Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Orakel


Gast22317

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 15:06:52
Zitat von: Gast22317 am 09. Juni 2015, 14:59:24
Die Diskrepanz der Sanktionen zu Art.1 Abs.1, Art.2 Abs.2 S.1 und Art.12GG dürfte dann sichtbar werden.

Ich fange mal "hinten" an: Inwiefern ist Art. 12 GG von Sanktionen berührt???

http://www.sggth.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/A05B178653B7E524C1257E530044189E/$File/Medieninformation%20SG%20Gotha.pdf?OpenElement
Wie Du siehst bestätigt das SG Gotha meine Rechtsauffassung aus einem anderen Thread.

Gast26037

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 13:30:22Ich bin auch dafür, Sanktionen endlich im Grundgesetz zu verankern!

Umkehrschluss, Sanktionen auch für die Entscheider bei Pflichtverletzungen , da das GG jedermann gleichbehandelt.

Artikel 3
.(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Zitat von: Gast18959 am 09. Juni 2015, 15:11:55Auch die von dir vermutete Mehrheit darf die Grundrechte nicht einschränken.

Dann lies doch mal wer darüber entscheidet
(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

Ich sehe nichts von Volksentscheid, somit entscheiden die Gesetzgeber ( Lobbyisten) in wieweit was geändert wird, für das Volk.

                                                          :flag: :flag:

Gast18959

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 15:13:06Welche Pflichtverletzung von wem?

fangen wir jetzt von vorne an ?

https://dejure.org/gesetze/SGB_II/31.html

Orakel

@Einhorn
@mir reichts

Das beantwortet meine Frage nicht! Bis jetzt hat das BVerfG die Auffassung des SG Gotha nicht bestätigt. Es darf daher weiter hinterfragt werden.

Die Grundrechte haben Schutzfunktionen, auch Art. 12 GG. Daraus lassen sich eine Reihe von Ansprüchen unmittelbar ableiten, jedoch nicht die Alimentierung bis die Wunschausbildung oder der Wunscharbeitsplatz gefunden ist.

Es gibt seit 1983 eine sehr unkonventionelle "Kommentierung" des Art. 12 GG - von Herbert Grönemeyer:

"Ich war Vertreter und Trompeter
Alpinist und Sanitäter
Sieben Wochen lang fuhr ich als Koch zur See

Alles hab ich mal geleckt
Mir hat nichts so recht geschmeckt
Mein Achtstundentag läuft auf dem Canapé

Doch auch die Faulenzerei
Ist nicht das Gelbe vom Ei
Denn ein Ziel vor Augen brauchst du schon als Mann

Drum wär ein Job als Millionär
Oder Erdölaktionär
Auch ein Ding, das ich vor mir vertreten kann."

Niemand hat Grönemeyer auf seinem Weg zum Millionär (Erdölaktionär ist er meines Wissens wohl noch nicht) daran gehindert, seinen Lebensunterhalt als Vertreter, Vertreter, Trompeter, Sanitäter und Koch zu verdienen. Es waren zudem seine freien Entscheidungen ...

O.k., 1983 gab's noch kein "Hartz IV", aber das lasse ich jetzt einfach mal unter den Tisch fallen ...

Gast26037

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 15:32:26O.k., 1983 gab's noch kein "Hartz IV", aber das lasse ich jetzt einfach mal unter den Tisch fallen ...
            
         

Und noch mehr Jobs die zur Auswahl standen, um auf den Millionär hinzuarbeiten.
Ist auch unter den Tisch gefallen!  :zwinker:

                                                     :flag: :flag:

Gast35753

Zitat von: Gast36005 am 09. Juni 2015, 12:35:18
.... ... Hä? Dann muss er trotzdem ungekürzte Kohle kriegen? Das hätte das BVerfG geschrieben? Im Ernst? :weisnich:
DAS habe ich bisher noch nirgends gelesen. Bitte mal AZ und RN---dieser phänomenal bedeutenden Aussage. Danke. ...

Ich bin zwar nicht Deine Vorleserin, aber ich gebe Dir mal nur einen Tipp aus der Fülle:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20120718_1bvl001010.html

Ausgehend vom zweiten Leitsatz RZ 91
"...  Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt ..."
... und nachfolgende Randziffern bis 93

Und auch hier wurde man schon im Jahr 2010 fündig, zum Beispiel in der RZ 133 bis 136:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html
Besonders ragt auch mit Hinweis auf ausdrückliche Verfassungswidrigkeit die RZ 137 heraus.

Du solltest auch mal den Hinweisen folgen, die in den Urteilen und Randziffern benannt sind. Diese führen in der Regel immer wieder zu aufschlussreichen Begründungen und der Ist-Stand baut immerhin darauf auf.

Ich hoffe, dass Du die deutschen Begrifflichkeiten und Formulierungen "stets", "unverfügbar", "unabweislich", "muss eingelöst werden" auch entsprechend verstehen kannst. Wenn nicht, suche Dir eine Vorleserin oder einen Vorleser besser in einem linguistischen Forum   :zwinker:

Was man beachten sollte, wenn man über die Grundrechte diskutieren will:
Sie teilen sich grob in
1. Freiheitsgrundrechte: in diesen Grundrechten werden die Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat gewährt (z.B. Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Pressefreiheit in Art. 5 GG). Sie zielen vornehmlich auf staatliches Unterlassen ab. Das meint: Der Staat hat es zu unterlassen, diese Rechte einer Gruppe oder Einzelnen abzusprechen!
2. Gleichheitsgrundrechte: diese gewähren dem Individuum die Gleichbehandlung vor dem Gesetz (z.B. durch die Gleichberechtigung und den Gleichheitssatz in Art. 3 GG)
3. Teilhaberechte: diese gewähren dem Individuum Mitwirkungsrechte gegenüber staatlichem Verhalten (z.B. durch das Petitionsrecht in Art. 17 GG)

Diese Rechte stehen jeder Bürgerin und jedem Bürger uneingeschränkt zur Verfügung. Sie stehen in keiner Weise zur Disposition (Ausnahmen sind mit Zitiergebot zu kennzeichnen oder bedürfen einer richterlichen Entscheidung)!
@Orakel, ich würde es doch vorziehen, die Entscheidungen des BVerfG in dem Zusammenhang vorrangig zu betrachten, soweit sie schon gefällt sind.
Mir ist nicht bekannt, dass Herbert Grönemeyer als Verfassungsrichter berufen wurde, auch und vorallem nicht mit diesem Text  :zwinker:

Gast18959

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 15:32:26O.k., 1983 gab's noch kein "Hartz IV", aber das lasse ich jetzt einfach mal unter den Tisch fallen ...

1983 gab es auch noch kein höchstrichterlich festgestelltes Grundrecht auf die Gewährung der (KOMPLETT) lebensnotwendigen Mittel.
Das lass ich keinesfalls unter den Tisch fallen.

Gast22317

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 15:32:26
@Einhorn
@mir reichts
Das beantwortet meine Frage nicht!

§ 10, § 15 i.v. § 31 SGB II
Siehe auch Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.Dezember 1966  und  No. 19 UN Bericht im Beitrag #211

Ob sich das BVerfG anschließt ist natürlich offen.

AlterGaul

Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 15:39:55

1. Freiheitsgrundrechte: in diesen Grundrechten werden die Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat gewährt (z.B. Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Pressefreiheit in Art. 5 GG). Sie zielen vornehmlich auf staatliches Unterlassen ab.
Wieso haben Beamte, Richter und Soldaten als Bürger des Staates keine komplette Meinungs- oder Pressefreiheit?
Genau diesen oben genannten Gruppen werden die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit abgesprochen, sobald dienstliche Belange betroffen sind. Dieses ist eine Einschränkung des Grundrechts und steht im Widerspruch deiner getätigten Aussage. Ob es einem passt oder nicht, es gibt noch mehr einschränkbare Grundrechte.

ZitatGrundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 2
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Dieses ist bei Soldaten eingeschränkt, denn das steht im krassen Widerspruch zu ihrem Auftrag.

ZitatDas meint: Der Staat hat es zu unterlassen, diese Rechte eine Gruppe oder Einzelnen abzusprechen!
Wieso ist das bei den oben genannten Personengruppen der Fall?

Demnach ist das was du da schreibst falsch! Ich wiederhole mich mal wieder, lese dir erstmal Wissen in Staatsrecht an, bevor du solche falschen Aussage hier triffst.
"The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants."
Thomas Jefferson

Gast35753

Zitat von: AlterGaul am 09. Juni 2015, 15:52:42
... Demnach ist das was du da schreibst falsch! Ich wiederhole mich mal wieder, lese dir erstmal Wissen in Staatsrecht an, bevor du solche falschen Aussage hier triffst.

Das was ich falsch aufgeschrieben habe, lernen heute Juristen im ersten Semester, also wenn sie über die Zeit des BSHG hinaus heute ein Studium beginnen.
Seit wann haben Richter und/oder Strammsteher und Totschiesser keine Presse und Meinungsfreiheit? Man kann sogar Strammstehen und Richter werden ablehnen und eine andere Wahl treffen!
Bei der Wehrmacht und in den Zeiten des Volksgerichtshofes, lieber AlterGaul, war das sicherlich noch anders. Guck mal wieder auf den Kalender  :empathy:

Orakel

Zitat von: Gast18959 am 09. Juni 2015, 15:59:30
Genau wie Berlit gehst du davon aus:

Danke für die Blumen! Ich selbst maße mir nicht an, mich mit Berlit auf eine Stufe zu stellen. Seine Meinung hat allerdings für mich schon Gewicht.

Gast35753

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 16:02:51
... Danke für die Blumen! Ich selbst maße mir nicht an, mich mit Berlit auf eine Stufe zu stellen. Seine Meinung hat allerdings für mich schon Gewicht.
... hier im Forum nachzulesen augenscheinlich nicht nur seine Meinung. Aber genau deshalb gibt es ja Diskurse. Den zum Beispiel zwischen Berlit und Neskovic.
https://www.youtube.com/watch?v=G_hOshhYj2c
Nun brauchen wir noch ein wenig Geduld, bis das BVerfG vielleicht Antworten liefert und ausgehend von der Mitteilung von Gegen-Hartz, lässt sich vielleicht noch ein oder zwei Sozialgerichte mehr interessieren  :bye:

AlterGaul

Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 16:01:53
Das was ich falsch aufgeschrieben habe, lernen heute Juristen im ersten Semester, also wenn sie über die Zeit des BSHG hinaus heute ein Studium beginnen.
Du willst mir erzählen, dass die Studenten das falsche, was du aufgeschrieben hast im ersten Semester Jura lernen?
Ich spreche von:
Zitat1. Freiheitsgrundrechte: in diesen Grundrechten werden die Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat gewährt (z.B. Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Pressefreiheit in Art. 5 GG). Sie zielen vornehmlich auf staatliches Unterlassen ab. Das meint: Der Staat hat es zu unterlassen, diese Rechte einer Gruppe oder Einzelnen abzusprechen!
Wenn der Staat es doch zu unterlassen hat diese Grundrechte abzusprechen, wieso tut er das doch bzw. schränkt sie ein? Das sogar mit Legitimierung des GG? Das erkläre mir doch mal bitte. Ich habe dir sogar noch Beispiele aufgeführt für wen er das tut.

Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 16:01:53
Seit wann haben Richter und/oder Strammsteher und Totschiesser keine Presse und Meinungsfreiheit? Man kann sogar Strammstehen und Richter werden ablehnen und eine andere Wahl treffen!

Du solltest meinen Post auch richtig und gewissenhaft lesen. Ich schrieb bei dienstlichen Belangen ist die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt.
Extra gegen deine Leseschwäche habe ich dir natürlich eine Quelle gesucht:

Zitat- Meinungsfreiheit
Obwohl dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 zufolge ,,jeder" das Recht hat, seine Meinung frei zu äußern, kann von Beamten das Recht der freien Meinungsäußerung nur im
Rahmen ihrer besonderen Treuepflicht zum Staat wahrgenommen und ausgeübt werden. Zu dieser Auffassung kommt das Bundesverfassungsgericht in seiner Abwägung zwischen dem individuellen Freiheitsrecht auf Meinungsäußerung und der Institutionalisierung des Berufsbeamtentums. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden:,, Jedes Verhalten, das als politische Meinungsäußerung gewertet werden kann, ist nur dann verfassungsrechtlich durch Art. 5 GG gedeckt, wenn es nicht unvereinbar ist mit der in Art. 33 GG geforderten politischen Treuepflicht des Beamten. Im konkreten Fall ist dann die Vereinbarkeit der Äußerung mit der politischen Treuepflicht des Beamten nach dem Grundsatz, dass rechtlich begründete Grenzen des Art. 5 GG im Lichte des durch sie begrenzten Grundrechts auszulegen sind, zu entscheiden."
Quelle: Einschränkung Art.5 GG
"The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants."
Thomas Jefferson

Hexe

Zitat von: AlterGaul am 09. Juni 2015, 14:23:21Zitat von: blablabla am Heute um 14:08:09Das wäre nur eine Frage der Zeit; sobald von Gerichten Sanktionen verboten und faktisch ein BGE für Bedürftige eingeführt würde, könnte man das Grundgesetz locker anpassen; in Bundestag und Bevölkerung gibt es die entsprechenden, deutlichen Mehrheiten dazu.


So lange man seine Hilfebedürftigkeit nachweisen muss, haben wir kein BGE.
Selbst wenn die Sanktionen abgeschafft wären.Das Zauberwort heißt Bedingungslos !
LG Hexe
Ich erteile keine Rechtsberatung sondern gebe nur meine eigene Erfahrung weiter