Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Gast18959

Zitat von: Orakel am 09. Juni 2015, 16:02:51Seine Meinung hat allerdings für mich schon Gewicht.

So what, jedem seine Götzen.

hier mal ne Meinung von Berlit:

7.2
es ist grundsätzlich dem gesetzgeber überlassen, ob er das existenzminimum durch geld-,
sach- oder dienstleistungen sichert. 96 seiner grundrechtlichen schutz- und Leistungs-
pflicht kann er daher auch dadurch nachkommen, dass er sachleistungen gewährt. hier mag es äußerste

grenzen – auch bei längerfristiger Bedarfsdeckung allein durch sachleistungen - geben,

weil diese form der Bedarfsdeckung faktisch nicht diskriminierungsfrei organisierbar ist

und den bei der regelbedarfsbemessung vorausgesetzten internen Ausgleich erschwert.

dies ändert aber nichts daran, dass diese form der Leistungsgewährung geeignet ist, eine auch in
fällen abgesenkter Schutzverpflichtung fortbestehende Gewährleistungspflicht des Staates zu erfüllen.


Fazit
es existiert eine abgesenkte Schutzpflicht und die Gewährleistungspflicht kann auch in diskriminierender Form abgegolten werden.

Gast36005

Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 15:39:55
Ich bin zwar nicht Deine Vorleserin, aber ich gebe Dir mal nur einen Tipp aus der Fülle:
wenn jemand als HB nicht ...verwiesen werden darf auf frw. Leistungen anderer---und der Leistungsanspruch so sein muss, dass er stets usw....den Bedarf deckt...
JA, da ist mir klar. Das verstehe ich sogar!
Du aber hast geschrieben: guck selber nach. DA steht was ganz anderes, und das bedeutet also auch ganz was anderes.
Die Typen im BVerfG kennen wohl ihre eigenen *eindeutigen* Entscheidungen nicht???
So willst du das hier verklickern. Nur zu.
Warten auf Godot oder die Entsch. zur Gothaer Vorlage---was denn sonst.

Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 15:39:55Was man beachten sollte, wenn man über die Grundrechte diskutieren will:
Also ich bin nur ein einfacher Bürger. Ich nehme das GG an und will eigentlich gar nicht gross darüber diskutieren (man sieht doch jetzt wirklich, dass NICHTS bei raus kommt). Mein GG (Ausgabe 2007) ist geteilt in
I.Grundrechte (Art.1-19)
II. Der Bund und die Länder (Art.20-37)
III.Der Bundestag (Art. 38-49)
IV. Der Bundesrat (Art. 50-53)---usw. bis zu XI. und Art. 149

Wenn ich nicht inzwischen im falschen Film bin und nicht das falsche GG zur Hand habe, dann verstehe ich deine Teilungen gar nicht.
Bisher  (so schriebst DU) gings um die Grundrechte, die unveräusserlichen. Eben im Hinblick auf das Exminimum und Sanktionen für Pflichtverletzungen und das SGB II.

Mir scheint, alle haben ein eigenes GG, deshalb ist auch der Streit um *richtig* und *falsch* hier an der Tagesordnung.
...und beim BVerfG scheinbar auch?
-------------------------------

Ich verlasse diesen Thread und wünsche der geduldigeren Fraktion: Frohes Schaffen auf all euren Wegen.
:flag:

Gast35753

Zitat von: Gast36005 am 09. Juni 2015, 17:08:44
.... Die Typen im BVerfG kennen wohl ihre eigenen *eindeutigen* Entscheidungen nicht???
So willst du das hier verklickern. Nur zu. ...

Ich verklickere Garnichts, sondern kann nur auf die Kontinuität der Urteile des BVerfG verweisen.
Ich habe noch eine Lesestelle für Dich, die den Zusammenhang bisher erhärtet, eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung aus dem Jahr 2005, gleich nach Einführung von Hartz IV und damals noch nicht so intensiv sanktioniert:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20050512_1bvr056905.html
Lese hier mal die Randziffer 28, sehr spannend  :zwinker:
Das BVerfG urteilte hier:

Zitat... (1) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerfGE 35, 202 <235> ). Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, soweit es um die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller geht, nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden darf. Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit selbst als auch für die Überprüfung einer Obliegenheitsverletzung nach §§ 60, 66 SGB I, wenn über den Anspruch anhand eines dieser Kriterien entschieden werden soll. Aus diesen Gründen dürfen existenzsichernde Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen. ...
Die Kürzung einer unabweisbaren und unverfügbaren Leistung ist auch dort nicht festgeschrieben.


Diskus

Aktenzeichen der Richtervorlage
im Bundesverfassungsgericht:
1 BvL 7/15

Quelle

Diskus
"Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren." Mahatma Gandhi (1869-1948)

Gast35753

#364
Zitat von: Diskus am 09. Juni 2015, 17:50:37
Aktenzeichen der Richtervorlage ...

... leider aber noch nicht im öffentlichen Verfahrensregister ...
Den Vorlagebeschluss gibt es hier:
http://www.sggth.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/$$webservice?openform&sggotha&entscheidungen

Interessant hier, dass auch auf Seite 21 der geliebte Prof. Berlit zitiert wird, mit einer anderen Meinung als hier im Thread in einem Diskurs verlinkt ... Natürlich kann auch ein Professor seine Meinung revidieren.

Und was es sonst noch zu dem Thema gibt:
https://www.jungewelt.de/2015/06-09/037.php

Zitat...Strafe schafft Obdachlosigkeit

Nach Gothaer Sozialgerichtsbeschluss fordert Altenburger Landrätin Jobcenter auf, die Sanktionspraxis zu beenden – und bekommt Gegenwind...

Gast22317

Im Lehr- und Praxis Kommentar zu SGB II (LPK-SGB II Hrsg. Münder) äußert sich Berlit in seinen Kommentaren zu § 31 und § 15 auch schon bedenklich, lehnt sich dort aber leider nicht weit aus dem Fenster.

Gast16739

Zum Thema
ZitatBisher keine Widerspruchswelle erkennbar

Betroffene werden indessen in den Hartz-IV-Foren aufgefordert, erst einmal Widerspruch gegen alle Sanktionen einzulegen. Die Nachfrage von MDR INFO bei den Jobcentern in Halle, Leipzig, Erfurt und Mansfeld-Südharz aber ergab, dass bislang keine vermehrten Widersprüche eingehen
Quelle
Viel nehmen es einfach hin !

Gast13437

@Rolo   :mail:    :smile:   

Strafe schafft Obdachlosigkeit: Nachdem das Gothaer Sozialgericht die Sanktionsmöglichkeiten im Sozialrecht vor knapp zwei Wochen für verfassungswidrig erklärt und die Frage nach Karlsruhe überwiesen hatte, forderte Sojka das Amt im eigenen Landkreis auf, ab sofort keine finanziellen Strafen gegen Erwerbslose mehr zu verhängen. .... Prompt erhielt sie Post vom Personalrat der Behörde. Der warf ihr unter anderem vor, die Arbeit der Beschäftigten des Altenburger Jobcenters zu diskreditieren.

Typisch JC. Dulden wie Diktatoren keine Kritik, verwechseln im Stil von beleidigten Leberwürsten ihre unhaltbaren Vorwürfe mit Argumenten und verfahren ohne sich ums GG zu scheren nach dem Motto "immer-weiter-so", solange noch die Möglichkeit besteht Gelder abzuzocken.

Die Arbeit wird durch SB diskreditiert, die mündige Bürger als Unfreie behandeln, weil dies so im SGB steht. Der Personalrat ist aufgefordert statt Protestbriefe auf berechtigte, dringend notwendige Kritik zu verfassen, sich und seine JC-Kollegen an die Pflicht zur Remonstration zu erinnern. Das GG steht über dem SGB und auch im Volksmund heißt es aus gutem Grund: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. - Oder wie wäre es, wenn SB mit ihrem Einkommen für ihre Fehler haften und im Falle von Unregelmäßigkeiten abzüglich ihres Lohns den Betrag erhalten, den ein Sanktionierter zur Verfügung hat? Selbstredend für den gleichen Zeitraum.


Gast18959

Zitat von: Gast16739 am 09. Juni 2015, 19:08:19Viel nehmen es einfach hin !

Liegt möglicherweise an fehlender Bekanntheit.
Ausser beim MDR habe ich bei keinem Fernsehsender eine diesbezügliche Meldung gesehen.
Lediglich die onlineausgaben der Zeitungen und Funksender haben einmalig darüber berichtet.
Erstaunlich eigentlich bei der möglichen Tragweite.
Ich hatte einen kräftigen shitstorm unserer staatstragenden Medien erwartet - aber nix is

:weisnich:

Gast35753

Zitat von: Gast16739 am 09. Juni 2015, 19:08:19
... Viel nehmen es einfach hin !

Das ist das Dilemma, denn diejenigen die sich zur Wehr setzen, werden in der Regel nicht sanktioniert. Mit denen lässt sich ja auch kein Geld für die Jobcenterleiterprämie einsparen. Leider finde ich bislang auch hier im Forum zwar Diskurse über Sanktionen, aber im Grunde keinen Hinweis in den entsprechenden Threads zu der Entscheidung des SG Gotha. Aber auch das ist sicherlich schwierig, denn immer der Betroffene muss zu dem Vorgehen auch stehen.

Gast2063

#370
@Rolo schrieb:
Mal am Rande.......

Das ist ja genial, ich musste Tränen lachen - danke dafür!  :ok:  :lachen:

[... ist aber leider im Zuge von Entshredderung im Löschsumpf für Unsachlichkeiten versunken. Sorry ... LG Elsi  :bye:]


———
Strafe schafft Obdachlosigkeit:
Der warf ihr unter anderem vor, die Arbeit der Beschäftigten des Altenburger Jobcenters zu diskreditieren.


Seit wann brauchen die Mobcenter jemand von außen um ihre ,,Arbeit" zu diskreditieren?
Sie haben in dieser Disziplin unerreichte Perfektion geschaffen.

Die beliebte Sanktionslotterie schafft nicht nur Freunde. Und werden sie in ihrem munteren Treiben mal gestört, reagieren sie auch noch pikiert.  :wand:
Aber man kennt das ja aus dem TV: Nur die Quote zählt.

Gast26037

#371
Zitat von: Gast35753 am 09. Juni 2015, 19:30:21Das ist das Dilemma, denn diejenigen die sich zur Wehr setzen, werden in der Regel nicht sanktioniert.

Richtig, die werden eher mit verzögerten Auszahlungen oder Ablehnungen von Anträgen unterdeckt um ja noch Gelder einzusparen!

@ Gisele,
:ironie:
man muss bedenken das ja noch mehr Landräte es ihr gleich tun könnten und bis zur Entscheidung des BVerfG die Sanktionen auszusetzen. Was das wieder kostet.                                         

Gast18959


Gast29263

Musst ihn komplett kopieren und in die Browserzeile einfügen, dann funzt et.