Bürgergeld und Produkttester

Begonnen von hansmeisner, 26. Januar 2024, 19:04:05

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hansmeisner

Hallo,

mal eine etwas außergewöhnliche Situation:
Mein Bekannter ist Bürgergeld-Empfänger und hat nun eine Einladung von Amazon zu dem hauseigenen "exclusiven Club" der Produkttester erhalten. Nun weiß er grad nicht, wie er damit umgehen soll und ich weiß auch keinen guten Rat dazu. Es gibt da wohl einige Eigenarten zu beachten.

Er hat mir das an seinem PC mal kurz gezeigt: Er hat da eine Seite, direkt auf Amazon, und kann sich dort aus über 8.000 Artikeln bis zu drei am Tag heraussuchen (max. 95 Euro pro Produkt) und diese kostenlos zum Testen anfordern. Amazon erwartet, dass jeder Tester zu jedem Produkt eine wahrheitsgemäße Produktrezension verfasst. Sollte ein Tester dem nicht Folge leisten, wird sein Produkttester-Konto gesperrt. Die Artikel kann er aber trotzdem behalten. Allerdings gibt es die Einschränkung, dass in den ersten sechs Monaten nach Erhalt der Produkte diese im Eigentum von Amazon stehen und es erst danach auf den Produkttester übergeht. Amazon behält sich das Recht vor, die Artikel innerhalb der ersten sechs Monate zurückzufordern; nach Recherche in Foren scheint das aber bisher noch nie vorgekommen zu sein und diesen "Club" gibt es schon seit Anfang des Jahrtausends.

Die Artikel bestehen fast ausschließlich aus chinesischen Produkten, meist bis zu 20 Euro. Sehr sehr selten auch mal Artikel um die 40 bis 60 Euro. Also alles so Kleinkram:
- Brillenputztücher
- Holzleim
- Ersatzklingen für Cuttermesser
- tonnenweise Smartphone-Hüllen
- LED-Streifen
- Akku-Tischlampen
- beheizbare Socken
usw usw. Fernseher, Markenklamotten und Kühlschränke sind demnach nicht dabei. :weisnich:

In etwa sechs Monaten kann er hochgestuft werden und dann bis zu acht Artikel pro Tag anfordern, mit unbegrenztem Produktpreis. Was man so liest soll es dann sehr sehr selten auch mal ein Rudergerät für 250 Euro zum Anfordern geben oder eine Wärmebildkamera für 350 Euro. Das käme aber laut Forenteilnehmern nur wenige male im Jahr vor, weil sich dann alle Tester gleichzeitig auf diese Waren stürzen.

Er hatte da schon die Idee mal durchzurechnen, wie das mit einer Selbständigkeit wäre: Artikel anfordern und auf eBay verkaufen, mit Gewerbeanmeldung etc. Dem entgegen steht der Eigentumsvorbehalt von Amazon, er müsste die Waren also sechs Monate irgendwo lagern - in seiner kleinen Bude eher schlecht realisierbar. Er meinte, das lohne sich nur dann, wenn er bis zu acht Artikel am Tag anfordern könne, dann käme er realistisch auf irgendwas um die 1.000 Euro Netto (abzgl. aller Kosten, Krankenversicherung, Steuer usw), wenn es richtig gut liefe evtl. sogar max. 1.200 Euro. Er bliebe demnach Aufstocker.

Ein Hauptproblem sei, dass die Waren nach seinen Recherchen bei eBay mit min. 50% Abschlag vom Amazonpreis zu verkaufen seien, weil sie einfach nicht soviel Wert wären wie dort angegeben. Es sei halt überteuerter Billigkram, den es haufenweise auf dem Markt gäbe und aufgrund seines begrenzten Lagerplatzes müssten sie wohl auch dann zügig verkauft werden (z.B. als Auktion), was eben auch den Verkaufspreis drückt. Im Übrigen musste er einen Steuerfragebogen ausfüllen, um an dem "Club" teilnehmen zu dürfen. Die Menge und der Preis der angeforderten Produkte werden von Amazon seit Anfang 2024 an das Finanzamt gemeldet.

Jetzt kommt sein Problem: Damit er überhaupt dahin kommen kann um acht Artikel am Tag anzufordern, muss er die Bedingung erfüllen, min. 80 Artikel in den ersten sechs Monaten anzufordern und diese zu bewerten - die er in diesen ersten sechs Monaten auch nicht verkaufen darf.

Wie sieht das nun im Bürgergeld aus, werden dort solche "Sachzuwendungen" angerechnet? Wie soll das vonstatten gehen, er kann ja nicht von Cuttermessern und Brillenputztüchern leben, wenn er dadurch weniger Leistungen vom Jobcenter erhält? :scratch: Ich bin da überfragt.

Rotti

Zitat von: hansmeisner am 26. Januar 2024, 19:04:05Wie sieht das nun im Bürgergeld aus, werden dort solche "Sachzuwendungen" angerechnet? Wie soll das vonstatten gehen, er kann ja nicht von Cuttermessern und Brillenputztüchern leben, wenn er dadurch weniger Leistungen vom Jobcenter erhält? :scratch: Ich bin da überfragt.
ich hatte auch schon einmal Sachen bekommen von Amazon, aber ich wusste nicht wieso Schuhe, ein kleiner Heizkörper u.s.w. das sind Sachwerte, die man nicht angeben muss. Verkauft hab ich den Krempel aber erst wie ich aus dem Hartz4 war-
Vom Genossen Erich zum Genossen Gerhard auch nicht besser

Xellos

Seit diesem Jahr können da Steuern fällig werden  :no:

september23

Zitat von: hansmeisner am 26. Januar 2024, 19:04:05...Er meinte, das lohne sich nur dann, wenn er bis zu acht Artikel am Tag anfordern könne, dann käme er realistisch auf irgendwas um die 1.000 Euro Netto (abzgl. aller Kosten, Krankenversicherung, Steuer usw), wenn es richtig gut liefe evtl. sogar max. 1.200 Euro. Er bliebe demnach Aufstocker.
Dein Bekannter übersieht vermutlich, dass er den Krempel vermutlich nicht so schnell verkaufen wird, wie er ihn bekommt und das Thema Finanzamt und Steuern.

Von der Lagerung und Organisation des Ganzen, einschließlich Abzug der Kosten fürs Verpacken und Versenden mal abgesehen.
Es klingt nicht danach, dass sich das finanziell lohnt.

Hary

Zitat von: hansmeisner am 26. Januar 2024, 19:04:05Er hatte da schon die Idee mal durchzurechnen, wie das mit einer Selbständigkeit wäre: Artikel anfordern und auf eBay verkaufen, mit Gewerbeanmeldung etc. Dem entgegen steht der Eigentumsvorbehalt von Amazon
Das wäre dann aber kein Produkttest mehr, sondern gewerblich. Davon abgesehen wird Amazon so etwas wohl nicht gerne sehen. Davon abgesehen sehe ich da durchaus juristische Probleme. Wenn jemand gewerblich Waren verkauft, die er "geschenkt" bekommen hat, dann wird auch schnell das Finanzamt und evtl. eine Ermittlungsbehörde unangenehme Fragen stellen. So was riecht nämlich nach Hehlerei.

hansmeisner

Zitat von: Rotti am 26. Januar 2024, 19:12:03[...] das sind Sachwerte, die man nicht angeben muss. Verkauft hab ich den Krempel aber erst wie ich aus dem Hartz4 war-
Also es ging in erster Linie darum, was mit den Sachen geschieht, ob das dem JC gemeldet werden muss. Soweit ich weiß gilt Einkommen nur in Geldwert, aber Sachwerte nicht? Kommt wohl auch auf die Werte an. :scratch:

Zitat von: september23 am 27. Januar 2024, 09:31:16Dein Bekannter übersieht vermutlich, dass er den Krempel vermutlich nicht so schnell verkaufen wird, wie er ihn bekommt und das Thema Finanzamt und Steuern.

Von der Lagerung und Organisation des Ganzen, einschließlich Abzug der Kosten fürs Verpacken und Versenden mal abgesehen.
Es klingt nicht danach, dass sich das finanziell lohnt.
Er hat sich das wohl schon alles in Excel mit Formeln zusammengebaut: Steuerberechnung, Versandkosten usw. ist schon alles drin. KV muss er im BG-Bezug wohl nicht zahlen? Dann wirds nochmal besser für ihn, die hat er m.W. nach auch mit einberechnet. Aber ich kann ihn nochmal genauer danach fragen was da alles drin ist.

Das größte Problem ist wirklich die Lagerfähigkeit und damit verbunden, wie schnell er die Sachen verkauft bekommt. Wobei bei Auktionen fast alles weg geht, ohne auf Käufer warten zu müssen. Am Ende ist doch jede zusätzliche Einnahme im BG-Bezug gut, oder nicht?

Hary

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Das größte Problem ist wirklich die Lagerfähigkeit und damit verbunden, wie schnell er die Sachen verkauft bekommt.
Ihm ist hoffentlich auch bewusst, dass er als gewerblicher Verkäufer auch alle gesetzlichen Pflichten erfüllen muss wie Garantie und Gewährleistung? Gerade bei Produktproben die wohl auch gerne aus China kommen, haftet er dafür dass seine Artikel auch als Normen erfüllen (Produktsicherheit, Schadstoffe usw.).

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Wobei bei Auktionen fast alles weg geht, ohne auf Käufer warten zu müssen.
Ich vermute einmal seine Vorstellungen weichen massiv von der Realität ab. Ich teste selbst regelmäßig über verschiedene Plattformen Produkte, auch über Amazon. Die Werbung für die Programme ist wie der Name schon sagt Werbung. Du kannst bei Amazon jedes Produkt alles Wunsch zum Testen auswählen. Ob und was du bekommst entscheidet Amazon mit dem Verkäufer. Natürlich ist es motivierender mit teuer Elektronik zu werben. In der Realität kommen dann eher solche Dinge wie ein USB Kabel, ein Topflappen oder eine Packung einer Plastik Kaffeebecher... Die überwiegende Zahl der Proben kommen von China Händler. Wer sollte nun einen Plastikbecher bei eBay kaufen, wo noch die Versandkosten dazu kommen, wenn es den Becher im Zehner Pack beim Ramschladen um die Ecke für weniger als die Versandkosten gibt?

Rotti

Zitat von: Hary am 28. Januar 2024, 08:04:47In der Realität kommen dann eher solche Dinge wie ein USB Kabel, ein Topflappen oder eine Packung einer Plastik Kaffeebecher..
du meinst doch wohl die Überraschungspakete, die auch angeboten werden und keiner so richtig weiß, was genau enthalten ist.
Dann doch lieber mit Karl Dall die Koffer Hoffer.
Vom Genossen Erich zum Genossen Gerhard auch nicht besser

Hary

Zitat von: Rotti am 28. Januar 2024, 14:28:07du meinst doch wohl die Überraschungspakete,
Ja diese Boxen haben Dank YouTube ja einen großen Hype. So was lohnt sich aber für den Käufer nie. Lohnend ist es für Youtuber, die zeigen sollen was dort drinnen sein kann. Aber der normale Kunde bekommt im besten Fall Waren die keiner will für einen Preis, den man auch im Laden bezahlt hätte. Nur weiß man im Laden was man gerade kauft.

september23

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Er hat sich das wohl schon alles in Excel mit Formeln zusammengebaut: Steuerberechnung, Versandkosten usw. ist schon alles drin. KV muss er im BG-Bezug wohl nicht zahlen?
was meinst Du mit KV im BG-Bezug?
Außerdem meinte ich noch, dass er die recht billige Ware nicht so schnell verkauft bekommt. Also die Käufer ihm vermutlich nicht die "Bude" einrennen werden.

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Das größte Problem ist wirklich die Lagerfähigkeit und damit verbunden, wie schnell er die Sachen verkauft bekommt.
EBEN. Das Ganze klingt recht blauäugig.

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Wobei bei Auktionen fast alles weg geht, ohne auf Käufer warten zu müssen.
Du kannst eine Auktion nicht mit dem gewerblichen Verkauf über eine Plattform vergleichen.

Zitat von: hansmeisner am 28. Januar 2024, 03:01:26Am Ende ist doch jede zusätzliche Einnahme im BG-Bezug gut, oder nicht?
Nö, es kommt auf die Kosten-Nutzen-Relation an. Wenn man die Wohnung voller Kleinkram und Kisten hat und am Monatsende 50 Euro verkauft hat, dafür keine Ahnung wieviel Stunden "arbeitet", ist es m.E. nicht gut.

Und wie genannt: Gewerblich = Käufer dürfen zurückschicken. Wer trägt die Kosten? wie wird das verbucht? was macht er mit den Sachen? Und das Thema Gewährleistung kommt auch noch dazu.

hansmeisner

Ich habe mir mal seine Berechnungen angesehen und das funktioniert schon aus einem Grunde nicht:
Weil er steuerrechtlich als Dienstleister von Amazon gilt und die Produkte Sachzuwendungen sind. Diese sind steuerlich voll anzurechnen. Da die Erlöse durch einen Verkauf dieser Sachzuwendungen generell niedriger sind als was sie auf Amazon wert sind, würde er immer im Minus bleiben.

War eine schöne Idee, aber auf diese Art nicht umsetzbar.

Rotti

Zitat von: hansmeisner am 29. Januar 2024, 19:55:18War eine schöne Idee, aber auf diese Art nicht umsetzbar.
ein schönes Hobby vielleicht, aber zum Geldverdienen nicht wirklich attraktiv im Bürgergeld.
Vom Genossen Erich zum Genossen Gerhard auch nicht besser

hansmeisner

Zitat von: Rotti am 29. Januar 2024, 20:47:05ein schönes Hobby vielleicht, aber zum Geldverdienen nicht wirklich attraktiv im Bürgergeld.
Für niemanden attaktiv, seit dem das Finanzamt nun die Daten erhält und man als Dienstleister eingestuft wird. :weisnich: Das lohnt in Zukunft nur für Produkte, die man sowieso gekauft hätte und man so günstiger bekommt.

Für Bürgergeld-Empfänger noch etwas attraktiver, da diese meist den kompletten Steuerfreibetrag noch zur Verfügung haben. Solange diese Sachzuwendungen nicht auf den Regelsatz angerechnet werden.

Rotti

Zitat von: hansmeisner am 29. Januar 2024, 21:30:06Für niemanden attaktiv, seit dem das Finanzamt nun die Daten erhält und man als Dienstleister eingestuft wird. :weisnich:
das Finanzamt hat aber schon vorher gefischt und Stichproben gemacht, so mancher Geschäftsmann hat da bestimmt anonym angezeigt.

Die Finanzämter haben bei ihren Fahndungen einen kleinen Helfer, mit dem Namen ,,Xpider". Es handelt sich hierbei um eine Software, welche gezielt die Webseiten analysiert und so Verkäufer erkennt, welche häufig aktiv sind und im größeren Stil Gegenstände verkaufen. Wird ein Nutzer durch diese Software als potentieller Steuerhinterzieher eingestuft, sind die Anbieter mittlerweile verpflichtet gegenüber den Steuerämtern private Information rauszugeben.
Vom Genossen Erich zum Genossen Gerhard auch nicht besser

september23

Zitat von: Rotti am 29. Januar 2024, 20:47:05ein schönes Hobby vielleicht, aber zum Geldverdienen nicht wirklich attraktiv im Bürgergeld.
das ist für alle nur ein Hobby und für niemand attraktiv. Neben Steuern, muss man den Aufwand, die Lagerung und vieles mehr des Gewerbetreibenden bedenken. Das kann man nur ab und an als kleines Zubrot machen.

Zitat von: hansmeisner am 29. Januar 2024, 21:30:06Für niemanden attaktiv, seit dem das Finanzamt nun die Daten erhält und man als Dienstleister eingestuft wird. :weisnich:
ja, weil man einer ist. Man kann kein Gewerbe anmelden und sich dann wundern, dass man entsprechend eingestuft wird

Zitat von: hansmeisner am 29. Januar 2024, 21:30:06Das lohnt in Zukunft nur für Produkte, die man sowieso gekauft hätte und man so günstiger bekommt.
oder um es (evtl. gegen einen geringen Betrag) Verwandten und guten Bekannten zu überlassen

Zitat von: hansmeisner am 29. Januar 2024, 21:30:06Für Bürgergeld-Empfänger noch etwas attraktiver, da diese meist den kompletten Steuerfreibetrag noch zur Verfügung haben.
Steuerfreibetrag ist der Teil der Einkommenssteuer, der steuerfrei gestellt wird. Wenn man ohne Einkommen ist, hat man gar keine Einkommenssteuern. Demnach auch keinen Freibetrag, der steuerfrei zu stellen ist.
Verdient man geringfügig dazu (Minijob), wird es nicht besteuert.