BSG:Nebenkostenübernahme nur für aktuell bewohnte Wohnung

Begonnen von Gast38010, 01. Oktober 2015, 08:47:15

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Gast38010

Steht hier irgendwo dies doch recht wichtige BSG-Urteil irgendwo schon? Finden konnte ich es nicht, wenn doch, bitte wieder löschen.



http://sozialberatung-kiel.de/2015/10/01/nebenkostenuebernahme-nur-fuer-aktuell-bewohnte-wohnung/
BSG Urteil vom 25.06.2015 B 14 AS 40/14 R
ZitatVon dieser vernünftigen Regelung ist das Bundessozialgericht nun ohne Not abgewichen und hat entschieden, dass Nebenkostennachforderungen vom Jobcenter nur für die aktuell bewohnte Wohnung übernommen werden müssen, nicht jedoch für eine nicht mehr bewohnte Wohnung dann, wenn die Nachforderung zu einem Zeitpunkt fällig geworden ist, zu dem die Wohnung nicht mehr bewohnt wurde. Begründet wird diese rational kaum nachvollziehbare Entscheidung vom BSG damit, die Nichtübernahme beeinträchtige das Grundbedürfnis Wohnen nicht, da die Übernahme nicht dem Erhalt der aktuell bewohnten Unterkunft diene. Leistungsbezieher sollten aufgrund dieser neuen Rechtsprechung darauf achten, dass der Vermieter die Nebenkostenabrechnung noch zu einer Zeit erstellt, zu der die Wohnung bewohnt wird.

BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 40/14 R

Das ist schon recht übel, denn bisher habe ich bei einem Auszug noch nie eine BKA am letzten Tag bekommen. Wie soll das auch praktisch funktionieren  :scratch:
Selbst am letzten Tag würde es ja nicht funktionieren, denn ich muss die BKA ja auch noch einreichen beim JC.
Das errechnen einer BKA müsste  fast 3 Monate vor Auszug beginnen- und das macht wohl kein Vermieter mit.

Scheiss BSG ... :teuflisch:



Wider spricht sich das BSG nicht selber mit diesem Urteil?
Denn werden Nachzahlungen fällig wurden für den vergangenen Zeitraum den tatsächlichen KDU nicht entsprochen.
Welche Notfalls mit einem Überprüfungsantrag überprüft werden können- jedenfalls für diejenigen die weiterhin wohnen.



Ich könnte drauf wetten, dass im Umkehrschluss,  Rückzahlungen trotzdem an das JC zurück zu zahlen sind



Turbo

Zitat von: Gast38010 am 01. Oktober 2015, 08:47:15Das ist schon recht übel, denn bisher habe ich bei einem Auszug noch nie eine BKA am letzten Tag bekommen.
Wie oft ziehst du denn um  :schock:?

Das kurze Zitat ist ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Hier geht es darum, daß es die BK-Nachzahlung sowohl für eine nicht mehr bewohnte Wohnung ist als auch darüberhinaus für einen Zeitraum, in dem der Kläger überhaupt nicht im Leistungsbezug stand.
Wäre der Kläger schon in dieser Wohnung im Leistungsbezug gewesen, hätte die Nachzahlung also auch übernommen werden müssen.

Floeti

Zitat von: Turbo am 01. Oktober 2015, 09:32:13Wäre der Kläger schon in dieser Wohnung im Leistungsbezug gewesen, hätte die Nachzahlung also auch übernommen werden müssen.
Und hätte es eine Rückzahlung statt einer Nachforderung gegeben, wäre die so oder so auf die aktuellen Leistungen angerechnet worden  :clever:

Gast37751

Zitat von: Gast38010 am 01. Oktober 2015, 08:47:15
Begründet wird diese rational kaum nachvollziehbare Entscheidung vom BSG damit, die Nichtübernahme beeinträchtige das Grundbedürfnis Wohnen nicht, da die Übernahme nicht dem Erhalt der aktuell bewohnten Unterkunft diene. Leistungsbezieher sollten aufgrund dieser neuen Rechtsprechung darauf achten, dass der Vermieter die Nebenkostenabrechnung noch zu einer Zeit erstellt, zu der die Wohnung bewohnt wird.
Ich bin der Meinung, dass diese Entscheidung die einzig rationale war. Inwiefern wird denn das Grundbedürfnis Wohnen durch Übernahme der Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung gesichert? Gar nicht! Der Leistungsberechtigte würde dadurch von Schulden freigestellt, aber das ist nicht die Aufgabe der Grundsicherung.

Zitat von: Gast38010 am 01. Oktober 2015, 08:47:15Wider spricht sich das BSG nicht selber mit diesem Urteil?
Denn werden Nachzahlungen fällig wurden für den vergangenen Zeitraum den tatsächlichen KDU nicht entsprochen.
Nein, es widerspricht sich nicht. Zu den tatsächlichen KdU des vergangenen Zeitraums gehörten nur die fälligen Abschläge.

Zitat von: Gast38010 am 01. Oktober 2015, 08:47:15
Welche Notfalls mit einem Überprüfungsantrag überprüft werden können- jedenfalls für diejenigen die weiterhin wohnen.
Das wird nichts bringen, da eben nur die fälligen Abschläge aktueller Bedarf waren.

Zitat von: Gast38010 am 01. Oktober 2015, 08:47:15
Ich könnte drauf wetten, dass im Umkehrschluss,  Rückzahlungen trotzdem an das JC zurück zu zahlen sind
Natürlich. Ist ja schließlich eine tatsächlich zufließende Einnahme.

coolio

ZitatNein, es widerspricht sich nicht. Zu den tatsächlichen KdU des vergangenen Zeitraums gehörten nur die fälligen Abschläge.
Woher nehmen wir denn das?  :wand:
Aus §22 SGB II jedenfalls nicht!

Gast37751

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 22:18:37
Woher nehmen wir denn das?  :wand:
Aus §22 SGB II jedenfalls nicht!
Doch, aus § 22 SGB II. In Verbindung mit dem Bedarfsdeckungsprinzip. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit sie angemessen sind. Für die einzelnen Monate können nur solche Betriebskosten einen Bedarf darstellen, die auch fällig sind. Und das sind nur die einzelnen Abschläge. Eine Betriebskostennachzahlung stellt auch erst mit ihrer Fälligkeit einen Bedarf dar.

Oder mal anders herum gefragt: Wie begründest du deine Auffassung? Aus § 22 SGB II ergibt sie sich jedenfalls nicht.

coolio

ZitatFür die einzelnen Monate können nur solche Betriebskosten einen Bedarf darstellen, die auch fällig sind. Und das sind nur die einzelnen Abschläge. Eine Betriebskostennachzahlung stellt auch erst mit ihrer Fälligkeit einen Bedarf dar.
Mach Deine Zitate bitte kenntlich und setz sie von Deiner persönlichen Interpretation ab.
Das oben findet sich im Gesetzestext nicht.

Gast37751

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 22:38:23
Das oben findet sich im Gesetzestext nicht.
Na aber sicher. Dort ist von den "tatsächlichen Aufwendungen" die Rede. Die tatsächlichen Aufwendungen Aufwendungen setzen sich zusammen aus der Kaltmiete und den Betriebskosten. Für gewöhnlich bezahlt man Abschläge und erhält dann einmal im Jahr eine Abrechnung. Da das ALG II eine Monatsleistung ist, wird auch nur der jeweils monatlich anfallende Bedarf berücksichtigt. Und das sind hinsichtlich der Betriebskosten nunmal die Abschläge. Natürlich kannst du vor das Sozialgericht ziehen und geltend machen, dass du viel mehr verbrauchst, als du an Abschlägen zahlst. Aber jeder Richter wird dich darauf verweisen, dass die Differenz zu den gezahlten Abschlägen erst mit der Abrechnung zum Bedarf wird.

coolio

Warum werden dann Betriebskostennachzahlungen vom JC übernommen?
-----------
Wen Du ein Auto auf Raten kaufst, wann gehört es Dir?
Zu Deutsch: wann ist die Schuld (aus dem Mietvertrag) abgetragen?

Gast37751

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 22:53:25
Warum werden dann Betriebskostennachzahlungen vom JC übernommen?
Weil sie in dem Monat, in dem sie anfallen, einen Bedarf darstellen.

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 22:53:25
Wen Du ein Auto auf Raten kaufst, wann gehört es Dir?
Kommt auf die Formulierung des Vertrags an.

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 22:53:25
Zu Deutsch: wann ist die Schuld (aus dem Mietvertrag) abgetragen?
Mit der Zahlung der fälligen Forderungen. Sprich: Jeden Monat die Kaltmiete, dazu der Abschlag an Betriebskosten. In dem Monat der Betriebskostenabrechnung gehört bei einer Nachzahlung auch diese Nachzahlung dazu.

coolio

ZitatKommt auf die Formulierung des Vertrags an.
Nein ganz sicher nicht.
-------
Das Zuflussprinzip freihändig umgemünzt auf "tatsächliche Bedarfe" ?   :lachen:
Rechtsgrundlage?

Gast37751

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:07:33
ZitatKommt auf die Formulierung des Vertrags an.
Nein ganz sicher nicht.
Doch, natürlich. Der Vertrag lässt sich so gestalten, dass der verkaufte Gegenstand bis zum Eingang der letzten Rate Eigentum des Verkäufers bleibt. Anders herum kann das Eigentum bereits mit Vertragsschluss übergehen und erst dann werden die einzelnen Raten gezahlt. Dispositionsmaxime.

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:07:33
Das Zuflussprinzip freihändig umgemünzt auf "tatsächliche Bedarfe" ?   :lachen:
Rechtsgrundlage?
Bedarfsdeckungsprinzip, schon mal gehört? War bereits unter dem BSHG Strukturprinzip und gilt auch für das ALG II. Ein Bedarf ist dann zu decken, wann er anfällt. Hinsichtlich der Betriebskosten sind es nunmal nur die Abschläge, die monatlich fällig werden. Eine Betriebskostennachzahlung ist entsprechend mit ihrer Fälligkeit ein Bedarf und nicht vorher.

coolio

Aber nur für aktuelle Wohnung?
Siehst Du den Knick in der Optik nicht?
Bei fortgesetztem Bezug, ist es plötzlich kein Bedarf mehr?
Hat nicht das JC zu wenig zu dem tatsächlichen Bedarf vorher geleistet?
--------
Findet sich im Volltext nicht noch eine rationale Erklärung ist das ein krasses Fehlurteil

Gast37751

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:21:07
Aber nur für aktuelle Wohnung?

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:21:07
Siehst Du den Knick in der Optik nicht?
Da ist keiner.

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:21:07
Bei fortgesetztem Bezug, ist es plötzlich kein Bedarf mehr?
Hat nicht das JC zu wenig zu dem tatsächlichen Bedarf vorher geleistet?
Nein. Das Jobcenter hat entsprechend dem Bedarfsdeckungsprinzip die fälligen Abschläge übernommen und damit den tatsächlichen Bedarf gedeckt. Eine Betriebskostennachzahlung wird eben erst mit ihrer Fälligkeit zum Bedarf und - wie das BSG zutreffend entschieden hat - das auch nur, wenn das notwendig ist, um das Grundbedürfnis Wohnen zu befriedigen.

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:21:07
Findet sich im Volltext nicht noch eine rationale Erklärung ist das ein krasses Fehlurteil
Im Gegenteil. Es ist eine der wenigen zweifelsfrei korrekten Entscheidungen des BSG. Wenn du das Urteil angreifen willst, solltest du beginnen darzulegen, warum die Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung ein sozialrechtlicher Bedarf sein soll. Bislang habe ich dafür noch keine Argumente lesen können, die in der Lage waren, die treffenden Argumente des BSG zu entkräften; das hat nämlich - seiner Tradition folgend - auf den Sinn und Zweck der Norm abgestellt (teleologische Auslegung) und hat diesen zutreffend in der Sicherung der Unterkunft gesehen.

coolio

Na bravo, damit ists gut - die Haare, an denen die Ansicht herbeigezogen ist, sind so lange, wie die der 68'er