Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Gast29263


Gast36005

Zitat von: rubbel am 04. Juni 2015, 11:00:00
Dies lässt sich sehr gut an der Stellungnahme des BA-Mitarbeiters erkennen.
Zitat: "Mit der Sanktion werden die Menschen ja nicht bestraft."
Soviel zur Sichtweise des JC.
1 Mitarbeiter von 1 JC---was soll daran allgemeingültig sein?
NICHTS!!
Natürlich ist eine Sanktion eine Strafe---für die Nichtbefolgung der Regeln. (Sagt er übrigens auch)

Atalante

bissel :offtopic:

Zitat: "Mit der Sanktion werden die Menschen ja nicht bestraft."

Das nit, aber dressiert erzogen, und darum gehts, wenn das Damoklesschwert der Existenzvernichtung ständig über einem schwebt, dann wird eher gekuscht und man wagt nicht, Menschenrechte  (oder zumindest einen fairen Lohn bei einer Arbeit) einzufordern, weil man immer Angst haben muss, wegen Nichtigkeiten von einem, sich als Herr über Leben und Tod sehenden SB seiner Existenzgrundlage beraubt zu werden (auch und gerade, wenn man auf diese Existenzsicherung angewiesen ist, weil der heutige WildWest-Arbeitsmarkt schlicht und ergreifend keine/nicht genug Stellen mit existenzsichernden Löhnen hergibt!).
Allein die Tatsache, dass selbst an dieses ExistenzMINIMUM noch Hand angelegt werden kann, hält Betroffene in ständiger Angst, bloß nix "falsch zu machen", wobei bei einigen Willkür-SBs hier auch die Gesetze wurscht sind, bzw. diese so windelweich formuliert sind, dass die SBs quasi jeden Pups des Betroffenen zum Sanktionsgrund umstricken können, und die Sanktion kommt erstmal, wenn man die Kraft hat, dagegen vorzugehen, dauert es, bis man Recht bekommt, die Sanktion läuft aber weiter und das Geld fehlt für den Sanktionszeitraum erstmal, selbst, wenn man es nach gewonnenem Rechtsstreit nachgezahlt bekommt. 

Weitergedacht gehts doch mit der ganzen Maschinerie HartzIV doch darum:
"der Wirtschaft" Sklaven zuzuschanzen, die arbeiten wie die Brunnenputzer, kaum was kosten und die Fresse halten, wenn man ihnen noch in den Arsch tritt, und eben weil man diesen Pool an Humanmaterial verfügbar hat, welches man mittels Androhung der Existenzvernichtung in jedes noch so miese Beschäftigungsverhältnis pressen kann, erhöht sich auch der Druck auf die, die (noch) regulär in diesen Betrieben arbeiten. Mit dem Druckmittel des "da stehen zig andere, die diesen Job für weniger Geld machen" lassen sich Lohnerwerbstätige eher davon "überzeugen", dass sie noch ein paar unbezahlte Überstunden dranhängen, dann doch mal den Urlaub nicht nehmen usw. usw...
Und damit die Wut über die eigene bescheidene Situation nicht dazu führt, die Brocken hinzuschmeißen bzw. die Wut gegen den Ausbeuter zu richten, wird eben immer mal wieder lanciert, dass diese HartzIV-Schmarotzer faule Dreckschweine sind, damit der Ausgebeutete dann bei sich denkt: " Und ich stehe jeden Morgen um 5 auf, um solchen faulen Drecksäuen das süße Nichtstun zu finanzieren" und das ist genau so gewollt, die Wut auf die kanalisieren, die nix dazu können...

MfG
-_-

Gast2063

@Atalante:  :ok:

Zwei zentrale Denkweisen ,,schmücken" die Hass4-Schandgesetze:

Sozial ist was Armut schafft

Hartz-4-Betroffene fordern und das Kapital fördern.

MichaK

Zitat von: Gast2063 am 04. Juni 2015, 13:54:57


Sozial ist was Armut schafft



Das liegt (satirische Lesung vorausgesetzt) in der Produktionsweise begründet, H4 ist "nur" ein Instrument unter Anderen. Allerdings ist H4 nicht typisch für den Kapitalismus. Es handelt sich um eine Zwangsarbeit, insofern die Sanktionen zwingen entweder zu tun, was angeordnet ist, oder ein Dasein zu führen, was Teilhabe ausschließt, ausgestoßen zu sein. Das typische Instrument des Kapitalismus ist eigentlich die Mehr(wert)arbeit des "freien" Lohnarbeiters, der sich seine Tätigkeit und seinen Ausbeuter selbst auswählen darf.

Genau darüber muss das BVerfG nun befinden. Sprich: Das BVerfG wird natürlich nicht die Produktionsweise (Lohnarbeit) für verfassungswidrig erklären, aber eventuell eine abweichende Praxis (Zwangsarbeit).

Hexe

Ich erteile keine Rechtsberatung sondern gebe nur meine eigene Erfahrung weiter

Ottokar

Zitat: "Mit der Sanktion werden die Menschen ja nicht bestraft."

Duden

Sanktion
(Völkerrecht) Maßnahme, die zur Bestrafung angewandt wird.
(Soziologie) Reaktion, mit der ein bestimmtes Verhalten bestraft wird
(bildungssprachlich) Maßnahme zur Bestrafung

Synonyme
Abstrafung, Bestrafung, Strafaktion, Strafe, Strafmaßnahme




Etwas Allgemeinwissen und -bildung sollte man von einem erwachsenen Menschen schon erwarten können.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.



Gast35753

Zitat von: Orakel am 04. Juni 2015, 19:30:33
... Und damit soll nun welcher Beweis erbracht sein???

Vielleicht nur der Umstand, dass die 631 Königinnen und Könige trotz Verfügbarkeit eines "wissenschaftlichen Dienst" vor Ort und trotz mehrfach angeblich abgeschlossener Ausbildung als Juristen nicht nur einmal in der Vergangenheit geirrt haben und Verfassungsbruch begangen hatten. Einfach durchwinken führt zu solchen Ergebnissen, dieses wohl an der Liste ersichtlich mit Kontinuität.
Das kommt auch dabei raus, wenn zum Beispiel bei Anhörung zu Sanktionen vom sozialpolitischen Sprecher der CDU statt aus dem Grundgesetz aus der Bibel zitiert wird.  :mocking:
Irren ist aber menschlich. Das macht die 631 Königinnen und Könige auch so liebenswert  :zwinker:

MichaK

Zitat von: Ottokar am 04. Juni 2015, 19:09:56
Etwas Allgemeinwissen und -bildung sollte man von einem erwachsenen Menschen schon erwarten können.

Das Wissen mag ja durchaus vorhanden sein, aber es darf halt nicht sein, was dem herrschenden Gedanken nicht entspricht. Daher finden sich dafür die Umschreibung "Konsequenz" oder "Wiedergutmachung!", "Entzug von Privilegien" etc..
Mal "Time-Out-Technik" googeln. :grins:

Hexe

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blablabla

Allerdings sind die knapp 130 verfassungswidrigen Paragraphen nur ein winzig-kleiner Anteil der in den 25 Jahren verabschiedeten Gesetze.
Wenn man also jetzt mit der Fehlerquote des Gesetzgebers argumentieren will, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass Sanktionen verfassungswidrig sind, sehr, sehr nah bei 0% liegen. 

Gast35753

Naja, die 130 Verfassungswidrigkeiten haben in der Regel auch Flurschaden angerichtet. Dieses ist garantiert nicht die Aufgabe im Kaisersaal. Da steht über dem Giebel deutlich geschrieben: "Dem Deutschen Volke" und ein Teil der Regierungsthronbestimmungen lautet wohl oder übel, "Schaden vom Deutschen Volk abwenden" ...
Dazu kommt auch, dass man von einem "Hochleistungsträger" immerhin auch Spitzenleistung mit Kompetenz erwarten darf und wie oft im Leben entscheidet zuletzt nicht die Quantität, sondern die Qualität.
Aber nett @blablabla, dass Du hier spekulieren möchtest. Andere sind bereit für ihr Recht zu streiten  :zwinker:

Hexe

Radio Dreyeckland
Ab Minute 10:30 wie war !

Gestern am 3.6.15  hat das Sozialgericht Gotha die Richtervorlage in Karlsruhe eingereicht! :-)
Bei Wir -sind- Boes zu finden.

LG Hexe
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Gast18959

@Hexe
Das hatte die oldhoefi bereits verlinkt.

Ist aber aufschlussreich.

Zum Thema unterschied von "Pflichten" und "Obliegenheiten" hatte sich mal Ex-Verfassungsrichter Prof. Papier geäussert.

zitat:
"Welt am Sonntag : Wäre eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger verfassungsgemäß?

Papier : Juristisch handelt es sich genau genommen nicht um "Pflichten", sondern um "Obliegenheiten" zur Erlangung einer Leistung. Und die sind im geltenden Recht durchaus schon vorgesehen. Wer eine zumutbare Arbeit ohne triftige Gründe ablehnt, muss mit einer Leistungskürzung rechnen. Sozialleistungen des Staates sind prinzipiell subsidiärer Natur, sie sollen nur dann gezahlt werden, wenn jemand in einer Notlage ist, aus der er mit eigener Kraft nicht herauskommt. "

http://www.welt.de/politik/deutschland/article6587967/Bundesrichter-mahnt-moderate-Steuersaetze-an.html

Aus welchem Grundgesetz er diese "Obliegenheit" ableitet, hat er leider nicht gesagt. Aus Art. 12 sicher nicht
Schaut man ins juristische Wörterbuch, so ist die Obliegenheit eine Rechtspflicht.
Laut Papier ist es also kein Pflicht zugewiesene Arbeit anzunehmen sondern eine Pflicht.   
                                             :scratch: