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Wie kann man sich gegen einen Kooperationsplan wehren?

Begonnen von Downlife97, 27. Juli 2023, 00:59:05

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Downlife97

Hallo ihr :)

Ich wollte einmal wissen, wie kann man sich gegen einen Kooperationsplan wehren?...Zählen die Urteile die es zum Thema EGV gibt noch oder sind die jetzt quasi nicht mehr relevant?

Ottokar

Zitat von: Downlife97 am 27. Juli 2023, 00:59:05wie kann man sich gegen einen Kooperationsplan wehren?
Gar nicht.
Da der Koop-Plan einseitig vom JC festgelegt wird, kann man entweder zustimmen, oder er wird als Verwaltungsakt erlassen. Erst gegen den Verwaltungsakt kann man vorgehen, was die Gericht aber überwiegend zurückweisen und auf die Möglichkeit der Rechtsmittel gegen Sanktionen verweisen.

Zitat von: Downlife97 am 27. Juli 2023, 00:59:05Zählen die Urteile die es zum Thema EGV
Bis zu einer anderstlautenden Entscheidung des BSG: nein.
Bei der EinV handelte es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nach §§ 53 ff SGB X zwischen JC und Leistungsbezieher.
Der Koop-Plan ist lediglich eine Absichtserklärung ohne Rechtscharakter, jedenfalls für den Leistungsbezieher.
Da diese Form nicht die sog. Waffengleichheit im Recht wahrt - während das JC aus der Absichtserklärung den Erlass von Verwaltungsakten und im Weiteren Sanktionen herleiten kann, hat der Leistungsbezieher keine Möglichkeit, seine Ansprüche daraus wie Bewerbungskostenerstattung rechtlich durchzusetzen - ist es imho nur eine Frage der Zeit, bis der Koop-Plan von der Rechtsprechung für unzulässig erklärt wird.

Im Übrigen sollte man die nach § 15 Abs. 5 SGB II als Verwaltungsakt erlassenen Aufforderungen zu erforderlichen Mitwirkungshandlungen dahingehend prüfen, ob die Rechtsfolgenbelehrung korrekt ist, sowie, ob der geforderten Mitwirkungshandlung auch eine gleichwertige Gegenleistung des JC gegenübersteht. Wird z.B. die Vornahme von Bewerbungen gefordert, muss auch die Erstattung von Bewerbungskosten zumindest angeboten werden. Andernfalls wäre der Verwaltungsakt wegen unangemessener einseitiger Benachteiligung sittenwidrig, da das JC eine nicht gesetzlich geregelte Mitwirkungshandlung fordert, ohne eine äquivalente Gegenleistung zu erbringen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Hansejunge

Zitat von: Ottokar am 27. Juli 2023, 11:36:27ist es imho nur eine Frage der Zeit, bis der Koop-Plan von der Rechtsprechung für unzulässig erklärt wird.

Diese Worte in der Göttin Justizia's Ohr.

Wir hatten ja schon einmal erörtert, dass alleine schon die Infos zum Ko-Plan völlig widersprüchlich sind. Einerseits als unverbindlicher Plan, andererseits kann daraus dann sanktioniert werden. Verstehe das, wer will.

Phil_N

Zitat von: Hansejunge am 27. Juli 2023, 11:40:24Wir hatten ja schon einmal erörtert, dass alleine schon die Infos zum Ko-Plan völlig widersprüchlich sind. Einerseits als unverbindlicher Plan, andererseits kann daraus dann sanktioniert werden. Verstehe das, wer will.

Der Kooperationsplan ist in der Tat ein merkwürdiges Konstrukt. Streng genommen kann aus ihm heraus aber nicht sanktioniert werden. Wenn zumutbare Inhalte aus dem Kooperationsplan vom Leistungsberechtigten nicht eingehalten werden, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, ergeht eine Aufforderung zur Mitwirkung mit Rechtsfolgenbelehrung. Darauf bezugnehmend kann dann sanktioniert werden.

D.h. Sanktionen sind nach wie vor ganz ohne KO-Plan möglich (wie es auch schon zu EinV-Zeiten der Fall war). Die Idee des KO-Konstruktes ist: Wir versuchen es erstmal ohne Druck. Aber: Wenn das nicht fruchtet, machen wir Druck. Letztlich ist die ganze Bürgergeld-Geschichte damit meiner Meinung nach nur "alter Wein in neuen Schläuchen".

Es wird sprachlich etwas geändert und alles soll irgendwie "bürgernäher" erscheinen, letztlich ist und bleibt aber weiterhin das Prinzip des Forderns und Förderns handlungsleitend. Klar, theoretisch soll jetzt mehr Wert auf vermeintlich gleiche Augenhöhe und nachhaltige(re) Integration via mehr Weiterbildungsförderung gelegt werden. Hört sich gut an, aber in der Praxis dürfte sich so gut wie nichts ändern, weil sich durch die Gesetzesänderung ja noch lange nichts an der Organisationskultur im Jobcenter ändert.

Die Leute, die da arbeiten, sind weiterhin die gleichen und durch die Regularien berufssozialisiert, die in den letzten 20 Jahren ergangen sind. Die Mitarbeitenden im JC werden nicht von einem Tag auf den anderen plötzlich ganz anders mit den Leuten reden, als sie es bisher getan haben, nur weil Herr Heil und Frau Nahles postulieren, dass jetzt alles auf gleicher Augenhöhe sei (was in Folge der weiter bestehenden Sanktionsmacht nicht gegeben sein kann).

Das Bürgergeld ist und bleibt damit - in meinen Augen - eine Augenwischerei. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass die SPD und die Grünen durchaus vorhatten, die Grundsicherung wirklich mehr in Richtung "Fördern" zu reformieren. Aber im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ist das dann verwässert worden.

Das, was ursprünglich als Bürgergeldkonzept angedacht war, war wirklich modern und bürgerfreundlich. Was dann aber letztlich bei rauskam, ist eine andere Geschichte.  Ich glaube übrigens auch, dass die Kooperationspläne noch so einige Sozialgerichte beschäftigen werden.

Gegen diesen Plan "wehren" kann man sich aber insofern (wenn man es "wehren" nennen will), indem man das Gespräch mit dem Arbeitsvermittler sucht. Meine Erfahrung ist, dass sich AV durchaus auf Änderungswünsche von "Kunden" einlassen, wenn diese sachlich vorgetragen werden und Sinn machen. Manche "Kunden" treten nur leider gleich aggressiv auf. In diesen Fällen sind die AV dann wenig geneigt, den "Kunden" entgegenzukommen.
"In jedem Dorf gibt es eine Fackel, den Lehrer, und jemanden, der dieses Licht löscht, den Pfarrer." (Victor Hugo)

malsumis

Vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass es sich weiterhin um einen öffentlichen Vertrag handeln wird.
Wir hatten so was schon mal mit der EGV in SGB III, der Gesetzgeber hat bestimmt, dass die EGV nicht ein neues Rechtsverhältnis begründet. Das BSG hat aber trotzdem einen subordinationsrechtlichen Austauschvertrag bejaht.

ZitatDrucksache 14/6944: Der neue Absatz 4 trifft nähere Bestimmungen zur Eingliederungsvereinbarung, die nach § 6 zu treffen ist. Sie hat nicht die Funktion, ein neues Rechtsverhältnis zwischen Arbeitsamt und Arbeitslosen zu begründen.

ZitatBSG, 04.04.2017 - B 11 AL 5/16 R:
Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus dem Recht der öffentlichen Verträge nach den §§ 53 ff SGB X, denn auch die Eingliederungsvereinbarungen nach § 37 Abs 2 SGB III sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 SGB X. Hinsichtlich der Einordnung der Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III gilt nichts anderes als für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II, die das BSG bereits als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen hat.
Zwar hatte der Gesetzgeber mit der Schaffung des Instruments der Eingliederungsvereinbarung im SGB III durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2010 in § 35 SGB III aF ursprünglich verbunden, dass kein neues Rechtsverhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und dem Arbeitslosen begründet werden sollte. Dies spricht jedoch nicht gegen die Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag, denn durch die Rechtsänderungen des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 sind in der nunmehr in § 37 Abs 2 SGB III geregelten Eingliederungsvereinbarung deren Gegenstände genauer festgelegt und zudem die Sanktionen bei Verletzung dieser Pflichten des Arbeitsuchenden geregelt worden. In Angleichung an die Vorschriften des SGB II muss seitdem auch im SGB III verbindlich festgelegt werden, welche konkreten Eigenbemühungen erforderlich sind und welche Nachweise hierzu vorzulegen sind. Der im Wortlaut des § 37 Abs 2 und Abs 3 SGB III zum Ausdruck kommende hohe Grad einer Verbindlichkeit spricht in gleicher Weise für eine konkretere Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben durch verbindlichen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag anstelle lediglich einer Zielvereinbarung.  ...
Im Übrigen sieht § 53 Abs 1 Satz 2 SGB X vor, dass die Behörde, statt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen kann, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

Zur Auslegung kann auch der § 2 SGB II hinzugezogen werden, der weiterhin von "insbesondere einen Kooperationsplan abschließen" spricht.  Abschließen kann man nur Verträge.

Ottokar

#5
Zitat von: malsumis am 27. Juli 2023, 23:45:06Vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass es sich weiterhin um einen öffentlichen Vertrag handeln wird.
Das denke ich nicht. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Koop-Plan nicht unterzeichnet wird, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag aber lt. § 56 SGB X die Schriftform erfordert, d.h. von den Vertragspartnern unterzeichnet werden muss.
Ein Koop-Plan kann also mangels Unterschriften nicht in einen öffentlich-rechtlichen Vertrag umgedeutet werden.

@Phil_N
Das Prozedere ist mir bekannt.
Mir geht es nicht um Sanktionen, sondern die rechtliche Grundlage für den Erlass eines Mitwirkungs-Verwaltungsaktes.
Ein Verwaltungsakt kann nur zu rechtsverbindlich existierenden Regelungen erlassen werden, d.h. zu Regelungen die entweder im SGB II (alt. SGB I, SGB X) selbst oder einem zum SGB II geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag stehen.
Der Inhalt des Koop-Plans ist aber gerade nicht rechtsverbindlich, da der Koop-Plan kein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist. Die im Koop-Plan geregelten individuell erforderlichen konkreten Mitwirkungshandlungen stehen auch nicht im SGB II, deshalb sollen sie ja im Koop-Plan erfasst werden.
Damit fehlt es an der rechtlichen Grundlage für den Erlass eines auf dem Inhalt des Koop-Planes basierenden Verwaltungsaktes nach § 15 Abs. 5 SGB II.

Die logische Konsequenz zur Beseitigung dieses Rechtsmangels wäre, den Koop-Plan gleich als Verwaltungsakt zu erlassen. Dazu müsste aber zunächst der Nachrang des Verwaltungsaktes aus § 15 Abs. 6 SGB II gestrichen werden.
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Milla

Zitatdass der Koop-Plan nicht unterzeichnet wird,
Das ist ja interessant. Ähhhh und wie will das JC beweisen das es jemals mit einem LB den abgeschlossen hat?
Bei einer EV musste man wenigstens noch unterschreiben.
Abschieben schafft Wohnraum:  Deutschland hat Eigenbedarf!

a_good_heart

Zitat von: Milla am 28. Juli 2023, 17:50:16Bei einer EV musste man wenigstens noch unterschreiben.

Falsch! Man musste eine EinV nicht unterschreiben... :blum:
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont... (Konrad Adenauer)

Milla

Abschieben schafft Wohnraum:  Deutschland hat Eigenbedarf!

Fettnäpfchen

Zitat von: Milla am 28. Juli 2023, 17:50:16Ähhhh und wie will das JC beweisen das es jemals mit einem LB den abgeschlossen hat?
braucht es ja nicht da sowieso Folgenlos.
Ist eine andere Art der "Bauernfängerei" und zur "Augenwischerei" für alle Unbedarften sehr gut geeignet.

Bin neugierig wann die erste Sanktionsfrage wegen Nichteinhaltung des KooP gestellt wird, wundern würde es mich nicht im geringsten wenn so etwas versucht wird.

MfG FN
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Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern. (Konfuzius)
Mach es: Sei stärker als deine stärkste Ausrede.

Yasha

Zitat von: Fettnäpfchen am 29. Juli 2023, 17:51:14.?wann die erste Sanktionsfrage wegen Nichteinhaltung des KooP gestellt wird, wundern würde es mich nicht

MfG FN

Das kommunale JC Marburg Biedenkopf informiert sogar im Vorfeld,was ab 01.07.2023 sanktionierbar wâre. Inkl. Sanktionstatbestãnde bezüglich Koop Plan,was dann für Kunden ab 15 Jahren gelten soll!

Das Infoblatt 8- Minderungen des Jobcenters Marburg- Biedenkopf kann im Internet downgeloadet werden.

Übrigens: jenes JC beabsichtigt doch einen Verwaltungsakt,wenn ergangene Absprachen aus einen Koop Plan nicht befolgt werden würden,sinngemâß.

Überhaupt zeichnet sich da viel "Wildwuchs ab,insbesondere auch,was die angedachte Umsetzung der Schlichtung betrifft. Positiv erscheint mir da das Konzept des JC Aachen nach Vorbild der Mediation/Allparteilichkeit mit einem umfangreichen Leitfaden dazu.

Negativ eher da die angedachte Schlichtung durch einen neuen Pressesprecher! beim JC Herford. Mal eben so nebenbei ,wie aus der Stellenanzeige "Pressesprecher gesucht"hervorgeht:

https://www.interamt.de/koop/app/stelle?id=997593

Letzteres halte ich sogar für fatal. Denn das neue Sprachrohr des Jobcenters kann nie neutral sein,nach meiner Meinung.

Da zeichnet sich eher aktuell viel Raum für Willkür der Jobcenter ab- als die postulierte Neutralitãt gegenùber dem Kunden.