Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Orakel

Bewirb dich doch einfach beim Bundesverfassungsgericht als Lesebrillenbeauftragter, damit solche gravierenden Lesefehler in Zukunft ausgeschlossen sind ...

Ottokar

Das ist kein Lesefehler, das ist eine Begründung, die sachlich nicht anfechtbar ist, da sie unsachlich (unkonkret) ist.
Selbst wenn sich der Vorlagebeschluss 2 Seiten lang mit der RFB beschäftigt hätte, würde die Begründung des BVerfG noch greifen, eben weil sie unsachlich ist.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Gast18959

Zitat von: Orakel am 04. Juni 2016, 06:00:03Bewirb dich doch einfach beim Bundesverfassungsgericht als Lesebrillenbeauftragter, damit solche gravierenden Lesefehler in Zukunft ausgeschlossen sind ...

Gäähhn

Viel interessanter finde ich wie das Ganze jetzt weitergeht.
Der Gothaer Richter wird, wenn er nun feststellt, dass die Rechtsfolgebelehrung den gesetzlichen Vorgaben genügt oder der Betroffene die Rechtsfolgen kannte, die Vorlage erneut nach Karlsruhe tragen müssen.
Seine Fragen wurden ja nicht beantwortet, seine Überzeugung über die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Rechtsnormen nicht widerlegt.

Interessant auch das hier vom BVerfG:

bb
Zitat....
Richtigkeit und Verständlichkeit der laut Verwaltungsakte dem Eingliederungsverwaltungsakt beigefügten Belehrung können in Zweifel gezogen werden, da sie primär über die Minderung in Höhe von 30 % bei erstmaligem Verstoß informiert und auf die Folgen eines wiederholten Verstoßes nur ,,vorsorglich" hinweist. ....

Ist das nicht die Aufgabe einer Belehrung - zu informieren und vorsorglich hinweisen  ?
Und weiter :

ZitatDaraus ergibt sich nicht, dass das Jobcenter zu diesem Zeitpunkt bereits von einem ersten sanktionierten Pflichtenverstoß ausging und nun ein Verstoß gegen die Pflichten im Eingliederungsverwaltungsakt (als wiederholte Pflichtverletzung) eine Absenkung der Leistungen in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Folge hat. Darüber hinaus werden allgemein ,,mit Ihnen vereinbarte" Pflichten erwähnt, obwohl es sich um einseitig durch Verwaltungsakt auferlegte Pflichten handelt.

Heisst das jetzt, dass alle Rechtsfolgebelehrungen die nicht den konkreten Einzelfall benennen und sich nicht ausdrücklich auf Form und Inhalt von EinV. bzw. EinV-VA beziehen, unwirksam, die folgenden Minderungsbescheide somit rechtswidrig sind ?

Gast18959

Das BVerfG wird sich durch Vorlage erneut mit der Existenzsicherung beschäftigen müssen.

Diesmal mit § 7 Abs. 1 u. 5 SGB II

Beschluss 3. Kammer des Sozialgerichts Mainz am 18. April 2016
S 3 AS 149/16

http://www.sozialrecht-rosenow.de/files/roland-rosenow/Entscheidungen/SG_Mainz,_18.04.2016,_S_3_AS_149-16.pdf

Die ersten 100 Seiten verursachen bei Ungeübten wie mir etwas Augenweh aber danach wird´s richtig interessant.

Kleines Leckerlie :

ZitatDie Unverfügbarkeit des Grundrechts ist insbesondere nicht durch den Verweis auf ein gleichfalls aus der Menschenwürde abgeleitetes Prinzip der Selbstverantwortlichkeit zu relativieren (in diese Richtung Görisch, NZS 2011, S. 648; Berlit,
info also 2013, S. 200; vgl. auch Louven, SGb 2008, S. 582; SG Reutlingen, Urteil vom 23.03.2016 – S 4 AS 114/14 – Rn. 44; weitere Nachweise bei Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390).
Auch wenn nach bestimmten, eher vom Zeitgeist
geprägten Interpretationen des Begriffs der Menschenwürde Erwerbsarbeit zur Würdeverwirklichung gehören soll, folgt
hieraus nicht, dass der ebenfalls der Menschenwürdegarantie unterfallende Schutz des physischen und soziokulturellen
Existenzminimums bei Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten wegfallen dürfte.

Aus der Einbeziehung der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit in den Schutz der Menschenwürdegarantie könnte allenfalls gefolgert werden, dass
der Staat derartige Selbstverwirklichung nicht verhindern darf und möglichst fördern sollte.
Einer hilfebedürftigen Person existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten, weil sie beispielsweise einer Erwerbsarbeit nicht nachgehen will, mag eine sozialpolitische Wunschvorstellung sein; die Annahme, dass dies als ein Ausdruck der Anerkennung der Menschenwürde des Betroffenen erscheinen könne (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390; Berlit, info also 2013, S. 200), liegt jedoch fern.

Schließlich ist mit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen kein Verbot der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit verbunden. Die Einräumung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen kann für sich genommen die Menschenwürde
nicht verletzen.

Voll auf die Zwölf Professor Berlit    :mocking:

Gast21319

Es fehlt beim Bundesverfassungsgericht wirklich an die Unabhängigkeit und ich stelle dies auch in Frage.
Denn der Pluralismus des Parlaments muss sich auch im Bundesverfassungsgericht widerspiegeln.

Gast38171

Zitat von: Gast21319 am 08. Juni 2016, 19:07:01Denn der Pluralismus des Parlaments muss sich auch im Bundesverfassungsgericht widerspiegeln.

Tut er doch, du brauchst nur zu schauen welche Parteien die Richter vorgeschlagen/nominiert haben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht#Richter, unter Senate.

:hae: Gewaltenteilung in einem Wirtschaftsgebiet?

Orakel

Zitat von: Gast38171 am 08. Juni 2016, 19:23:10
Gewaltenteilung in einem Wirtschaftsgebiet?

Da frage ich allerdings auch   :hae:  Habe ich in Staatsrecht irgendetwas verpasst???

Gast21319

@ Lady Miou:

ZitatDenn der Pluralismus des Parlaments muss sich auch im Bundesverfassungsgericht widerspiegeln.

Bitte nicht falsch verstehen:

- Pluralismus

- Pluralismus


Ich würde RichterInnen je nach gehobenen und besonderen Arbeitsleistung anwählen, die keiner politischen Partei angehören.
Dann haben die wenigstens zu arbeiten und keiner der Parteien, dem die die Ohren sinnlos vollquatschen.

So versteht man die Unabhängigkeit!

MagnaCharta

Zitat von: Gast38171 am 08. Juni 2016, 19:23:10
Zitat von: Gast21319 am 08. Juni 2016, 19:07:01Denn der Pluralismus des Parlaments muss sich auch im Bundesverfassungsgericht widerspiegeln.

Tut er doch, du brauchst nur zu schauen welche Parteien die Richter vorgeschlagen/nominiert haben.

Das mag noch auf dem Papier gelten, da es aber inzwischen egal ist, ob du CDU, CSU, FDP, SPD oder die Grünen vor dir hast, weil die alle inzwischen in Wirtschaftssachen eine neoliberale Einheitspartei bilden, kannst du das zumindest aus der ernennenden Partei nicht mehr ableiten. Da kommt es dann auf die Persönlichkeit an.

oldhoefi

BVerfG: Die Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit von Arbeitslosengeld II Sanktionen unzulässig

Das BVerfG hat kein Interesse kapitalistische Verwertungsinteressen in Frage zu stellen und die Verfassungsmäßigkeit von Leistungskürzungen nach dem SGB II zu klären und sucht daher nach einem Grund die Richtervorlage ablehnen zu können. Es wurde eine Lücke gefunden und die nicht ausreichende Prüfung der Rechtsfolgenbelehrung bei dem Sanktionsbescheid bemängelt. Also demnächst einen neuen Versuch starten!

mehr dazu --> http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bverfg-richtervorlage-zur-verfassungswidrigkeit-von-arbeitslosengeld-ii-sanktionen-unzulaessig

Ein sehr guter Hintergrundartikel von Herbert Masslau. --> http://www.herbertmasslau.de/alg-ii-sanktionsluege.html

(Zitat und Quelle: Harald Thomé – Newsletter vom 07.06.2016)

Meck

Das Sozialgericht Gotha  sah es in seinem Urteil  (Az: S 15 AS 5157/14)  als erwiesen an, dass bei einer Hartz IV Sanktion  die Menschenwürde des Betroffenen verletzt wird, wenn es im Nachfolgenden zu Leistungskürzungen kommt. Schließlich sei das Existenzminimum  in der Verfassung verankert, dass durch eine Leistungskürzung unterschritten werde. Demnach seien Sanktionen bei Hartz IV verfassungswidrig. Die Klage wurde dann als Vorlage an das Bundesverfassungericht weitergeleitet. Viele Betroffene hegten nun Hoffnungen, dass die Sanktionen über eine Verfassungsklage abgeschafft werden könnten.  Die Richter am Bundesverfassungsgericht  lehnten nun die Richtervorlage als "unzulässig" zurück.

Wir haben hierzu die Juristin Miriam Hansel bei BRG Rechtsanwälte in Berlin befragt.


-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-verfassungsklage-was-lief-schief.php
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

Meck

Das Sozialgericht Gotha  sah es in seinem Urteil  (Az: S 15 AS 5157/14)  als erwiesen an, dass bei einer Hartz IV Sanktion  die Menschenwürde des Betroffenen verletzt wird, wenn es im Nachfolgenden zu Leistungskürzungen kommt. Schließlich sei das Existenzminimum  in der Verfassung verankert, dass durch eine Leistungskürzung unterschritten werde. Demnach seien Sanktionen bei Hartz IV verfassungswidrig. Die Klage wurde dann als Vorlage an das Bundesverfassungericht weitergeleitet. Viele Betroffene hegten nun Hoffnungen, dass die Sanktionen über eine Verfassungsklage abgeschafft werden könnten.  Die Richter am Bundesverfassungsgericht  lehnten nun die Richtervorlage als "unzulässig" zurück.

Wir haben hierzu die Juristin Miriam Hansel bei BRG Rechtsanwälte in Berlin befragt.


-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-verfassungsklage-was-lief-schief.php
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

Gast472

die können erklären was sie wollen..fakt ist,man will dieses konstuckt nicht abschaffen..und somit ein werkzeug halten um die bevölkerung gefügig zu halten.. :teuflisch:

Gast40279

Hallo,

ich wollte einfach mal ein Thema veröffentlichen, wo man sich über die Zurückweisung der Prüfungsvorlage des Sozialgerichts aus Gotha durch das Bundesverfassungsgerichts auslassen kann.

Wie kann das Bundesverfassungsgerichts die Vorlage nur zurückweisen?! Hartz-4-Sanktionen sind verfassungswidrig, das erkennt doch ein Blinder mit Krückstock. Ich verstehe einfach nicht, wie man etwas, das so offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt, im reichen Deutschland noch erlauben kann. Das Bundesverfassungsgericht benötigt meiner Meinung nach überhaupt keine Einreichung einer Prüfungsvorlage, um aktiv zu werden. Es muss von sich aus handeln. Denn die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es nämlich, über die Einhaltung des Grundgesetzes zu wachen.

Schlafen die dort alle?!

BigMama

#614
Hast du Ahnung von den Rechtswegen in Deutschland und wer was wann bei welchem Gericht einreichen kann?

Außerdem gibt's hierzu schon einen Thread:
http://hartz.info/index.php?topic=91657.msg1087824#new

[Wurde durch Mod verknüpft. LG Elsi]
Die Welt wird nicht von skrupellosen Verbrechern, finstren Kapitalisten oder machtgierigen Despoten regiert, sondern von einer gigantischen, weltumspannenden RIESENBLÖDHEIT.
Wer´s nicht glaubt, ist schon infiziert.
(Michael Schmidt-Salomon, GBS-Sprecher)