Abhilfebescheid ohne Rechtsbehelf und Kostenentscheidung

Begonnen von hko, 13. März 2022, 17:42:37

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hko

Hallo,

was tun, wenn man einen Abhilfebescheid ohne Rechtsbehelf und Kostenentscheidung erhält?

Inhalt etwa: Wir können Ihren Widersprüchen gegen ... abhelfen. Wir erkennen ab Januar 2022 die Heizkosten in voller Höhe an.

Es fehlen Rechtsbehelf und Kostenentscheidung.

Gruß hko

Nirvana


hko

Zitat von: Nirvana am 13. März 2022, 19:06:01
Was möchtest Du denn erreichen?
Durch die notwendigen Widersprüche wegen Kürzungen der Heizkosten sind uns Kosten entstanden. Die sollte das Sozialamt meiner Meinung nach zahlen. Ich vermute, dass die sich davor drücken wollen.

Gruß hko

Ottokar

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hko

Zitat von: Ottokar am 14. März 2022, 10:20:22
Was ist das, ein Brief?
Hallo Ottokar,

der Abhilfebescheid ist als Brief gekommen.
Unsere Widersprüche haben wir als Fax gesendet.

Gruß hko

Ottokar

#5
§ 63 SGB X regelt, dass bei einem Abhilfebescheid die Kosten des Vorverfahrens zu erstatten sind. Das JC muss somit im Abhilfebescheid keine Entscheidung zu den Kosten treffen (vgl. § 85 SGG), diese erfolgt erst, wenn man beim JC die Kostenerstattung geltend macht.
Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung führt (ebenso wie eine unrichtige) lediglich dazu, dass die Widerspruchs- und Klagefrist statt einem Monat ein Jahr beträgt (§ 66 Abs. 2 SGG).
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hko


Flip

Nach der Kommentarliteratur muss im Abhilfebescheid eine Kostenentscheidung getroffen werden, sonst ist der Widerspruch gar nicht erledigt. Macht die abhelfende Stelle keine Kostenentscheidung, muss dies die Widerspruchsstelle tun:

ZitatErgeht kein Widerspruchsbescheid, weil dem Widerspruch abgeholfen oder das Verfahren durch Vergleich erledigt wurde, so kann die Widerspruchsstelle auch keine Kostenentscheidung im Rahmen eines Widerspruchsbescheids treffen. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens ist wie folgt zu differenzieren: Ist ein Abhilfebescheid ergangen, so hat die Kostenentscheidung in ihm zu erfolgen. Andernfalls ist, wenn der Widerspruchsführer dies beantragt, in einem gesonderten Verwaltungsakt eine Kostengrundentscheidung zu treffen. Zuständig ist die Behörde, die den verfahrensbeendenden Bescheid erlassen hat, also ggf. die Ausgangsbehörde (vgl. Dürr in Knack/Hennecke, VwVfG, § 80 Rz 24); wenn die Ausgangsbehörde keine Entscheidung trifft, bleibt es bei der Zuständigkeit der Widerspruchsstelle (siehe Rz 21).
20
Ist ein Abhilfebescheid ergangen, so hat die Kostenentscheidung in ihm zu erfolgen. Dies folgt für Vorverfahren nach der VwGO aus der gesetzlichen Anordnung des § 72 VwGO, die für Vorverfahren nach dem SGG aufgrund der in dieser bestehenden Regelungslücke entsprechend gilt, zumal für diese Regelung auch Gründe der Verwaltungsvereinfachung und Konzentration des Verfahrens sprechen (§ 9 S. 2 SGB X) (in diesem Sinne auch für das Verhältnis Prüfungsausschuss/Berufungsausschuss im Vertragsarztrecht: BSG vom 31. 5. 2006 - B 6 KA 78/04 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 4 Rz 17). Ergeht - aus welchen Gründen auch immer - in einem Abhilfebescheid keine Kostengrundentscheidung, so ist ein Widerspruch gegen ihn wegen des Fehlens der Kostengrundentscheidung unzulässig, weil insofern (überhaupt) keine Entscheidung vorliegt und auch nicht vorliegen muss (BSG vom 17. 10. 2006 - B 5 RJ 66/04 R).
21
Ergeht in einem Abhilfebescheid keine Kostengrundentscheidung oder tritt eine Erledigung des Vorverfahrens ohne Widerspruchsbescheid oder Abhilfebescheid ein, ist das Vorverfahren nicht vollumfänglich erledigt und es bleibt es bei der Zuständigkeit der Widerspruchsstelle (Hessisches LSG vom 26. 9. 2007 - L 4 KA 15/07), diese Entscheidung zu treffen. Daran vermag auch die Pflicht der Ausgangsbehörde im Abhilfebescheid eine Kostenentscheidung zu treffen (siehe zuvor) nichts zu ändern, weil der Bürger mangels der dann nicht vorliegenden vollen Abhilfe schon aus Gründen der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht wieder an diese Behörde zu verweisen ist. Weigert sich die Widerspruchsstelle eine Kostenentscheidung zu treffen, so kann der (frühere) Widerspruchsführer insofern Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erheben (vgl. Roos in v. Wulffen/Schütze, SGB X, § 63 Rz 38).
(Prof. Dr. Peter Becker in: Hauck/Noftz SGB X, § 63 Erstattung von Kosten im Vorverfahren, Rn. 21)

Du müsstest also die Behörde anschreiben, dass die Kostenentscheidung fehlt. Sollte sie dann immer noch auf sich warten lassen, kannst du nach 3 Monaten Untätigkeitsklage erheben.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist bei einer Vollabhilfe nicht vorgesehen, da ja dem Widerspruch voll statt gegeben wurde, mithin weitere Rechtsmittel eigentlich unnötig sind. Gegen was will man klagen, wenn man alles bekommen hat, was man wollte?

Zitat von: hko am 14. März 2022, 08:33:23Durch die notwendigen Widersprüche wegen Kürzungen der Heizkosten sind uns Kosten entstanden. Die sollte das Sozialamt meiner Meinung nach zahlen. Ich vermute, dass die sich davor drücken wollen.

Du willst also quasi einen Schadensersatz. Das hat nichts mit den Kosten des Widerspruchs zu tun. Dazu müsstest du einen Amtshaftungsanspruch geltend machen.



Ottokar

Im Gegensatz zu § 72 VwGO regelt § 85 SGG gerade nicht, dass (auch) eine Kostenentscheidung zu treffen ist. Das muss es auch nicht, da § 63 SGB X bereits die Pflicht zur Kostenerstattung regelt, somit bedarf es hier keiner Kosten(Grund)entscheidung.
Alle Zitate stellen folgerichtig auch auf § 72 VwGO ab, anzuwenden ist hier jedoch § 85 SGG sowie § 63 SGB X, da für das SGB II die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist und nicht die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Flip

Das ist die Kommentierung zum § 63 SGB X. Ich glaube einfach mal, was Prof. Dr. Becker da so geschrieben hat...

Auch das BSG sieht das anscheinend so:

https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/65429?modul=esgb&id=65429

ZitatWendet sich ein Betroffener mit seinem Widerspruch nur gegen die fehlende Kostenentscheidung in einem Abhilfebescheid und weist die Beklagte den Widerspruch aus diesem Grunde als unzulässig zurück, so sind Kosten für die Durchführung dieses Widerspruchsverfahrens nicht zu erstatten 

ZitatSach- und Kostenentscheidung sind rechtlich selbstständige Entscheidungen. Dabei dürfte es letztlich nur eine Frage der Bezeichnung sein, ob sie - soweit in demselben Dokument enthalten - als Einzelregelungen oder Verfügungssätze eines "Verwaltungsaktes" angesehen werden, der das Dokument als Ganzes umschreibt (so BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 116) oder ob sie als zwei selbstständige (materielle) Verwaltungsakte in demselben "Bescheid" aufzufassen sind (in dieser Richtung wohl BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 22 f; s auch Wolff/Bachof/Stober, aaO, § 46 RdNr 28; P. Stelkens/U. Stelkens, aaO, § 35 RdNr 32). Die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung ergibt sich stets allein aus den rechtlichen Anforderungen, die das Gesetz jeweils an diese stellt, wohingegen sich die Kostenentscheidung iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X nach den dort normierten Vorgaben richtet. Die Kostenentscheidung ist nicht Teil der Sachentscheidung, sondern zusätzlich zu treffen. Ist sie unterlassen worden, macht dies die Sachentscheidung nicht rechtswidrig und damit anfechtbar; vielmehr ist die unterbliebene Kostenentscheidung mit der Verpflichtungsklage zu erwirken (BSG SozR 3-1500 § 63 Nr 7 S 10 f mwN; vgl auch BVerwGE 101, 64, 68 = NVwZ 1997, 272, 273 mwN).

Da steht nichts davon, dass die Kostenentscheidung in einem Abhilfebescheid entbehrlich ist.

Das ist auch logisch, weil der Erlass eines Abhilfebescheides nicht in jedem Fall einen Erfolg im Widerspruch darstellt. Wenn z. B. die Abhilfe nur aufgrund der Nachholung von Mitwirkungspflichten erfolgte, gibt es keine Kosten:

ZitatIndes bedarf die Frage des Erfolgreichseins ausnahmsweise dann einer Einschränkung, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem ,,Erfolg" rechtlich zurechenbar ist (BSG 21. 7. 1992 - 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr. 3 = NZS 1992, 159; OVG NRW 7. 8. 1990 - 8 A 1571/88, AnwBl 1991, 415), also keine ursächliche Verknüpfung zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde besteht (BSG 13. 10. 2010 - B 6 KA 29/09 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 13 Rn. 16 = BeckRS 2011, 66050 mwN). Dies gilt zB dann, wenn der Widerspruchsführer seinen Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I) erst im Widerspruchsverfahren nachkommt (BSG 21. 7. 1992 - 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr. 3 = NZS 1992, 159; VG Oldenburg 17. 1. 2003 - 13 A 96/02, BeckRS 2005, 22396; SG Freiburg 3. 7. 2008 - S 6 AS 1903/08, BeckRS 2008, 57905 mwN).
(Schütze/Roos/Blüggel, 9. Aufl. 2020, SGB X § 63 Rn. 21)

Ottokar

Willst du mich veralbern? Oder verstehst du nur nicht, was du liest?
Da steht doch genau das was ich schrieb:
Zitat von: Flip am 15. März 2022, 14:42:59Die Kostenentscheidung ist nicht Teil der Sachentscheidung, sondern zusätzlich zu treffen.

Zitat von: Flip am 15. März 2022, 14:42:59Da steht nichts davon, dass die Kostenentscheidung in einem Abhilfebescheid entbehrlich ist.
Was bedeutet "Die Kostenentscheidung ist nicht Teil der Sachentscheidung, sondern zusätzlich zu treffen." denn deiner Meinung nach sonst?
Insbesondere da das BSG ja auch noch ausführt: "Ist sie unterlassen worden, macht dies die Sachentscheidung nicht rechtswidrig und damit anfechtbar; vielmehr ist die unterbliebene Kostenentscheidung mit der Verpflichtungsklage zu erwirken"
Im Gegensatz zu § 72 VwGO, wo die Kostenentscheidung zwingend zusammen mit der Sachentscheidung zu treffen ist, ist das im Sozialrecht aufgrund der anderen Regelungen in § 85 SGG und § 63 SGB X eben nicht so.
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Flip

Ich will niemanden veralbern und habe in meiner anwaltlichen Praxis durchaus die ein oder andere Kostenentscheidung erstreiten müssen.

Du hast geschrieben, dass die Kostenentscheidung im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrages erfolgt.

Zitat von: Ottokar am 14. März 2022, 11:15:34Das JC muss somit im Abhilfebescheid keine Entscheidung zu den Kosten treffen (vgl. § 85 SGG), diese erfolgt erst, wenn man beim JC die Kostenerstattung geltend macht.

Dem ist aber nicht so. Vor einem Kostenfestsetzungsantrag bedarf es erst der Kostengrundentscheidung. Und die muss, wenn sie im Abhilfebescheid fehlt, mit Verpflichtungsklage erstritten werden.

Aber vielleicht reden wir auch aneinander vorbei und du meinst, dass man kombiniert, also gleichzeitig, einen Antrag auf Kostengrundentscheidung und - festsetzung stellen kann.

Ottokar

Im Sozialrecht ergeht die Kosten(grund)entscheidung separat und rechtlich unabhängig von der Widerspruchsentscheidung, diesen Fakt stellt das BSG in der von dir zitierten Entscheidung auch unmissverständlich klar. Auch ohne Kosten(grund)entscheidung ist das Widerspruchs-/Vorverfahren mit dem Widerspruchs-/Abhilfebescheid beendet.
Fehlt die Kosten(grund)entscheidung im Abhilfebescheid, trifft das JC die - von Amts wegen vorzunehmende - Kosten(grund)entscheidung zwingend zusammen mit der Kostenfestsetzung, sobald man nach erfolgreichem Widerspruchsverfahren dem JC die Kostenaufstellung übermittelt und deren Erstattung beantragt.
Insbesondere wenn das Widerspruchsverfahren erfolgreich war, hat das JC kein Ermessen, ob es die Kosten erstattet oder nicht, da § 63 SGB X für diesen Fall die Erstattungspflicht regelt. Es macht schlicht keinen Sinn, vom JC in einem solchen Fall eine separate Kosten(grund)entscheidung (nach)zu fordern, oder gar einzuklagen, nur weil diese im Abhilfebescheid fehlt.
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Flip

Stimmt zwar so nicht, aber wenn du meinst... Allein schon deshalb, weil ein Abhilfebescheid per se nicht bedeutet, dass der Widerspruch erfolgreich war.



hko

Zitat von: Flip am 16. März 2022, 14:40:03
Stimmt zwar so nicht, aber wenn du meinst... Allein schon deshalb, weil ein Abhilfebescheid per se nicht bedeutet, dass der Widerspruch erfolgreich war.
der Abhilfebescheid, um den es hier geht, war erfolgreich :sehrgut:

Gruß hko