisst auch, was nach der Umsatzsteuer für Euch übrig bleibt.

Ihr habt alle Unterlagen, ihr habt Vorschläge für Versicherungsverträge (die IHR NOCH NICHT UNTERSCHRIEBEN HABT) und nun ....

Die IHK hat einen Rechtsanwalt, den ihr auch über den Existenzgründerpass abrechnen könnt, mit all den Unterlagen, die in irgendeiner Form vertraglich aussehen, geht ihr damit zu diesem Rechtsanwalt und lasst Euch beraten.
Auch, wenn ihr Verträge erstellen müsst oder auch ganz wichtig Eure AGB's lasst sie von einem Fachmann überprüfen.
EURE Existenz hängt davon ab!!

So ihr habt alles, was ihr braucht nun erstellt Eurer Konzept – siehe Inhalt oben!!


Ihr könnt das nicht allein??

Ruft Steuerberater an, fragt ob sie Existenzgründer unterstützen und ob sie über Coachingvertrag arbeiten und ob sie Eurer Konzept erstellen oder überprüfen – auch hier kann es sein, dass die IHK Euch weiterhilft! Scheut Euch nicht anzurufen.
Unsere ist ziemlich nett und zuvorkommend!
Bevor ihr überhaupt mit den Steuerberater über Eure Geschäftsidee sprecht (Konzept), klärt die Kosten ab. Klopft alles genau ab. Damit wirklich keine böse Überraschung auf Euch wartet.

Anmerkung

Coachingverträge als auch Existenzgründerpässe sind zeitlich begrenzt!

Also heißt dies für Euch FLEISSARBEIT! Aber dies dürfte ja kein Problem sein! Ihr wollt ja Selbstständige werden!

So Eurer Konzept steht, ist schlüssig und stimmig und wasserdicht. Ihr habt Euch profimäßig auf das Bankgespräch vorbereitet – dann legt einen Termin (Flessabank ist offener für Existenzgründer – nur mal so ein Erfahrungswert von mir)
Ihr könntet Euren Steuerberater mitnehmen. Klärt dies ab, ob evtl. Kosten diesbezüglich er Euch in Rechnung stellen wird!!
Wenn diese Kosten nicht mehr über den Coachingvertrag abrechen bar sind, dann geht alleine!

Ihr habt den Banktermin, ihr habt Eure Unterlagen perfekt in Ordnung und nun los!!

Halt!! Ihr geht bitte in Geschäftskleidung zu diesem Termin. Ihr seit Profis, wollt ein Geschäft eröffnen, kleidet Euch dementsprechend!

Erwartet von diesem Gespräch nicht gleich eine Zusage.

Ihr werdet eine Selbstauskunft erhalten, die ihr bitte gewissenhaft ausfüllen werdet. Holt Euch von der Schufa eine Auskunft und heftet diese an der Selbstauskunft ab. Wenn sie nicht gerade negativ ist.

Lasst Euch nicht hängen, wenn ihr eine Absage bekommt. Die Banken haben ein bestimmten Punktesystem, wenn ihr da durchrasselt....Aber jede Bank hat ein anderes Bewertungssystem, deshalb nicht gleich aufgeben!
Eure Chancen werden erhöht, wenn ihr Eurer Konzept von der IHK auf Wirtschaftlichkeit überprüfen lasst und die IHK die Geschäftsidee auch befürwortet. Auch hier gilt der Grundsatz: SCHRIFTLICH!


Alles was mündlich ist, ist keinen Pfifferling wert.
Für Leistungen, die erst bezahlt werden müssen (Vorkasse) und dann erst bewegt sich dieser Mensch – HÄNDE WEG! Außer die Landesaufbaubanken – das ist leider eben so.
Es gibt Unternehmensberater, die auf Erfolgsprovision (ihre Provision wird erst fällig, wenn ihr die Fördermittel auf eurem Bankkonto gutgeschrieben bekommt) arbeiten, da müsst ihr Euch mal durchtelefonieren. Auch hier gilt der Grundsatz – durchrechnen und falls ihr Euch für diesen entscheidet, rechnet ihn bitte mit in Eurer Konzept ein. Er ist ja ein Kostenfaktor (Ausgabe)

Lasst die Hände von Kreditannoncen – kann nur schief gehen! Entweder ihr bekommt Geld, aber dann zu Zinssätzen, die einfach nicht zu bezahlen sind oder ihr geht in Vorkasse, müsst also erst einmal Euros zahlen und bekommt eine Absage. Hab mal rumtelefoniert diesbezüglich, der Billigste hat 1200 € verlangt, damit er einen Kredit vermittelt....ALSO tut Euch selbst den Gefallen und lasst es!

Achtet bei Eurer Erstellung Eures Finanzierungsplanes darauf, dass ihr neu auf dem Markt seid. Ihr müsst eine Durststrecke evtl. überbrücken – rechnet das bitte mit ein!! Kalkulierbares Risiko!! Und vergesst Eurer Unternehmergehalt nicht. Ihr müsst ja auch von was leben!!

Ihr möchtet Personal einstellen. Befragt die ARGE welche Förderungen ihr als Arbeitgeber erhalten könnt. Dies natürlich auch schriftlich!
ACHTUNG lest bitte auch hier das Kleingedruckte!!
Egal was ihr unterschreibt – das Kleingedruckte ist wichtiger als alles andere!!
Bitte keine Knebelverträge unterschreiben, achtet darauf!!

Meldet Euch erst vom Amt ab, wenn Eure Finanzierungen stehen, wenn Eure Selbstständigkeit wirklich los gehen kann. An diesem Tag werdet ihr umgehend zum Gewerbeamt gehen und Eurer Gewerbe anmeldet. OHNE Gewerbeschein läuft gar nichts.
Jedes Bundesland hat andere Spielregeln der Fördermittel, aber KfW, IHK und Bürgschaftsbank haben alle.
Der Weg in die Selbstständigkeit ist kein Spaziergang, sondern wirklich richtige Fleißarbeit. Im Vorfeld und dann wenn ihr Eure Selbstständigkeit lebt.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.