Unklarheit 17% Mehrbedarf bei aG und 100%Schwerbehindert/Kind

Begonnen von Haribo, 20. Mai 2025, 20:59:04

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Haribo

Hallo zusammen,

Ich habe durch Zufall vor einiger Zeit gelesen, dass wenn ein Kind mit dem Merkzeichen G/aG und 100 % Schwerbehinderung in der BG ist, diesem ein Mehrbedarf von 17 % zusteht. Nach meinem Verständnis gilt das, weil meine Tochter mit 13 Jahren ja sowieso als nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II gilt.

Deshalb habe ich beim Jobcenter diesen Mehrbedarf beantragt und auch einen Überprüfungsantrag für die letzten Jahre gestellt. Das Ganze findet sich im § 23 Abs. 4 SGB II, der ja, soweit ich das verstehe, genau für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit diesen Merkzeichen gedacht ist.

Nun kam heute (oder vor Kurzem – Datum einfügen, wann der Bescheid kam) die Antwort vom Jobcenter: eine Ablehnung! Zur Begründung schreiben die, Zitat: "Ein Mehrbedarf für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte ist anzuerkennen bei nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, denen der Träger der Sozialhilfe Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 112 des Neunten Buches zahlt, § 23 Nummer 2 SGB II."

Sie beziehen sich also auf eine ganz andere Nummer im § 23 (nämlich die Nr. 2, die mit Eingliederungshilfe zu tun hat) und nicht auf den Absatz 4, den ich wegen der Merkzeichen G/aG für meine Tochter als zutreffend sehe. Ich habe natürlich sofort einen Widerspruch formuliert und auf § 23 Absatz 4 SGB II verwiesen.

Jetzt meine Frage an euch:
Sehe ich das richtig, dass das Jobcenter hier den falschen Paragraphen als Grundlage für die Ablehnung genommen hat? Ist meine Ansicht korrekt, dass für meine 13-jährige Tochter (also nicht erwerbsfähig) mit den Merkzeichen G und aG der § 23 Absatz 4 SGB II (17 % Mehrbedarf) relevant ist und nicht die vom Jobcenter genannte Nummer 2?

Unterlaufe ich hier einem Denkfehler oder hat das Jobcenter einfach nicht richtig hingeschaut? Hatte das schon mal jemand ?

TripleH

Sie ist aber nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des SGB VI. Dazu ist sie mit 13 noch zu jung, da sie aufgrund des Alters bereits nicht erwerbsfähig sein kann.

Haribo

aber ist es für § 23 Abs. 4 SGB II bei meiner 13-jährigen Tochter mit g/aG nicht entscheidend, dass sie als unter 15-Jährige sowieso bereits als nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II gilt ?

Der § 23 Abs. 4 SGB II hat meiner Meinung nach zwei Gruppen im Blick:

1. nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind.
2. allgemein "nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte" (wozu meine Tochter aufgrund ihres Alters zählt).
Habe ich da einen Denkfehler oder wie interpretiert man das dann ?

Sheherazade

Da gibt es nichts zu interpretieren.
Zitat§ 23 Besonderheiten beim Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte
Beim Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 gelten ergänzend folgende Maßgaben:

1.
    Als Regelbedarf wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 6, vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 5 und im 15. Lebensjahr ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4 anerkannt;
2.
    Mehrbedarfe nach § 21 Absatz 4 werden auch bei Menschen mit Behinderungen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, anerkannt, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden;
3.
    § 21 Absatz 4 Satz 2 gilt auch nach Beendigung der in § 112 des Neunten Buches genannten Maßnahmen;
4.
    bei nicht erwerbsfähigen Personen, die voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, wird ein Mehrbedarf von 17 Prozent der nach § 20 maßgebenden Regelbedarfe anerkannt, wenn sie Inhaberin oder Inhaber eines Ausweises nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Absatz 4 oder nach der vorstehenden Nummer 2 oder 3 besteht.
§23 SGB2

Deine Tochter ist garantiert nicht voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch, wie @TripleH schon schrieb. Das Gesetz ist da recht klar.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Haribo

Wäre super, wenn du mir das erklären könntest.

maßgebliche meinte ich ja § 23 Absatz 1 Nummer 4 SGB II. Dieser Teil ist doch auch sehr klar.

Für Kinder unter 15 Jahren wird ein Mehrbedarf von 17 % anerkannt, wenn sie ein G oder aG im Ausweis haben.
In diesem relevanten Teil des Gesetzes steht die zusätzliche Bedingung "voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch" nicht drin.

Ich glaube das von dir zitierte stammte aus einer alten Fassung vor dem Bürgergeld ? Hast du da ne evtl. ne andere Quelle ?
LG

Sheherazade

Zitat von: Haribo am 20. Mai 2025, 23:48:07Ich glaube das von dir zitierte stammte aus einer alten Fassung vor dem Bürgergeld ? Hast du da ne evtl. ne andere Quelle ?

Meine Quelle ist ab solut in Ordnung, lies den Titel des zitierten §en. Vielleicht solltest besser du deine Quelle mal hier verlinken bzw. auf Aktualität überprüfen, denn ich weiß nicht, wovon du hier schreibst.
Zitat von: Haribo am 20. Mai 2025, 23:48:07In diesem relevanten Teil des Gesetzes steht die zusätzliche Bedingung "voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch" nicht drin.

 
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967
"Wir leben in einer Zeit, in der sich Dummheit nicht mehr versteckt, sondern gewählt, bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird."
"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Ottokar

Das Gesetz fordert als Voraussetzung für den Mehrbedarf die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung.
Das diese erst ab dem 18. LJ festgestellt werden kann, ist nirgendwo geregelt.
Sofern also eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt, kann diese jederzeit festgestellt werden. Das Problem ist, dass es keiner macht, weil es kein Gesetz gibt, dass dazu verpflichtet.
Das Verbot lt. § 5 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz, vor dem 15. LJ eine Erwerbstätigkeit auszuüben (Verbot von Kinderarbeit), hat im Übrigen nichts mit der gesundheitlichen Erwerbsfähigkeit zu tun.

Wenn das Kind Leistungen vom JC bekommt, kann diese Feststellung ab dem 15. Lebensjahr durch die DRV erfolgen (§ 109a Abs. 3 SGB VI).
Dazu stellt das Kind bei der DRV einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung (Formulare R0100, R0210, R0215, R0810, R0900) und kreuzt im Formular R0100 unter Punkt 10.5.1 "ja" an. Hier der Link zu den Formularen:
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Formulare/DE/Formularpakete/01_versicherte/02_rente/_DRV_Paket_Rente_Erwerbsminderung.html

Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


TripleH

Die Sache ist bereits höchstrichterlich geklärt:

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/133400

ZitatEin Kind vor Vollendung des 15. Lebensjahrs ist keine "nichterwerbsfähige Person" iS des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II.

Der damalige § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II entspricht dabei dem heutigen § 23 Nr. 4 SGB II.