Ist das JC verplichtet Vermittlungsvorschläge zu machen?

Begonnen von cizz, 28. Februar 2022, 09:54:10

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cizz

Hallo zusammen,
über den Umgang mit Vermittlungsvorschlägen, der Pflicht sich darauf bewerben zu müssen und den damit einhergehenden Sanktionen für den ALG-Empfänger wird reichlich diskutiert, doch ...
Wenn im Verwaltungsakt (oder Eingliederungsvereinbarung) steht:
ZitatDas JC ... berät und unterstützt Sie bei der Eingliederung in Arbeit, indem Ihnen Vermittlungsvorschläge unterbreitet werden.
Verpflichtet sich dann nicht auch das JC Vermittlungsvorschlägen zu schicken?

Hintergrund meiner Frage für einen Bekannten, der selbst nicht die techn. Möglichkeiten hat, hier zu schreiben:
Mein Bekannter übt seinen erlernten Handwerksberuf als Selbständiger aus, hat einen gewissen festen Kundenkreis und Hilfe von anderen Selbständigen für die Auftragsannahme. Das Einkommen daraus muss durch ALG II aufgestockt werden. Er wird dieses Jahr 60 und hat körperliche Beeinträchtigungen, die vom arbeitsmedizinischen Dienst bestätigt sind. Demnach darf er nur 3-4 Stunden am Tag in ständig wechselnden Postionen (stehen, laufen, sitzen: Rückenprobleme) arbeiten und der Arbeitsweg darf nicht sehr weit sein. Ein Auto ist nicht vorhanden und er lebt in einer ländlichen Gegend. Arbeitsunfähig geschrieben werden, will er auf keinen Fall, was seine finanzielle Situation eher verschlechtern würde. Auch er soll sich pro Monat auf mind. 2 Stellen bewerben oder Bewerbungsgespräche nachweisen.

:wand: Der Irrsinn daran: Mit seiner aktuellen Selbständigkeit sind die 3-4 Stunden/ Tag voll und ganz ausgefüllt. Der Fallmanager vom JC möchte nun, dass er sich gemäß seiner gesundheitlichen Einschränkungen bewirbt. Jobs mit seinen erlernten Fähigkeiten und mit diesen Arbeitsbedingungen gibt es nicht oder wenn dann nicht in seiner Nähe. Angenommen er würde einen solchen Job finden, wäre sein Einkommen, wenn überhaupt, nicht markant höher, um, was ja das offizielle Ziel des JC ist, seine Hilfebedürftigkeit zu vermindern. Da er keine Bewerbungen nachweisen kann, drohen ihm Sanktionen von 30%.  :wand:

Ich finde dieser Irrsinn gehört von ein Sozialgericht.

Eine Eingliederungsvereinbarung oder Verwaltungsakt ist ja ein Vertrag zwischen JC und Leistungempfänger. Wie bindend/ verpflichtend ist die Vereinbarung seitens des Jobcenters Vermittlungsvorschläge zu schicken?

Ich hoffe es hat jemand Erfahrung dazu.

Sheherazade

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10
Mit seiner aktuellen Selbständigkeit sind die 3-4 Stunden/ Tag voll und ganz ausgefüllt.

Kann man davon ausgehen, dass er aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen generiert, dass in etwa einer Halbtagsstelle in einem sozialversicherungspflichtigen Job entspricht?

Wenn nicht, ist das Ansinnen des Arbeitsvermittlers nur logisch.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

cizz

#2
Wie viel genau er aus seiner Selbständigkeit generiert, weiß ich nicht. Er achtet auf jeden Fall darauf, dass er die 100,00 € Freibetrag ausnutzt. Es wird wahrscheinlich etwas mehr sein, jedoch nicht soviel, dass man noch Krankenversicherung und Lebensunterhalt davon zahlen könnte. Das lassen die Marktpreise für sein Dienstleistungsangebot nicht zu. Der Handwerksberuf ist eher ein aussterbender.

Ein Minijob bringt sicherlich keine Verbesserung. Wenn man 3 Stunden täglich mit dem aktuellen Mindestlohn vergütet - das müsste man ausrechnen.

justine1992

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 10:40:23Er achtet auf jeden Fall darauf, dass er die 100,00 € Freibetrag ausnutzt.
Er kann steuern, wieviel er verdient, versucht aber, nicht so viel zu kriegen, dass er dadurch weniger ALG2 bekäme?
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

Sheherazade

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 10:40:23
Ein Minijob bringt sicherlich keine Verbesserung. Wenn man 3 Stunden täglich mit dem aktuellen Mindestlohn vergütet - das müsste man ausrechnen.

Ist ganz einfach: 3 Stunden täglich mal 5 Arbeitstage mal 4,3 Wochen mit 9,50€ /Stunde macht brutto 612,75€ im Monat, damit wäre das schon ein sozialversicherungspflichtiger Job.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
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Fettnäpfchen

cizz

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10Verpflichtet sich dann nicht auch das JC Vermittlungsvorschlägen zu schicken?
wenn nicht irgendwo ein Beisatz dabei ist wie "soweit das JC passende Stellen hat" und das steht fast immer in irgendeiner Form dabei.

Dazu denke ich mal das selbst vor dem SG keine allzu große Erfolgsaussichten bestehen.

Wenn in der EinV Bewerbungsbemühungen stehen und er unterschrieben hat dann muss er sich auch daran halten.

MfG FN
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cizz

Erstmal vielen Dank für die Antworten.

ZitatEr kann steuern, wieviel er verdient, versucht aber, nicht so viel zu kriegen, dass er dadurch weniger ALG2 bekäme?
Das ist sehr abhängig von der Auftragslage. Ja, bei barzahlenden Kunden ist das steuerbar, aber Reichtümer werden dadurch nicht angehäuft. Mal ehrlich, welcher Leistungsbezieher würde geschenkte 50 € in bar beim JC angeben?  :zwinker:

ZitatIst ganz einfach: 3 Stunden täglich mal 5 Arbeitstage mal 4,3 Wochen mit 9,50€ /Stunde macht brutto 612,75€ im Monat, damit wäre das schon ein sozialversicherungspflichtiger Job.

Abzüglich Steuern bleiben 485,15 €/ Monat (lt. Gehaltrechner) und das wäre fast die Höhe eines Minijobs. Dann greift §11 und §11b Abs. 2 und 3 SGBII und es bleiben 177,03 €, die er behalten darf. Am Ende tauscht er damit nur eine geliebte Arbeit am Wohnort gegen eine ungeliebte Arbeit mit evtl. noch gesundheitlich strapazierenden Anfahrten. Ein bisschen Menschenwürde muss bleiben.

So sehr ich mich über die Kommentare freue, doch leider bringen sie mich der Antwort auf meine ursprünglichen Frage "Ist das JC verplichtet Vermittlungsvorschläge zu machen?" nicht näher. Ich freue mich über konstruktive Antworten.

Zitatwenn nicht irgendwo ein Beisatz dabei ist wie "soweit das JC passende Stellen hat" und das steht fast immer in irgendeiner Form dabei.
Soweit ich sehen kann, steht da kein Beisatz. Habe allerdings nicht den ganzen Bescheid abfotografiert. Ich frag da noch mal nach. Sehr gut!  :ok: Zumindest im Teil: Bescheid, danach kommt der Teil Gründe, steht kein Beisatz dieser Art.

ZitatDazu denke ich mal das selbst vor dem SG keine allzu große Erfolgsaussichten bestehen.
Wenn in der EinV Bewerbungsbemühungen stehen und er unterschrieben hat dann muss er sich auch daran halten.
Er hat mit Absicht keine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben, damit das mit dem SG offen bleiben kann.

justine1992

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10Ist das JC verplichtet Vermittlungsvorschläge zu machen?
Ja, ist es. Sobald geeignete vorliegen.
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

Sheherazade

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 13:32:33
ZitatIst ganz einfach: 3 Stunden täglich mal 5 Arbeitstage mal 4,3 Wochen mit 9,50€ /Stunde macht brutto 612,75€ im Monat, damit wäre das schon ein sozialversicherungspflichtiger Job.

Abzüglich Steuern bleiben 485,15 €/ Monat (lt. Gehaltrechner) und das wäre fast die Höhe eines Minijobs. Dann greift §11 und §11b Abs. 2 und 3 SGBII und es bleiben 177,03 €, die er behalten darf. Am Ende tauscht er damit nur eine geliebte Arbeit am Wohnort gegen eine ungeliebte Arbeit mit evtl. noch gesundheitlich strapazierenden Anfahrten. Ein bisschen Menschenwürde muss bleiben.

Mal abgesehen von dem Denkfehler, dass ihm irgendwer etwas von seinem Lohn wegnimmt, hätte er aber dann wenigstens Ruhe vor der Arbeitsvermittlung und das sogar unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen - das war doch ursprünglich dein Anliegen. Aber das ist wohl nur logisch für Leute, die den höchstmöglchen Sozialleistungsbezug nicht mit Menschenwürde gleichsetzen.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

cizz

Zitat von: justine1992 am 28. Februar 2022, 13:38:34
Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10Ist das JC verplichtet Vermittlungsvorschläge zu machen?
Ja, ist es. Sobald geeignete vorliegen.

wenn wir jetzt noch ein Gesetz oder Verfahrens-/ Handlungsanweisung dazu hätten, was das belegt, wäre das fantastisch

Fettnäpfchen

cizz

Ich würde erst mal die widersprüchlichen Aussagen und die Fragen dazu überdenken.
Ohne EinV oder VA keine VV bzw. Anrecht darauf!

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10Wenn im Verwaltungsakt (oder Eingliederungsvereinbarung) steht:
Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 13:32:33Soweit ich sehen kann, steht da kein Beisatz. Habe allerdings nicht den ganzen Bescheid abfotografiert. Ich frag da noch mal nach. Sehr gut!
Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 09:54:10

Eine Eingliederungsvereinbarung oder Verwaltungsakt ist ja ein Vertrag zwischen JC und Leistungempfänger.

Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 13:32:33Er hat mit Absicht keine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben, damit das mit dem SG offen bleiben kann.





Zitat von: cizz am 28. Februar 2022, 13:32:33Mal ehrlich, welcher Leistungsbezieher würde geschenkte 50 € in bar beim JC angeben?  :zwinker:
Sehr viele und stellenweise wird/wurde sogar nachgefragt ob der 10er zum Geburtstag angegeben werden muss um nur ein Beispiel zu nennen.

MfG FN
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