Freibetrag bei Minijob-unverständliche Berechnung

Begonnen von Ilin19, 04. April 2022, 09:19:30

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Ilin19

Hallo,
meine 21jährige Tochter (Schülerin bis Juli22) und ich sind im laufenden H4 Bezug.

Unser Einkommen setzt sich zusammen aus:
Meiner Erwerbsminderungsrente 549€, meinem Minijob 157,12€, Kindergeld 219€,
Minijob der Tochter 450€(seit März 22) .

Das Jc berücksichtigt bei meiner Tochter den Freibetrag von 100€  plus 20%.
Es werden also 280€ angerechnet.

Da dieser Freibetrag ja jedem  Mitglied aus der Bedarfsgemeinschaft zusteht, war ich der Meinung, dass auch ich  100 € Freibetrag habe plus 20 %.
Zudem steht dies auch neuerdings auf jedem unserer Hartz 4 Bescheide.

Doch das Jc rechnet anders... und dies verstehe ich nicht.

Sie berücksichtigen bei mir lediglich einen Freibetrag-aus Erwerbstätigkeit- von ca.75€( mir liegt der Bescheid gerade nicht vor).
Meiner Rechnung nach müßte ich 100€ frei haben plus 20%,also ca 11,40€,so dass das Jc mir 45,60 € anrechnen müsste und nicht ca.75€.

Das geht nun schon, unabhängig vom Beginn des Minijob meiner Tochter, seit September 21(Job-Aufnahme) so.

Ich habe Widerspruch eingelegt, sie haben ein paar Euro mehr genehmigt, aber immer noch keine korrekte Berechnung.
Nochmals Widerspruch im Januar 22.

Nun ,durch den Job meiner Tochter, bekamen wir wieder einen neuen Bescheid und immer noch ist die Berechnung für mich nicht richtig.

Nun muss ich wohl schon wieder Widerspruch einlegen.

Der Widerspruch gegen den Widerspruch ist noch nicht bearbeitet.

Das ganze wächst mir über den Kopf.

Ist die Berechnung des Jc falsch?

Leider  bekommt man keinen Termin mehr seit Corona.

Vielen Dank

Quinky

Wie hoch ist laut Bescheid der Regelsatz plus Mietanteil = gesamter HartzIV-Anspruch Deiner Tochter?
Erst dann ist eine klare Aussage möglich.
Es kann sein, das Teile des Kindergeldes bei Dir angerechnet wird, dann könnte beim Freibetrag eine andere Rechnung eintreffen.

Ernie

Flip

Zitat von: Ilin19 am 04. April 2022, 09:19:30Sie berücksichtigen bei mir lediglich einen Freibetrag-aus Erwerbstätigkeit- von ca.75€( mir liegt der Bescheid gerade nicht vor).
Meiner Rechnung nach müßte ich 100€ frei haben plus 20%,also ca 11,40€,so dass das Jc mir 45,60 € anrechnen müsste und nicht ca.75€.

Nein. Da du erwerbsgemindert ist, steht dir der Grundfreibetrag und der Freibetrag für Erwerbstätigkeit nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II nicht zu. Denn die gesetzliche Regelung lautet:

"(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind..."

Diese Regelung ist ausschließlich für Erwerbsfähige, was du nunmal nicht bist. Damit Erwerbsunfähige, die arbeiten, nicht unangemessen benachteiligt sind, hat das BSG vor Jahren bereits entschieden, dass diesem Personenkreis der Freibetrag für Erwerbstätigkeit zu gewähren ist, den es für Leistungsbezieher nach dem SGB XII gibt.

Im SGB XII ist das in § 82 geregelt:

(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen
1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, und
4.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben.
Erhält eine leistungsberechtigte Person aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nummer 12, 26 oder 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind oder die als Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes gezahlt werden, ist abweichend von Satz 1 Nummer 2 bis 4 und den Absätzen 3 und 6 ein Betrag von bis zu 250 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Soweit ein Betrag nach Satz 2 in Anspruch genommen wird, gelten die Beträge nach Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und nach Absatz 6 Satz 1 zweiter Halbsatz insoweit als ausgeschöpft.

(3) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Abweichend von Satz 1 ist bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 50 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Im Übrigen kann in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden.

30% von deinen 157 Euro Verdienst wären ca. 47 Euro. Vielleicht noch ein paar Absetzungen für die Arbeit dazu, dann sind es 75 Euro.

Zitat von: Ilin19 am 04. April 2022, 09:19:30Der Widerspruch gegen den Widerspruch ist noch nicht bearbeitet.

Ein Widerspruch gegen einen Widerspruchsbescheid ist unzulässig. Da kann man nur klagen. Eigentlich sollte man dir im Widerspruchsbescheid vorgerechnet haben, wie man diese 75 Euro Freibetrag errechnet hat.








Quinky

Flip,
Du hast mit Deiner Berechnung Recht, sofern sie VOLL erwerbsgemindert ist, dann unterliegt sie dem SGB XII
Allerdings,
WENN sie nur TEILWEISE erwerbsgemindert ist, dann unterliegt sie dem SGBII und die Freibeträge nach § 11 SGBII kommen zu tragen.

Hier besteht also Klärungsbedarf!

P.S.
Ohnehin ist hier eine verbrecherische Regelung bei Arbeitsaufnahme von voll erwerbsgeminderten BZW. Rentnern von den Regierungen seit 2005 getroffen worden. Diese Menschen werden wie der letzte Dreck behandelt und schlechter behandelt als z.B. HartzIV-ler die nie gearbeitet haben und jetzt den ersten Job annehmen!
Mit welchem Recht wird bei Rentnern bei z.B. 200€ Verdienst nur 60€ als Freibetrag, bei HartzIV-lern jedoch 120€ als Freibetrag gewährt. Hier könnte man auf die Idee kommen, das ist deswegen so eingerichtet worden, damit Rentner möglichst schnell verrecken (da der Regelsatz auf lange Sicht NICHT ausreicht um zu leben, nur zum vegetieren).

Ilin19

 Vielen Dank für eure Infos.
Ja ich bin voll erwerbsgemindert ,immer wieder befristet für 3Jahre.

Jedoch hat man mir damals beim Jobcenter gesagt, solange ich in einer Bedarfsgemeinschaft mit meiner Tochter lebe, werde ich so "veranlagt" wie ein Hartz4 Empfänger, sprich,für meinen Minijob, den ich damals schon -mit Unterbrechung- ausgeübt habe,erhalte ich die Freibeträge 100€ plus20%.

Genau so haben sie es gehandhabt in den letzten Jahren wenn ich gearbeitet habe.
Doch seit letztem Jahr September ist es anders.

Wie gesagt, habe ich letztes Jahr sofort Widerspruch eingelegt  .
Sie haben meinem Widerspruch vollends entsprochen(so heißt es im Bescheid) und mir 20 oder 30 € mehr zugestanden. ( Bescheid muss ich raussuchen)
Aber es gab keine Erklärung in dem Bescheid, wie sie was berechnet haben.und-es sind immer noch keine 100€ plus 20%.

Unsere Miete wird seit drei Jahren nur anteilig übernommen, obwohl das Jc (zwischenzeitlich) verpflichtet ist, die komplette Miete zu zahlen.
Sie übernehmen übrigens die KdU in Höhe der Miete unserer vorherigen Wohnung vor 3 Jahren😉...

Mein Anwalt hat Klage eingereicht vor langer Zeit. Hierzu werde ich in den nächsten Tagen ein separates Thema machen.

Der Regelbedarf meiner Tochter beträgt 360 €. die Grundmiete ist 238,28€. Heizkosten 20 €(Holzpellets). Nebenkosten 56, 22€.Insgesamt 674,70€.
das Kindergeld wird bei meiner Tochter komplett angerechnet, nicht bei mir.

Ich bekomme von meinem Einkommen von 157,12€ einen Freibetrag von 76,08€.

Schon komisch, dass nach dem 1.Widerspruch ein paar Euronen mehr bezahlt wird...
Ich kann mich dem Eindruck nicht erwehren, dass das Jc mich veräppelt...
Danke für eure Unterstützung.
VG und einen schönen Abend

Flip

Zitat von: Ilin19 am 04. April 2022, 22:13:06Genau so haben sie es gehandhabt in den letzten Jahren wenn ich gearbeitet habe.
Doch seit letztem Jahr September ist es anders.

Dann hattest du lange Glück. Die Entscheidung des BSG ist sehr alt:

ZitatBei nicht erwerbsfähigen Sozialgeldempfängern ist vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit kein Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100 Euro abzusetzen. Dieser Freibetrag steht nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu.

Nicht erwerbsfähige Sozialgeldempfänger würden aber - soweit sie die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllen - Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalten. Dabei ist gemäß § 82 Abs. 3 SGB XII bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung neben den Absetzbeträgen nach § 82 Abs. 2 SGB XII, die ähnlich denen des § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II ausgestaltet sind, ein Betrag in Höhe von 30 v.H. des Einkommens aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit des Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 v.H. des Eckregelsatzes. Damit sieht die gesetzgeberische Konzeption im SGB XII vor, auch für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Anreiz zur Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer ihren Möglichkeiten entsprechenden Erwerbstätigkeit zu schaffen.

https://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/B_14_AS_201.10_R.htm#:~:text=Bei%20nicht%20erwerbsf%C3%A4higen%20Sozialgeldempf%C3%A4ngern%20ist,erwerbsf%C3%A4higen%20Hilfebed%C3%BCrftigen%20mit%20Erwerbseinkommen%20zu.

Zitat von: Ilin19 am 04. April 2022, 22:13:06Aber es gab keine Erklärung in dem Bescheid, wie sie was berechnet haben.und-es sind immer noch keine 100€ plus 20%.

Weil sie dir nicht zustehen.



Ilin19

Danke Flip,da habe ich ja wirklich lange Zeit Glück gehabt.

Kannst du mir vielleicht auch sagen, wie es sich verhält mit einer Ehrenamtlichen Tätigkeit als Übungsleiterin?

Ich könnte 1-2Stunden in der Woche übernehmen und bekäme eine Übungsleiterpauschale.
Dies wird pro Stunde bezahlt und ist von Verein zu Verein unterschiedlich.

Kann das Jobcenter mir dieses Geld auch anrechnen bzw wenn ich demnächst alleine lebe, kann das Sozialamt mir diese Pauschale anrechnen?

Danke

Flip

Ja, auch das ist Einkommen, allerdings mit einem wesentlich höherem Freibetrag. Habe ich übrigens bereits zitiert:

ZitatErhält eine leistungsberechtigte Person aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nummer 12, 26 oder 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind oder die als Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes gezahlt werden, ist abweichend von Satz 1 Nummer 2 bis 4 und den Absätzen 3 und 6 ein Betrag von bis zu 250 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Soweit ein Betrag nach Satz 2 in Anspruch genommen wird, gelten die Beträge nach Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und nach Absatz 6 Satz 1 zweiter Halbsatz insoweit als ausgeschöpft.