Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Gast13437

Zitat von: Gast26037 am 09. Juni 2015, 19:46:43man muss bedenken das ja noch mehr Landräte es ihr gleich tun könnten
.... was aus JC-Sicht natürlich sofort mit entsprechenden Vorwürfen und Totschlagargumenten unterbunden gehört.

Nach der mE unsachlichen Meinung des JCs in Person des Torsten Rist habe die Landrätin, Frau Sojka offenbar wenig Kenntnis über die JC-Praxis, wie in der Freitagsausgabe der der Leipziger Volkszeitung zitiert wurde.
Dann kommt der (doch schon altbekannte) persönliche Angriff, indem Frau Sojka als Aggressorin verunglimpft, diskreditiert wird und ihre Aufforderung als "Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter" umgedeutet wird.
Und das ausgerechnet von einem JC-Mitarbeiter, der es womöglich noch gar nicht begriffen hat, welches Gewaltpotential der Sanktion eines Armuts-MINIMUMS anhaftet.

Aus meiner Sicht ist es unverhältnismäßige, mit nichts zu rechtfertigende Gewalt das MINDESTMAß zum Leben für eine Kürzung in Betracht zu ziehen, damit zu drohen und unnötige Existenzängste auszulösen. Erst recht wenn Sanktionen durchgeführt werden, kommt diese Praxis der weißen Folter gleich. Die derzeitige gewissenlos am GG vorbei verübten Sanktionen zeugen mMn davon, wie weit entfernt von GG, Menschenrechten, Rechtsstaat und Demokratie die Vollstrecker stehen.

Mit ihrer Forderung, die Sanktionen zu streichen, blende sie Gesetze aus. »Daran muss ich mich natürlich halten«, betonte die Kreischefin am Sonntag im Gespräch mit jW. IRRTUM Frau Kreischefin, Gesetze müssen zunächst überprüft werden inwiefern sie mit dem Grundgesetz (GG) - welches ÜBER allen Gesetzen (auch ÜBER dem sgb) steht - vereinbar sind. Wenn Bedenken hinsichtlich GG, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat bestehen sind Sie zur Remonstration verpflichtet, anstatt blind-untertänig umzusetzen, was Sie selber wohl kaum am eigenen Leib spüren wollen.
Zitat von: Gast26037 am 09. Juni 2015, 19:46:43Was das wieder kostet
Genau darum geht es. Und die "Argumentation" geht auch prompt in diese Richtung:

Allerdings könne die Trägerversammlung zumindest beschließen, die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nicht länger als Bestrafung zu beschneiden. Denn diese Leistung muss, anders als die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Kommune tragen

Gast35753

Zitat von: Gast13437 am 10. Juni 2015, 08:11:50
... Allerdings könne die Trägerversammlung zumindest beschließen, die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nicht länger als Bestrafung zu beschneiden. Denn diese Leistung muss, anders als die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Kommune tragen

Einfältige Ratsmitglieder mit schwindenden Steuereinnahmen drücken dann gern mal die Sanktionsquote hoch. Das spart dann kurzfristig die KDU und erst wenn die Obdachlosenzahlen in der Kommune dazu führen, dass im Winter teuer Container als Wohnungsersatz angemietet werden müssen und in einigen Kommunen sogar Hotels, kommt bei denen der große Jammer nach. Was denen aber von vorn herein egal ist, ist der MENSCH!

Gast2063

Das mittelalterliche Sanktionsunrecht ist ebenso eine Form von hinterhältiger Leistungshinterziehung wie der von den Tätern verharmlosend
,,Mietobergrenzen" genannte Sozialraub.


blablabla

Ich verstehe nicht, warum Hartz4-Empfänger als einzige in diesem Land nicht darüber nachdenken müssen sollen, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern.
Alle anderen müssen sich an bestimmte Regeln halten, sei es pünktliches Erscheinen zur Arbeit oder ähnliches. Nur Hartz4-Empfänger wollen nicht sanktioniert werden können, wenn sie zu einem Beratungsgespräch im JC ohne Grund nicht erscheinen oder eine zumutbare Arbeit ablehnen.
Diese Sonderlocke wäre eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn wir mal das beliebte Grundgesetz bemühen wollen.
Jeder muss gucken, dass er seinen Unterhalt sichert, sei es auch nur durch gelegentliche Termine oder sporadische Bewerbungen.

Gast2063

#379
oder eine zumutbare Arbeit ablehnen.

So etwas zu behaupten ist eine dreiste Frechheit.
Es gibt Arbeitszwang - aber keine zumutbare Arbeit.

,,Zumutbare Arbeit" ist ein weiterer zynischer Begriff der perfiden Hartz-Zwangsideologie um Betroffene zu diskreditieren und in prekäre Drecksjobs zu pressen.
Außerdem lässt sich damit wunderschön von den eigentlichen Ursachen der Erwerbslosigkeit in D ablenken.

Darum geht es, nur darum!

Was zumutbar für den Betroffenen ist, kann nur er selbst für sich definieren. Aber ganz sicher keine Hartz-Schergen.
,,Zumutbarkeit" ist ein widerwärtiger neoliberaler Kampfbegriff um Arbeitnehmer und Erwerbslose gegeneinander auszuspielen.
Was bei manchen ja auch gelingt, wie man lesen kann.

Immer daran denken, Hass-4 kreist prinzipiell über fast jedem Arbeitsplatz und kann irgendwann jeden treffen.
Arbeitnehmer und Erwerbslose sitzen in einem Boot!

Hartz IV - von der Wirtschaft, für die Wirtschaft.

Neoliberal bedeutet Freiheit für die Reichen und Ketten für die Armen und die mittels Hartz-IV in die Armut Gepressten.

Mit Hartz-IV haben die Marktradikalen und ihre politischen Günstlinge Menschen die aus dem Arbeitsprozess rausgefallen sind, aus der Gesellschaft ausgegliedert.
Outsourcing des Humankapitals, um es im Neolib-Slang zu formulieren.
Zu diesem Zweck hat die Wirtschaft auch die Rekrutierungsbüros für 1,– EUR-Sklaven installieren lassen, der Tarnbegriff dafür lautet Jobcenter.

Ich glaube es war Kontantin Wecker der sagte, Hartz-IV-Betroffene wurden zu Exilanten im eigenen Land!

Gast35753

#380
Zitat von: blablabla am 10. Juni 2015, 08:39:32
.... Alle anderen müssen sich an bestimmte Regeln halten, sei es pünktliches Erscheinen zur Arbeit oder ähnliches....
Vorallem gilt: Wenn der Arbeitgeber oder die einfältige Sachbearbeitung entscheidet, dass der Arbeitnehmer und Leistungsberechtigte rechtsseitig von der Rheinbrücke springen muss, dann hüpfen im Gehorsamland alle hinunter. Schwierig wird es nur, wenn Arbeitgeber die rechte Seite befehlen und Sachbearbeitungen die linke  :mocking:
Du kannst meinetwegen für das neoliberale Gesocks den Hampelmann machen. Hast Du schon mal darüber nachgedacht, warum die gesellschaftlichen Exzesse rund um Hartz IV erst seit 2005 in unser aller Leben getreten sind?
Natürlich gibt es Menschen, die nur von Früh bis Mittag denken können und größere Zeiträume und Geschehnisse nicht überblicken.  :mocking:

Was noch am Rande passiert:
Der Deutsche Verein für soziales Dingsda, findet auf einmal Sanktionen verfassungsrechtlich bedenklich.
In den Anhörungen vor dem Deutschen Bundestag in der Vergangenheit, waren es die Mitglieder des Deutschen Verein, die sich regelmäßig pro Sanktion ausgesprochen haben. Auf dem Buckel Betroffener sahnen seit Jahren die Mitglieder des Deutschen Verein Fördermittel ab!
Vom Saulus zum Paulus:
https://www.deutscher-verein.de/de/aktuelles-2015-hartz-iv-sanktionen-sind-verfassungsrechtlich-bedenklich-1827,485,1000.html
Einigen im Forum hier wird sicherlich noch der Begriff "Wendehals" bekannt sein ...

MichaK

Zitat von: blablabla am 10. Juni 2015, 08:39:32Diese Sonderlocke wäre eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn wir mal das beliebte Grundgesetz bemühen wollen.

Hallo,

dann lies halt den Beschluss des SG Gotha. Da ist es erläutert.

Gast2063

Natürlich gibt es Menschen, die nur von Früh bis Mittag denken können und größere Zeiträume und Geschehnisse nicht überblicken.   :mocking:

Hartz-4-Glückskekse sind leider nur Junkfood - das sollte man wissen, zumals wenn man das populäre neoliberale Lied vom Nach-Unten-Treten pfeift.

Gast22317

Zitat von: blablabla am 10. Juni 2015, 08:39:32
Ich verstehe nicht, warum Hartz4-Empfänger ...
Alle anderen müssen sich an bestimmte Regeln halten, sei es pünktliches Erscheinen zur Arbeit oder ähnliches.

Eigentlich wollte ich mich zu solchen Argumenten nicht mehr äußern, lasse mich aber mal wieder dazu hinreißen.
Der kleine aber doch beachtliche Unterschied:
Wenn ich pünktlich an meinem Arbeitsplatz erscheine so tue ich dies freiwillig und habe das mit meiner Unterschrift unter den Arbeitsvertrag so bestätigt. Wenn mir die Arbeitszeit nicht paßt, so hätte ich mir einen anderen Arbeitgeber suchen können.
Verweigerst Du im JC die Unterschrift unter die Eingliederungsvereinbarung weil der Inhalt nicht zu deiner Person und Situation passt, so bekommst Du diesen "Vertrag" als Verwaltungsakt übergestülpt.
Insbesondere die ein-Euro Jobs können den Tatbestand der Zwangsarbeit erfüllen.

Gast28527

Zitat von: blablabla am 10. Juni 2015, 08:39:32Ich verstehe nicht, warum Hartz4-Empfänger als einzige in diesem Land nicht darüber nachdenken müssen sollen,

Will es mal mit Richard David Prechts Worten schreiben:

Wenn Sie sich unsere Gesellschaft ankucken. Und das trifft auf die Spätrömische Dekadenz zu. Und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten. Von Milliardären, die ihr Geld in die Schweiz bringen, über Leute, die bei ihrer Steuererklärung pfuschen, bei dem Jeder versucht seinen Prämientarif abzuzocken. Der mit seinem Auto seinen Nachbarn neidisch machen will. Die ganze Grundlage unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems, wenn Sie sich das ganz genau ankucken, dann haben Sie dass in jeder Bevölkerungsschicht. Und dann, haben Sie das gleiche Denken, das Prestigedenken. Das Statusdenken. Das, ich zock mir was günstig ab. Ich bin doch nicht doof, ich mach doch nicht diese Arbeit, die der Andere auch nicht macht. Das finden Sie in allen Schichten – auch bei den Hartz IV Empfängern. Mit welchem Recht können wir einfordern, das die Hartz IV Empfänger die besseren Menschen sein sollen, und eine höhere Bereitschaft der Gegenleistung zeigen sollen, als der Rest der Gesellschaft?
https://www.youtube.com/watch?v=MTbuVld8zFQ

PS: (Mal am Rande.... :heul: :heul::flag: :flag:

Gast18959

Zitat von: Gast35753 am 10. Juni 2015, 09:57:30Der Deutsche Verein für soziales Dingsda, findet auf einmal Sanktionen verfassungsrechtlich bedenklich.

Offensichtlich findet der Dingsda-Verein lediglich die Ungleichbehandlung der Sanktionierten bedenklich

zitat
"Der Deutsche Verein schlägt in seiner Reform des Sanktionenrechts vor, altersabhängige Ungleichbehandlungen in den Regelungen zu streichen und die Leistungen für Unterkunft und Heizung unangetastet zu lassen. Damit sei eine bessere Förderung der Leistungsempfänger sowie Bürokratieabbau möglich und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Sanktionen ausgeräumt."

Frei nach dem Motto:
Retten was man retten kann, am besten bleibt alles so wie es ist, Bedenken sind eh überbewertet, hauptsache man hat sie erst mal angemeldet.
Kommt widererwarten alles anders, war man ganz vorne mit dabei, beim Kampf um die sozialen Werte.


Gast35753

Zitat von: Gast18959 am 10. Juni 2015, 11:58:39
... Frei nach dem Motto:
Retten was man retten kann, am besten bleibt alles so wie es ist, ...

Einen "Wendehals" ruckartig um 180° drehen, kann zum sofortigen Genickbruch führen. Das lehrt die Geschichte in Deutschland  :grins:
Natürlich hält sich die studierte Armutsverwaltung jedes Hintertürchen offen ...

Gast36005

Zitat von: Gast28527 am 10. Juni 2015, 11:38:13
Will es mal mit Richard David Prechts Worten schreiben: ... Mit welchem Recht können wir einfordern, das die Hartz IV Empfänger die besseren Menschen sein sollen, und eine höhere Bereitschaft der Gegenleistung zeigen sollen, als der Rest der Gesellschaft?
Ich wollt ja auch nicht mehr...aber selbstverständlich sollen LB nicht die besseren Menschen sein.
Trotzdem: Herr Precht in allen Ehren, doch lässt er hier bei dieser Schlussfolgerung unter den Tisch fallen, wer wofür von wem Lohn/Gehalt/Hartz4 bekommt.
Der AN für Arbeit, daraus Lohn/Gehalt für geleistete bzw. vereinbarte Arbeit, iaR nicht aus Steuermitteln.
Der LB für die Bereitschaft, zu arbeiten bzw. minimal, sich darum zu bemühen. Nur dafür gibts aus Steuermitteln monatliche Leistungen. durchschn. ca. 950,-.

Schon ein Unterschied, oder?
das wollte @blablabla wohl ausdrücken.
Und längst nicht alle AN erscheinen pünktlich an ihrem Arbeitsplatz, weil sie es freiwillig tun---sondern weil sie die Notwendigkeit des eigenen Unterhalts einsehen. Wenn das nur durch abhängige Beschäftigung geht, dann geht er eben gefrustet, aber pünktlich hin. Und erhält dafür Lohn/Gehalt.

Der Gothaer Beschluss---ist ein lobenswerter Versuch---mehr noch nicht.
Und wie so oft, kaum traut sich einer ganz nach vorn---hängen sich die Landräte, der DV, einige andere hintenran. (Motto:wir hams ja immer schon gedacht)

Der Vorschlag des DV ist beknackt, denn er bezieht sich NUR auf die ganz wenigen Sanktionen für U25, die wegen der zweiten Sanktion innerhalb 6 Monaten gar nichts mehr bekommen. Also weder RB noch KDU.
Und die Masse der anderen Sanktionen (ca. 1 Mio p.a.)??

Gast26037

Zitat von: blablabla am 10. Juni 2015, 08:39:32Ich verstehe nicht, warum Hartz4-Empfänger als einzige in diesem Land nicht darüber nachdenken müssen sollen, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern.

Wer sagt dir das sie darüber nicht nachdenken? Ich möchte behaupten sie denken mehr darüber nach als eine Person die ein gesichertes Einkommen hat.
Denn so gut wie niemand möchte Hartz IV beziehen, ist aber dazu gezwungen. 1. gibt es nicht genügend existenzsichernde Jobs, 2. arbeiten viele Hartz IV- Bezieher ( Aufstocker, Ehrenamtliche, ein-Euro- Jobber, Studenten, Schüler über 15 Jahre ) und sind trotzdem den Sanktionen des Hartz IV- Diktats unterworfen. Schon mal drüber nachgedacht ?

                                                               :flag: :flag:

blablabla

Zitat von: Gast22317 am 10. Juni 2015, 10:28:47
Verweigerst Du im JC die Unterschrift unter die Eingliederungsvereinbarung weil der Inhalt nicht zu deiner Person und Situation passt, so bekommst Du diesen "Vertrag" als Verwaltungsakt übergestülpt.
Insbesondere die ein-Euro Jobs können den Tatbestand der Zwangsarbeit erfüllen.

Aber so ist es nunmal im Leben.
Wir erwarten gerade unser zweites Kind; wenn ich nun zu meiner Frau gehe und ihr mitteile, dass mir meine Arbeit keinen Spaß mehr macht und ich kündige, bevor ich einen neuen Job gefunden habe, was glaubst Du, was dann los ist?  :grins:
Es gibt immer Restriktionen im Leben; nur Hartz4-Empfänger wollen machen dürfen, was sie wollen.
Diese Sonderlocke ist übrigens sicher auch nicht "Geist des Grundgesetzes" und deshalb werden Sanktionen nicht verboten werden.