Ist spätere Streichung von vor Umzug bewilligten Mehrkosten für Miete zulässig?

Begonnen von Winfried68, 04. November 2024, 01:14:25

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Winfried68

Hallo liebe Forenmitglieder,
mein Sohn und ich mussten vor drei Jahren zwangsweise aus der alten Mietwohnung ausziehen. Ich habe fast ein Jahr nach einer geeigneten Wohnung gesucht, weil ich selbst in voll erwerbsgemindert behindert bin und daher u.v.a. nicht in jeder Wohnung wohnen kann. Zudem die Wohnungsnot, kaum Mietangebote  unterhalb der Mietobergrenze und unzählige Bewerber. Es war eine Katastrophe. Hatte damals Panik , dass wir obdachlos werden.  Aufgrund der schwierigen Wohnungsmarktsituation in Verbindung mit meiner Schwerbehinderung  wurden mir von der SB und dem sozialen Dienst 100 Euro Mietkosten mehr bewilligt, bzw 50 Euro pro Person. Mein Sohn war damals noch im Bürgergeldbezug als Schüler. So hat damals das JC für ihn 50 Mehrkosten übernommen und für mich das Sozialamt 50 Euro. Und ich war wegen voller Erwerbsminderung in Bezug von GruSi-Aufstockung.
Nach drei Jahren hat sich die Lage geändert insoweit, dass mein Sohn in einer Ausbildung ist und durch sein eigenes Einkommen aus dem Bürgergeld herausgefallen ist, da er sich selbst versorgen kann. Die Miete wurde für mich bisher hälftig vom Sozialamt übernommen, und er zahlt seine Hälfte der Miete aus eigener Tasche. Genauso haben wir seither getrennte Lebensführung wie in einer Wohngemeinschaft -  also jeder sorgt für sich selbst. Das ist gut für seine Selbstständigkeit und lernen mit dem Geld zu wirtschaften. Die Kaltmiete ist bislang gleich geblieben wie seit dem Einzug, nur die Nebenkosten (die sehr gering sind) haben sich um 15 Euro erhöht.

Nun kam ein Schreiben von meiner Sachbearbeiterin (eine neue) , die mich - so verstehe ich das Schreiben - aufgrund zu unangemessener Miete zum Umzug in eine angemessene Wohnung auffordert, und in ein paar Monaten sollen die 100 Euro Mietzuschuss, der  seit dem letzten Umzug zur Miete zusätzlich gewährt wurde, wegfallen und nur noch die reine Kaltmiete laut Mietobergrenze, die für 2 Personen gilt, übernommen werden. So hab ich das Schreiben verstanden. Und jeder, der es auch gelesen hat,  versteht es  so oder auch anders, bzw die meisten verstehen es so wie ich.
Damals hat keine SB vom Amt schriftlich oder mündlich  mitgeteilt, dass diese Mehrkosten nur zeitlich begrenzt sind, sonst hätt ich damals die Wohnung nie gemietet/nie mieten können. Nun fühl ich mich, als hätten sie mich damals ins offene Messer laufen lassen und nun nach drei Jahren uns aus der Wohnung rausnötigen, da willkürlich der finanzielle Hahn abgedreht wird. 
Ich möchte wissen, ob das so geht und welche Rechte ich habe. Vielleicht weiß das jemand hier. Danke.

Dann habe ich noch eine weitere Frage zu dieser Sache: "Bedarfsgemeinschaft" heißt doch , wenn alle Mitglieder in dieser Bedarfsgemeinschaft soziale Leistungen vom Sozialamt oder Jobcenter beziehen, oder? Wie verhält es sich,  wenn es zuerst zwei Personen(wie hier Elternteil und Sohn) in der BG waren, und dann fällt eine Person weg, weil sie die Leistungen nicht mehr braucht, sondern sich selber versorgen kann?  Ist es dann trotzdem weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft oder keine mehr?

Und falls es in diesem Fall keine Bedarfsgemeinschaft mehr darstellen sollte, kann dann noch vom Amt für die noch bedürftige Person weiterhin  die Mietobergrenze zugrundegelegt werden, die für einen 2-Personen-Haushalt gilt? Oder gilt dann für sie die Mietobergrenze, die für 1 Person gilt?
 
Anderes Beispiel: Alleinstehende Person mietet statt eine Wohnung für sich allein ein Zimmer in einer WG, in der noch einige andere wohnen. Gilt dann für die Person  die Mietobergrenze für 1-Personenhaushalt, oder gilt die Obergrenze auf Grundlage der Gesamtanzahl der WG-Bewohner? Und wird unterschieden zwischen Verwandten und Nicht-Verwandten(Fremden)?
 

Sheherazade

Zitat von: Winfried68 am 04. November 2024, 01:14:25Wie verhält es sich, wenn es zuerst zwei Personen(wie hier Elternteil und Sohn) in der BG waren, und dann fällt eine Person weg, weil sie die Leistungen nicht mehr braucht, sondern sich selber versorgen kann? Ist es dann trotzdem weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft

Ja, solange die Person, die ihren Bedarf jetzt selbst decken kann, noch unter 25 Jahre alt ist.

Kannst du mal das damalige Schreiben über die Bewilligung des Zuschusses von 100€ und das neue Schreiben mit der Kostensenkungsaufforderung hier anonymisiert einstellen?
 
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Quinky

Nein, wenn die eine Person seinen Bedarf durch Einkommen selbst decken kann, besteht keine gemeinsame BG mehr, Siehe § 7 SGBII! Das Alter spielt in dem Falle keine Rolle, selbst ein Baby kann theoretisch (durch ausreichen Einkommen oder Vermögen) aus der gemeinsamen BG herausfallen.
Somit steht der zweiten Person bei der KDU-Ermittlung die Angemessenheit für 1 Person zu und nicht die Hälfte von zwei Personen!

Ernie


Quinky

turbulent,
BSG und BGH sind sich nicht einig, ob der § 7 SGBII auch in einer Bedarfsrechnung nach SGB XII zu übertragen ist.
Sollte der § 7 für diese Gemeinschaft nicht gültig sein, würde die Person die keinem SGB unterliegt benachteiligt, denn sie müßte nach Angemessenheitsgrenzen leben, die für sie überhaupt nicht gültig sind (z.B. 30qm bei einer 2er-BG, obwohl bei 2.000€ netto (beispielsweise) keine Angemessenheitsgrenze besteht).
Daher besteht keine Eindeutigkeit! In vielen Regelungen sind § aus dem SGBII auch auf das SGB XII übertragen worden, obwohl explizieht das nicht im SGB XII steht. In vielen Fällen waren das logische Schlussfolgerungen.
Im vorliegendem Fall würde ich auf WG bestehen!

Fettnäpfchen

Winfried68

Zitat von: Winfried68 am 04. November 2024, 01:14:25mit meiner Schwerbehinderung
Je nach Land und JC gibt es auch eine Sonderregelung dass u.U. eine 10% Erhöhung der Angemessenheit vorgenommen werden kann.
Vllt. findest du es in den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaues der einzelnen Bundesländer
ansonsten beim JC o. Sozialamt nachfragen.

Dazu
Zitat von: Winfried68 am 04. November 2024, 01:14:25aufgrund zu unangemessener Miete zum Umzug in eine angemessene Wohnung auffordert, und in ein paar Monaten sollen die 100 Euro Mietzuschuss, der seit dem letzten Umzug zur Miete zusätzlich gewährt wurde, wegfallen und nur noch die reine Kaltmiete laut Mietobergrenze, die für 2 Personen gilt, übernommen werden.
gilt bis zu sechs Monaten
und nein es kann nicht auf die KM allein ausgerichtet werden denn es gilt die Gesamtangemessenheit. Also KM+NK/BK+HK
s. Anhang!
und wenn alle Stricke reisen dann kommt noch die Wirtschaftlichkeitsprüfung ins Spiel. s. Anhang

Bezüglich der KdUH und einer o. zwei Personen seid ihr eine BG bis der Sohn ü25J. ist.
Was die Rechtsprechung im BG Bezug spricht:Unterkunftskosten und Urteile
Zitat- Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R, vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R:
Ermittlung und Anwendung der Angemessenheitskriterien der Unterkunft.

a) Grundlage für die Festlegung einer angemessenen Kaltmiete ist ein aktueller qualifizierter Mietspiegel, existiert ein solcher nicht, kann der Leistungsträger selbst entsprechende Daten über verfügbaren Wohnraum und dessen Kaltmiete erheben. Als letzte Alternative kommt die Anwendung der Tabelle des § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) in Frage, wenn kein anderen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen. Entscheidend für die Angemessenheit ist die angemessene Kaltmiete, Größenabweichungen der Wohnung können dabei außer acht bleiben. Die Einbeziehung der Neben- oder Heizkosten ist dabei unzulässig, da dies eine verbotene Pauschalierung darstellt. Berechnungsformel für die angemessene Kaltmiete:
angemessene Kaltmiete = "die nach Personenzahl zulässige Wohnungsgröße lt. landesrechtlichen Vorschriften des soziale Wohnungsbaues" multipliziert mit "die am Wohnort übliche durchschnittliche Quadratmeterkaltmiete für Wohnungen mit einfacher Ausstattung"
Ausnahme: wenn im Mietpreis vom Leistungsträger zu übernehmende Kosten für Kabelanschluß (B 4 AS 48/08 R), Stellplatz (B 7b AS 10/06 R) oder Einrichtungsgegenstände (B 14 AS 14/08 R) enthalten sind, zählen diese zur Kaltmiete dazu und bilden im Ergebnis die angemessene Kaltmiete.
b) Kriterien für die Angemessenheit der Neben- und Heizkosten:
angemessene Nebenkosten = tatsächliche Nebenkosten, wenn diese ortsüblich sind und nicht auf zu hohem Verbrauch durch verschwenderisches Verhalten beruhen,
angemessene Heizkosten = tatsächliche Heizkosten, wenn diese nicht auf zu hohem Verbrauch durch verschwenderisches Verhalten beruhen.
Eine Kostensenkungsforderung kommt hier also nur dann in Betracht, wenn diese Kosten ortsunüblich sind und tatsächlich gesenkt werden können. Kosten, welche auf nachgewiesenem verschwenderischem Verhalten beruhen, muss der Leistungsträger grundsätzlich nicht zahlen.
c) Ein ALG II Bezieher hat das grundlegende Recht zum Verbleib in seinem Wohnort und sozialen Umfeld. Ein Umzug in einen anderen Ort kann nicht gefordert werden.
d) Vorgehensweise der Prüfung der Angemessenheit:
1. Feststellung der angemessenen Kaltmiete.
2. Feststellung, dass die Wohnung unangemessen ist.
3. Feststellung, ob eine Kostensenkung tatsächlich möglich und zumutbar ist.
4. Feststellung, ob eine Kostensenkung tatsächlich erfolgt und wirtschaftlich ist. Hierbei sind die tatsächlichen Kosten der alten und neuen Wohnung ausschlaggebend.
Generell ist dabei immer eine individuelle Einzelfallprüfung vorzunehmen.
e) Im Fall einer Mitteilung über zu hohe Unterkunftskosten muss der Betroffene durch geeignete Nachweise beweisen, dass ihm keine Kostensenkung möglich ist/war.
Erkennt der Leistungsträger dies nicht an, so muss er beweisen, dass dem Betroffenen eine Kostensenkung zumutbar und möglich gewesen wäre. Hierbei reicht es nicht aus, konkrete Wohnungsangebote nachzuweisen, sondern es muss auch geprüft werden, ob diese tatsächlich an den Betroffenen hätten vermietet werden können (siehe auch: BSG, Urteile vom 19.03.2008, B 11b AS 43/ 06 R und B 11b AS 41/06 R, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Zum Nachweis das ihr eine Whg gesucht und nicht gefunden hat was im Prinzip bedeutet dass das JC die KdUH weiter übernehmen muss (außer die beweisen das es angemessenen Wohnraum gibt) das "Formblatt zur Wohnungssuche"
(Formblatt auch anklicken (und lesen/ausdrucken))

Ob dieses Urteil
Zitat- Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/11b AS 61/06 R:
Bewohnern in Wohngemeinschaften stehen die vollen angemessenen Unterkunftskosten zu.
Eine Person hat Anspruch auf die vollen Unterkunftskosten für eine Person, Abzüge sind unzulässig.
auf euch angewendet werden kann weiß ich leider nicht da es sich um eine WG handelt. Könnte es mir aber vorstellen sonst wärt ihr ja benachteiligt, wobei andererseits sich das SGB 2 nicht immer mit anderen Urteilen und Gesetzen konform geht. Vllt weiß das ein anderer User.

MfG FN
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Rotti

Zitat von: Winfried68 am 04. November 2024, 01:14:25Und falls es in diesem Fall keine Bedarfsgemeinschaft mehr darstellen sollte, kann dann noch vom Amt für die noch bedürftige Person weiterhin die Mietobergrenze zugrundegelegt werden, die für einen 2-Personen-Haushalt gilt? Oder gilt dann für sie die Mietobergrenze, die für 1 Person gilt?
wenn bei dir eine Aufforderung vom Jc deine Wohnkosten zu reduzieren oder eine angemessene Wohnung zu suchen hast du ja 6 Monate Zeit eine neue Wohnung zu suchen, wenn du nichts findest müssen sie auch deine Miete weiter bezahlen. Meine Meinung bei 15€ mehr Miete würde ich jetzt nicht unbedingt umziehen in einen Sozialen Hinterhof wo die Miete angemessen wäre.

Quinky

Als der 100€ Zuschuss gewährt wurde, bestand noch eine gemeinsame BG, da beide Personen aus ihrem Einkommen ihren Bedarf nicht decken konnten. Somit trat laut § 7 SGBII die Regelung der gemeinsamen BG, da Sohn unter 25 Jahren war, ein.
Jetzt hat sich aber die Lebenssituation geändert. Der Sohn kann seinen eigenen Bedarf aus seinem Einkommen decken und fällt laut § 7 SGBII, trotz Alter unter 25 Jahren, aus der gemeinsamen BG heraus.
Somit ändert sich auch die Angemessenheit, es ist nicht mehr die gemeinsame Angemessenheit gültig, sondern für die Person, die ihren Bedarf nicht decken kann, ist die Angemessenheit einer 1-Personen-BG rechtlich gültig.

Weiterhin:
Es ist rechtlich NICHT möglich, zu einem Umzug aufgefordert zu werden, wenn die Angemessenheit überschritten ist. Die SB hätte lediglich zu einer Kostensenkung auffordern können, denn JEDER Person ist es möglich (zumindest theoretisch) die Kosten auf die Angemessenheit zu senken (Mietreduzierung durch Vermieter, Untervermietung, Änderung der BG usw.).

Ob diese Forderung überhaupt gültig ist, kommt auf den Wortlaut der Aufforderung an!
Aufforderung zum Umzug = rechtswidrig
Aufforderung zur Kostensenkung = rechtsgültig
Aufforderung bei Änderung in der BG (durch Herausfall einer Person aus der BG) = rechtswidrig, sofern die Angemessenheit für eine Person nicht überschritten ist.


Sheherazade

Ich wiederhole meine Bitte mal, damit das nicht bei so vielen, ellenlangen Beiträgen untergeht.

Zitat von: Sheherazade am 04. November 2024, 08:45:02Kannst du mal das damalige Schreiben über die Bewilligung des Zuschusses von 100€ und das neue Schreiben mit der Kostensenkungsaufforderung hier anonymisiert einstellen?
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"