Erreichbarkeit während des Bezugs

Begonnen von Sophiagirl, 04. Juni 2023, 10:41:20

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Sophiagirl

https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld-erreichbarkeit-als-zusaetzliche-leistungsvoraussetzung-ab-dem-1-juli-2023/

Moin,

Ich bin über die oben genannte Web Seite gestolpert.  :flag:  demnach müsste man nun immer zu Hause sein.

Allerdings läuft bei mir ja mein Renten Antrag und mein Vater hat nun auch endlich Pflegegrad 4 bekommen. In wie weit zählt den das noch für mich? Dauerhaft krank geschrieben ja ebenfalls.

Übernachtungen auswärts meist für Arzt Termine für mich oder mein Vater.

Das hört verunsichert mich dennoch etwas.

Liebe Grüße  :sehrgut:

Sheherazade

Zitat von: Sylvergirl am 04. Juni 2023, 10:41:20demnach müsste man nun immer zu Hause sein.

Nein, ortsnaher Bereich reicht völlig, man muss nur werktäglich für die Post erreichbar sein.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Ottokar

Das was dort steht ist größtenteils falsch und großer Blödsinn.
Schon seit 2005 ist der Aufenthalt im sog. zeit- und ortsnahen Bereich Anspruchsvoraussetzung für die Leistung (ALG II/Bürgergeld).
Dies führt u.a. dazu, dass bei einer ungenehmigten Ortsabwsenheit - also einem vom JC nachzuweisenden Aufenthalt außerhalb zeit- und ortsnahen Bereiches - der Anspruch auf die Leistung für die Zeit der ungenehmigten Ortsabwesenheit entfällt.
Das ist also keineswegs neu.
Weil die bisherige Regelung infolge einer Gesetzesänderung zum 01.01.2023 entfallen war, die neue aber erst am 01.07.2023 in Kraft tritt - was der Gesetzgeber jedoch so nicht beabsichtigt hatte, sondern einfach übersehen wurde - war vom 01.01. - 30.06.2023 der Aufenthalt im sog. zeit- und ortsnahen Bereich keine Anspruchsvoraussetzung, konnte also keinen Leistungsverlust nach sich ziehen.

Ob und wie man ab dem 01.07.2023 erreichbar sein muss, ist derzeit vollkommen ungeklärt.
Der dann in Kraft tretende § 7b SGB II beinhaltet dazu keine konkrete Regelung.

§ 7b SGB II lautet wie folgt:

Zitat§ 7b Erreichbarkeit
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Leistungen, wenn sie erreichbar sind. Erreichbar sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte, wenn sie sich im näheren Bereich des zuständigen Jobcenters aufhalten und werktäglich dessen Mitteilungen und Aufforderungen zur Kenntnis nehmen können. Ein Aufenthalt im näheren Bereich liegt vor, wenn es den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten möglich ist, eine Dienststelle des zuständigen Jobcenters, einen möglichen Arbeitgeber oder den Durchführungsort einer Integrationsmaßnahme im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Jobcenters in einer für den Vermittlungsprozess angemessenen Zeitspanne und ohne unzumutbaren oder die Eigenleistungsfähigkeit übersteigenden Aufwand aufzusuchen. Der nähere Bereich schließt auch einen Bereich im grenznahen Ausland ein.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die nicht erreichbar sind, erhalten nur dann Leistungen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und das Jobcenter dem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs zugestimmt hat.
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei
 1. Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
 2. Teilnahme an einer Veranstaltung, die kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder im öffentlichen Interesse liegt,
 3. Aufenthalten außerhalb des näheren Bereichs, die überwiegend der Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit dienen, oder
 4. Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, wenn die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
Für Abwesenheiten außerhalb des näheren Bereichs aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist abweichend von Satz 1 keine Zustimmung des Jobcenters erforderlich.

(3) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die ohne wichtigen Grund nicht erreichbar sind, erhalten Leistungen, wenn das Jobcenter dem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs zugestimmt hat und die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Die Zustimmung zu Abwesenheiten ohne wichtigen Grund soll in der Regel für insgesamt längstens drei Wochen im Kalenderjahr erteilt werden. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die weder arbeitslos noch erwerbstätig sind, ist die Zustimmung nach Satz 1 zu erteilen.

Der nähere Bereich des zuständigen Jobcenters ist also nach Absatz 1 dadurch gekennzeichnet, dass man in der lage ist, werktäglich Mitteilungen und Aufforderungen des JC zur Kenntnis nehmen können und im Weiteren dann das JC, einen möglichen Arbeitgeber oder eine Maßnahme "in einer für den Vermittlungsprozess angemessenen Zeitspanne und ohne unzumutbaren oder die Eigenleistungsfähigkeit übersteigenden Aufwand" aufzusuchen.
Die Art der "Mitteilungen und Aufforderungen" ist nicht definiert, erstreckt sich somit auf alle dem JC verfügbaren Kommunikationswege (Post, E-Mail, Telefon, Fax etc.), wobei dem JC die Wahl des Kommunikationsweges obliegt. Dabei gilt weiterhin, dass man dem JC weder E-Mail noch Telefonnummer angeben muss.

Arztbesuche und Pflege von Angehörigen sind imho als wichtiger Grund nach § 7b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB II anzuerkennen. Das JC muss hier einer Ortsabwesenheit zustimmen.
Die Pflege von Angehörigen ist imho hierbei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen, da diese Pflege einer Erwerbstätigkeit lt. § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II vorgeht. Damit wäre gemäß § 7b Abs. 2 S. 3 SGB II keine vorherige Zustimmung des JC erforderlich.

Man kann nur hoffen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum 01.07.2023 von seiner Ermächtigung gebrauch macht und Näheres dazu regelt, ansonsten sehe ich da eine Klagewelle im Anmarsch.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Sophiagirl

Danke Ottokar.  :flag:

Bin ich beruhigt. Das hat mich schon verwirrt.  :flag:

Aber lieben Dank an euch beide.


Hartzer Rolle

Besonders wer Jobcenter Digital nutzt kann sich darüber Poststücke zustellen lassen und ist somit zwar erreichbar, aber nicht zwangsweise zuhause. Hierbei ist es wichtig,  innerhalb der angemessenen Frist reagieren zu können.

Hansejunge

Soweit ich das verstanden habe, ist der Witz, dass quasi jedes JC selbst definiert, was "ortsnaher Bereich" für sie bedeutet:

- direkte Umgebung vom JC
- Stadt und 30 km Umkreis
- mit Bahn/Bus maximal 2 Stunden entfernt
- man muss das JC innerhalb eines Tages erreichen können
- der Anfahrtsweg darf den eines üblichen Anfahrtsweg zu einer Arbeitsaufnahme nicht übersteigen und sich täglich bewerkstelligen lassen (jeden Tag Hamburg-München hin und zurück also nicht, oder doch?)

etc.

sehr schwammig - wie so oft.

Hartzer Rolle

Hier in NRW kann es sogar das grenznahe Ausland (Niederlande) sein.

Kopfbahnhof

Zitat von: Hansejunge am 04. Juni 2023, 14:20:20dass quasi jedes JC selbst definiert, was "ortsnaher Bereich" für sie bedeutet:
Ich habe das schon immer für mich selbst "Definiert" was geht es das JC an wo mich gerade aufhalte?

So lange ich die Post oft genug im Auge habe, ist es völlig Egal.

Zitat von: Hansejunge am 04. Juni 2023, 14:20:20Hamburg-München hin und zurück also nicht, oder doch?
Klar geht das, morgens los nachts zurück z.B.

Zitat von: Hartzer Rolle am 04. Juni 2023, 14:22:43kann es sogar das grenznahe Ausland sein
Kann es überall, man kann jederzeit auch ins Ausland fahren.
Wäre ja noch schöner wenn man D nicht Verlassen dürfte.

180

So lange der Kunde die OAW nicht gesteht oder die EC-Karte über längere Zeit weit entfernt genutzt hat (und im Rahmen eines WBA Kontoauszüge einreichen musste), kann nichts passieren.
Das JC müsste die OAW zweifelsfrei nachweisen - der Kunde muss hingegen nicht beweisen, dass er ortsanwesend war.


Durch das 49€ Ticket kann es keine erhebliche finanzielle Belastung geben. Und da das JC den Kunden deutschlandweit in Arbeit vermitteln kann, kann der Kunde sich auch deutschlandweit frei bewegen.
Wer unter einer schweren Zwangsstörung leidet und alles zu 150% korrekt machen muss, der leert um 0:01 Uhr seinen Briefkasten, verreist für 47:58h und leer am Folgetag rechtzeitig um 23:59 Uhr seinen Briefkasten erneut.

tsumo

Zitat von: Sylvergirl am 04. Juni 2023, 10:41:20mein Vater hat nun auch endlich Pflegegrad 4 bekommen.

Glückwunsch. Frage mich wie du das geschafft hast :O
Unser Antrag auf 3 wurde abgelehnt. Nun darf ich mich mit dem Sozialgericht rumschlagen ;(

Sophiagirl

Zitat von: tsumo am 05. Juni 2023, 02:48:58
Zitat von: Sylvergirl am 04. Juni 2023, 10:41:20mein Vater hat nun auch endlich Pflegegrad 4 bekommen.

Glückwunsch. Frage mich wie du das geschafft hast :O
Unser Antrag auf 3 wurde abgelehnt. Nun darf ich mich mit dem Sozialgericht rumschlagen ;(

Genau über den Weg den du gerade beschreitest.

Ottokar

#11
Lt. BGH muss man nach 16 Uhr seinen Briefkasten nicht mehr leeren. Alles was nach 16 Uhr zugestellt wird, gilt als am Folgetag zugestellt und Samstag gibt es keine Termine beim JC, höchstens Post. Wann man seinen Briefkasten leeren muss, ist nicht geregelt (sinnvollerweise erst ab 16 Uhr).
Sollte Donnerstag nach 16 Uhr eine Einladung (für Freitag) im Briefkasten gelandet sein, gilt die erst am Freitag bis 16 Uhr als zugestellt. Leert man Freitag 16 Uhr seinen Briefkasten, kann man wegen verspätet zugegangener Einladung am Freitag keinen Termin warnehmen.
Landet Samstag eine Einladung im Briefkasten, kann die frühestens für Montag sein.
Sofern man also Montag zeitig genug zurück ist, um zum frühestmöglichen Zeitpunkt beim JC erscheinen zu können, sind die Voraussetzungen des § 7b SGB II erfüllt. Das gilt generell auch für Tagesausflüge.
Damit ergibt sich ein generelles logisches Zeitfenster von Donnerstag 16:01 Uhr bis Montag Früh gg. 6 Uhr (Öffnungszeit JC abzgl. Wegezeit), welches sich durch arbeitsfreie Feiertage am Freitag oder Montag entsprechend erweitert.
Hinzu kommt die bereits genannte Möglichkeit über Jobcenter Digital noch vor der Zustellung im Briefkasten den Inhalt von Schreiben und damit eventuell einzuhaltende Zeitfenster zu erfahren.
Um unnötige Nachfragen zu vermeiden, sollte man auch den bereits erfolgten Hinweis auf die Plausibilität von Kontobelastungen durch Käufe oder Bargeldabhebungen außerhalb des Wohnortes beachten.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Sophiagirl

Zitat von: Ottokar am 05. Juni 2023, 11:32:08Lt. BGH muss man nach 16 Uhr seinen Briefkasten nicht mehr leeren. Alles was nach 16 Uhr zugestellt wird, gilt als am Folgetag zugestellt und Samstag gibt es keine Termine beim JC, höchstens Post. Wann man seinen Briefkasten leeren muss, ist nicht geregelt (sinnvollerweise erst ab 16 Uhr).


Bei uns kommt der Postbote immer zwischen 15:45 Uhr und 16:15 Uhr das ist ja witzig. xD

tsumo

Zitat von: Sylvergirl am 05. Juni 2023, 06:43:20
Zitat von: tsumo am 05. Juni 2023, 02:48:58
Zitat von: Sylvergirl am 04. Juni 2023, 10:41:20mein Vater hat nun auch endlich Pflegegrad 4 bekommen.

Glückwunsch. Frage mich wie du das geschafft hast :O
Unser Antrag auf 3 wurde abgelehnt. Nun darf ich mich mit dem Sozialgericht rumschlagen ;(

Genau über den Weg den du gerade beschreitest.

Oh tatsächlich? Also hast du es bereits 1-2 Jahre vorher in die Wege geleitet? Hattest du da evtl Hilfe oder alles alleine gemacht. Z.B. vor Gericht aufgetreten etc?

Sophiagirl

Zitat von: tsumo am 06. Juni 2023, 02:52:36
Zitat von: Sylvergirl am 05. Juni 2023, 06:43:20
Zitat von: tsumo am 05. Juni 2023, 02:48:58
Zitat von: Sylvergirl am 04. Juni 2023, 10:41:20mein Vater hat nun auch endlich Pflegegrad 4 bekommen.

Glückwunsch. Frage mich wie du das geschafft hast :O
Unser Antrag auf 3 wurde abgelehnt. Nun darf ich mich mit dem Sozialgericht rumschlagen ;(

Genau über den Weg den du gerade beschreitest.

Oh tatsächlich? Also hast du es bereits 1-2 Jahre vorher in die Wege geleitet? Hattest du da evtl Hilfe oder alles alleine gemacht. Z.B. vor Gericht aufgetreten etc?

Moin,

2 Jahre? Du hast Humor das lief nun seit 2018 als Widerspruch in höherstufungsverfahren. Aber erstmal ab 2021 genehmigt warum auch immer. 😅 Nein, es kam die Begutachtung und die hatte das dann entschieden.  :smile:  ich hab das mit einem Anwalt zusammen gemacht.  :flag:

LG