Ablehnungsbescheid nicht zugestellt, dadurch Frist zum Widerruf verpasst

Begonnen von einervonvielen, 10. September 2024, 23:37:17

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einervonvielen

Hallo Zusammen,

ich habe seit ein paar Tagen eine ziemlich ärgerliche Kommunikation mit dem Jobcenter und bin Aufgrund der Art etwas hilflos über das weitere Vorgehen.

Ich würde mich über eure fachliche Einschätzung sehr freuen. Entschuldigt den langen Text. Ich habe versucht mich kurz zuhalten.

Kurz zusammengefasst:
- Ablehnungsbescheid mit Rückzahlungsaufforderung ohne Hinweis ins Jobcenter-Postfach erhalten.
- wegen dem fehlenden Hinweis zu spät gesehen und Rückzahlungsfrist verpasst
- Widerruf am letzten Tag der Frist per Jobcenter-Postfach eingereicht
- keine Bestätigung oder Ähnliches erhalten
- per telefonischer Nachfrage erfahren, dass der Widerruf abgelehnt wird. Angebliche postalische Benachrichtigung zugegangen aber nie erhalten.



Die Vorgeschichte:

Ich bin durch die Pandemie mehr oder minder ungeplant in die Selbstständigkeit gerutscht. Zu der Zeit war ich noch Student und habe mich mit gelegentlichen Aufträgen finanziell durchgeschlagen.
Nach meinem Studium habe ich den Wohnort gewechselt und dadurch auch meinen Tätigkeitsort verlagert aber auch das Netzwerk und Auftraggeber verloren.

Nachdem ich nach 6 Monaten und erfolglosen Bewerbungsversuchen, keine neuen Auftraggeber finden konnte, habe ich mich dann doch durchgerungen einen Bürgergeld-Antrag zu stellen.
Alleine die Bearbeitung dessen hatte 5 Monate bis zur Bewilligung gedauert und meine Schulden, um Miete und Leben zu finanzieren, sind bis dahin immer weiter gewachsen.

In der Zwischenzeit hatte ich, nach einigen mies bezahlten Gelegenheitsjobs, ein paar Aufträge gefunden und so wurde der Weiterbewilligungsantrag wegen der hinzugekommenen Einstandsgemeinschaft und dem geschätzten Einkommen abgelehnt.
Ich habe in dem Moment den prekären und unsicheren Arbeitsstatus der Abhängigkeit vom Jobcenter vorgezogen.


Zum aktuellen Anlass:

Mitte August 2024 bekam ich einen Brief von der Rentenkasse, an meine aktuelle Anschrift,  mit dem Hinweis, dass meine Rentenpunkte aus dem Bezugszeitraum rückwirkend storniert wurden.
Da ich sonst keine weiteren Infos bekommen habe, habe ich mich verwundert nach sehr langer Zeit wiedermal in das online Portal der Arbeitsagentur eingewählt. Für den Log-In musste ich mehrere PopUps bestätigen, damit ich überhaupt wieder auf das Postfach zugreifen kann. Dann musste ich, völlig von den Socken, feststellen, dass in meinem Postfach zwei neue Dokumente vom 19.07. lagen. Das waren der Ablehnungsbescheid und die Rückzahlungsaufforderung aus dem Leistungszeitraum von 2023. Das Rückzahlungsdatum war der 04.08., welches schon länger überschritten war.
Daraufhin habe ich direkt eine eMail an das zuständige Amt verfasst, mit dem Hinweis, dass ich keinerlei Benachrichtigung über die neuen Dokumente bekommen habe und dadurch auch den Termin verpasst habe und um Rückmeldung bitte.
Zwei Tage später wurde ich mittags, während ich gerade bei einem Kundenauftrag war, von einem Angestellten des Jobcenters zurückgerufen. Mir war das Telefonat zu dem Zeitpunkt äußerst unangenehm vor meinem Auftraggeber zu führen. Daher kann ich leider auch den genauen Wortlaut nicht wiedergeben, aber der Tenor war in der Art: "Was mir einfällt Rückfragen zu stellen? Das in deren System vermerkt ist, dass das digitale Dokument verschickt wurde und deshalb als zugestellt zählt. Völlig egal ob ich einen Hinweis bekommen habe oder nicht. Wieso ich das Geld nicht zur Seite gelegt habe? Der Fall ist jetzt beim Inkasso-Büro und ich müsse jetzt noch zusätzlich mit Mahngebühren rechnen! Etc...." Ich habe erwähnt, dass ich gerade bei der Arbeit bin und deshalb nicht frei reden kann. Das hat den Mitarbeiter aber auch nicht weiter interessiert.
Danach habe ich über das Agentur-Postfach eine weitere Nachricht geschrieben mit der Bitte um ein weiteres Telefonat und einem Terminvorschlag bei dem ich nicht arbeiten bin. In dieser Nachricht habe ich zusätzlich meinen Widerruf erklärt.
Zwei Tage später habe ich mich dann beim Inkasso gemeldet um nach einer Möglichkeit zur Ratenzahlung zu fragen, dort wurde mir gesagt, dass der Fall nicht einsehbar ist, weil sich der Vorgang im Widerrufsverfahren befindet.
Nachdem es einige Tage später keine Reaktion, Rückmeldung oder Rückruf gab, habe ich einen vollen Tag damit verbracht wieder beim Jobcenter anzurufen. Nach mehreren Versuchen in der Warteschleife, einmal aus der Leitung fliegen, hatte ich dann einen herablassenden Sachbearbeiter in der Leitung der mir direkt als Gesprächseinstieg verkündete, bevor ich noch überhaupt etwas gesagt habe, dass mein Widerruf abgelehnt wurde, weil ich nicht den richtigen Kommunikationskanal genutzt habe und das Gespräch eigentlich dadurch schon beendet ist. Auch dieser Ablehnungsbescheid kam nicht bei mir an, was laut ihm mein Problem und nicht das des Jobcenters wäre. Da müsse ich mich beim Gesetzgeber beschweren. Dafür solle ich mir doch einen Anwalt nehmen.

Meine Frage nun:
Bleibt mir nur der Weg zum Anwalt um in der Sache weiter zu kommen? Gibt es Möglichkeiten gegen die nicht eingegangenen Benachrichtigungen vorzugehen?

Mir geht es dabei nicht darum, den kompletten Ablehnungsbescheid anzufechten. Mein Anliegen ist lediglich, dass ich, wenn ich durch die Ablehnung den Krankenkassenbeitrag zahlen muss, ich wieder in den Bedarfsbereich rutsche.


Ich bin über die Art und den Umgang seitens der Mitarbeiter sehr "überrascht" und würde mich über Eure Einschätzung sehr freuen.

Vielen Dank schonmal für die Hilfe.

Ottokar

Ein Verwaltungsakt wird erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam, ab dann läuft auch das Widerspruchsrecht.
Die Hinterlegung des Verwaltungsaktes im Jobcenter-Postfach ist nur zulässig, wenn du dem ausdrücklich schriftlich zugestimmt hast. Hast du?
Bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss dieser mit dem qualifizierten elektronischen Siegel der Behörde versehen sein UND der Empfänger muss durch eine Nachricht vom JC von der Niederlegung des Verwaltungsaktes informiert werden.
Kann das JC nicht nachweisen, dass es dich informiert hat, gilt der Verwaltungsakt als nicht zugegangen bzw. erst zu einem von dir genannten Datum als zugegangen (§ 36 Abs. 2a SGB X).
Erst ab dann ist der VA wirksam und ab dann beginnt die Widerspruchsfrist.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


einervonvielen

Hallo Ottokar,

vielen Dank für Deine schnelle Antwort und Deine Hilfe.

Ich kann mich nicht erinnern je einer Hinterlegung des Verwaltungsaktes im Jobcenter-Postfach schriftlich zugestimmt zu haben. In meinen gespeicherten Unterlagen ist ein solches Dokument nicht zu finden.

Eine Nachricht vom JC von der Niederlegung des Verwaltungsaktes habe ich nie erhalten, da ich bei meiner Einwahl im August´24 in mein Postfach erneut meine eMail-Adresse angeben musste. Die Bestätigungs-eMail über den Vorgang vom 16.08. habe ich noch.

Was wäre der nächste Schritt um einen "rechtssicheren" Widerspruch einzulegen?

Noch eine grundlegende Frage zu dem Verfahren. In dem Ablehnungsbescheid steht folgender Hinweis:

"Würden Sie alleine durch die Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hilfebedürftig, so kann unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag ein Zuschuss zu diesen Beiträgen übernommen werden."


Ich habe online leider keine Hinweise zu den bestimmten Voraussetzungen gefunden. Auch konnte ich nicht finden wo ich welchen Antrag stellen kann.
Stelle ich den Antrag an das Jobcenter innerhalb der Widerspruchsfrist? Stelle ich den Antrag im Anschluss des Ablehnungsbescheids beim Sozialamt?

Ein weiteres mal vielen Dank für Deine/Eure Zeit und Hilfe.   

Ottokar

Zitat von: einervonvielen am 12. September 2024, 00:01:06Was wäre der nächste Schritt um einen "rechtssicheren" Widerspruch einzulegen?
Dazu müsste man den genauen Wortlaut der Begründung des Ablehnungsbescheides kennen.
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