Anwendung der Bagatellgrenze bei gerichtlichem Vergleich zu alter Forderung

Begonnen von Wunderlich, 27. August 2024, 15:19:47

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Wunderlich

Guten Tag, in die Runde ..
eine Frage zu folgendem Sachverhalt, die ich mir mit keinem bzgl. Bagatellgrenze gelesenen Beitrag bis hierher beantworten konnte.

Es bestand eine unberechtigte(!) Jobcenterforderung aus 2017 (in Berlin mahlen die Justizmühlen sehr langsam) von über 800 Euro, die in einer Verhandlung vor wenigen Wochen - also in 2024 - auf 45,- Euro nach unten korrigiert wurde. Es gab kein Urteil, sondern einen Vergleich.

Das Jobcenter möchte diese Forderung i.H.v. 45 Euro realisieren.
Mein Einwand, dieser Betrag fiele nun aber unter die Bagatellgrenze wird zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, die Forderung sei

1. Zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem es keine Bagatellgrenze gab und
2. Sei die Forderung durch mein Teilankerkenntnis im Vergleich bestandskräftig geworden

Wenn eine (Teil-)Forderung nach gerichtlicher Prüfung erst in 2024 bestandskräftig wird, dann müsste doch theoretisch auch die aktuelle Gesetzeslage und damit die Bagatellgrenze greifen? Denn von einer "Prüfung" von Amts wegen in 2017 kann angesichts des Unterschiedes im Betrag zwischen über 800 und 45 Euro wohl kaum die Rede sein.

Kennt sich vielleicht jemand aus und kann mir sagen, ob die Argumentation des Jobcenters sachlich zutreffend ist?

Lieber Gruß,
Wunderlich




TripleH

Es gilt die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides ungeachtet der Bestandskraft, die im Übrigen durch den Vergleich auch so wie verglichen, eingetreten ist. Wenn, dann hättest du gleich bei den Vergleichsverhandlungen dso argumentieren müssen.

Wunderlich

Ok, danke dir vielmals.
Verständnisfrage: was hätte es gebracht, bereits in der Verhandlung mit der Bagatellgrenze zu argumentieren?

Das sind dann anscheinend verwaltungsrechtliche Finessen? Ich würde ja meinen, der Bescheid war rechtswidrig, weil er auf unrichtigen Sachverhalten und Unterstellungen beruhte. So wurde seitens Jobcenter beispielsweise argumentiert, Freiberufler würden keine Buchführungs- und Steuersoftware benötigen, weil sie ja nicht umsatzsteuerpflichtig seien. Völlig absurd!


TripleH

Zitat von: Wunderlich am 27. August 2024, 19:33:43was hätte es gebracht, bereits in der Verhandlung mit der Bagatellgrenze zu argumentieren?

Einfach ein Versuch. Vielleicht hätte der Bluff ja was gebracht. Vergleichsverhandlungen sind nunmal türkischer Basar.


 

Ottokar

Abgesehen davon, dass es die sog. Bagatellgrenze erst seit 01.01.2023 gibt und damit für die aus 2017 stammende Forderung nicht anzuwenden ist, gilt diese auch nur für die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Vergangenheit sowie für Rückforderungsbescheide nach § 50 SGB X, nicht für (gerichtliche) Vergleiche.
D.h. selbst wenn die Forderung aus 2023 wäre, würde die Regelung in § 40 Abs. 1 S. 3 SGB II zur sog. Bagatellgrenze bei dem hier der Forderung zugrunde liegenden gerichtlichen Vergleich nicht greifen.
Etwas Anderes wäre es, wenn eine Forderung aus 2023 infolge eines Widerspruches auf 45€ reduziert worden wäre, dann dürfte diese aufgrund § 40 Abs. 1 S. 3 bis 5 SGB II nicht mehr durchgesetzt werden.
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