Gegen Widerspruchsbescheid klagen bei BG/HG

Begonnen von PetraL, 11. Juli 2022, 14:17:23

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Ottokar

Offensichtlich war die Tochter zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits volljährig.

Wenn die Mutter als Vertreterin der BG zum Anwalt geht mit der Forderung, dass das JC die tatsächlichen HK anzuerkennen hat, dann schließt das alle leistungsberechtigten Mitglieder mit ein. Der Anwalt hatte somit die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass alle leistungsberechtigten Mitglieder klagen müssen.

Das JC kann gemäß § 22 SGB II nur die tatsächlichen HK für die Wohnung anerkennen, keinen Teilanspruch einzelner BG-Mitglieder. Das SG kann das JC also nur dazu verurteilen, diese tatsächlichen HK anzuerkennen.
Welche BG-Miglieder dann wieviel an HK nachgezahlt bekommen, hängt wiederum davon ab, wieviele BG-Mitglieder es gibt und wie sich deren Bedarf und Anspruch verteilt.
Da hier nur Du geklagt hast, werden zwar die tatsächlichen HK anerkannt, aber das Gericht kann das JC nur dazu verurteilen, den dir davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.
Da deine Tochter nicht (mit) geklagt hat, kann das Gericht das JC nicht dazu verurteilen, auch der Tochter den ihr davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.

Soweit verstanden?

Dann kommen wir zu § 44 SGB X und § 44 Abs. 1 SGB II.
Wenn das Gericht das JC verurteilt, bei dieser BG die tatsächlichen HK ab (Bsp.) 01.01.2019 anzuerkennen, dann wirkt sich das auch auf den Anspruch der Tochter als BG-Mitglied aus. D.h. das JC muss aufgrund des Urteiles die tatsächlichen HK auch beim ALG II Anspruch der Tochter berücksichtigen - aber nicht rückwirkend nachzahlen, weil es ja nicht dazu verurteilt werden konnte.
Der Anspruch selbst besteht aber und kann hier mittels eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X zumindest teilweise realisiert werden. Teilweise deshalb, weil § 44 Abs. 1 SGB II die Pflicht des JC zur Nachzahlung zeitlich begrenzt. Diese Begrenzung wirkt sich so aus, dass bei einem in diesem Jahr von der Tochter gestellten Überprüfungsantrag das JC nur die anteilig höheren HK für die Tochter ab 01.01.2021 nachzahlen muss.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Ratlos

Zitat von: Ottokar am 13. Juli 2022, 17:50:14Da hier nur Du geklagt hast, werden zwar die tatsächlichen HK anerkannt, aber das Gericht kann das JC nur dazu verurteilen, den dir davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.
Da deine Tochter nicht (mit) geklagt hat, kann das Gericht das JC nicht dazu verurteilen, auch der Tochter den ihr davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.
Zitat von: Ottokar am 13. Juli 2022, 17:50:14... und kann hier mittels eines Überprüfungsantrages
[/b]
Deine enormen Kenntnisse habe ich nicht, aber das gleiche habe ich auch geschrieben und ist leider nicht beachtet worden.

Aber die Tochter kann bei negativen Überprüfungsbescheid wenigstens gegen einen Teil ihrer Forderung selbst klagen.

PetraL

Zitat von: Ratlos am 13. Juli 2022, 16:49:18Ich möchte mal darauf hinweisen, dass die Tochter der TE arbeitet und Geld verdient.
Seit wann sie arbeitet und wieviel Lohn sie erhlält weiß ich nicht
Sie arbeitet erst seit dem 01.06.22 - ist also für diese Klage völlig unerheblich.
Sie hat allerdings 8 Monate zwischendurch BAföG bekommen (da klagen wir auch, weil das Jobcenter sich die ganze BAföG-Nachzahlung bis auf die 100 Euro Freibetrag pro Monat direkt vorab vom Studentenwerk gekrallt hat) und währenddessen eigentlich nicht zur BG gehört, aber das würde die Sache jetzt nur noch weiter verkomplizieren (denke ich)  :zwinker:

Zitat von: Ottokar am 13. Juli 2022, 17:50:14Wenn die Mutter als Vertreterin der BG zum Anwalt geht mit der Forderung, dass das JC die tatsächlichen HK anzuerkennen hat, dann schließt das alle leistungsberechtigten Mitglieder mit ein. Der Anwalt hatte somit die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass alle leistungsberechtigten Mitglieder klagen müssen.
Ja, so sehe ich das auch.

Zitat von: Ottokar am 13. Juli 2022, 17:50:14Das JC kann gemäß § 22 SGB II nur die tatsächlichen HK für die Wohnung anerkennen, keinen Teilanspruch einzelner BG-Mitglieder. Das SG kann das JC also nur dazu verurteilen, diese tatsächlichen HK anzuerkennen.
Welche BG-Miglieder dann wieviel an HK nachgezahlt bekommen, hängt wiederum davon ab, wieviele BG-Mitglieder es gibt und wie sich deren Bedarf und Anspruch verteilt.
Da hier nur Du geklagt hast, werden zwar die tatsächlichen HK anerkannt, aber das Gericht kann das JC nur dazu verurteilen, den dir davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.
Da deine Tochter nicht (mit) geklagt hat, kann das Gericht das JC nicht dazu verurteilen, auch der Tochter den ihr davon zustehenden Anteil nachzuzahlen.

Soweit verstanden?
Ja. Leider ...  :sad:

Zitat von: Ottokar am 13. Juli 2022, 17:50:14Der Anspruch selbst besteht aber und kann hier mittels eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X zumindest teilweise realisiert werden. Teilweise deshalb, weil § 44 Abs. 1 SGB II die Pflicht des JC zur Nachzahlung zeitlich begrenzt. Diese Begrenzung wirkt sich so aus, dass bei einem in diesem Jahr von der Tochter gestellten Überprüfungsantrag das JC nur die anteilig höheren HK für die Tochter ab 01.01.2021 nachzahlen muss.
OK. Da kann ich folgen.  :yes:

Ich Danke dir von ganzem Herzen, @Ottokar, dass du Licht in dieses Dunkel gebracht und das Chaos entwirrt hast. Jetzt bin ich mal gespannt, was dem Rechtsanwalt so zu dem Thema einfällt nächste Woche. Jetzt habe ich wenigstens schonmal eine vernünftige Grundlage bekommen. DANKE !  :sehrgut:
"Schön" ist das Ganze zwar immer noch nicht, aber ich kann es jetzt wenigstens nachvollziehen und einordnen, das gibt mir schon etwas mehr Ruhe  :sehrgut:

Ratlos

Zitat von: PetraL am 13. Juli 2022, 18:08:02Jetzt bin ich mal gespannt, was dem Rechtsanwalt so zu dem Thema einfällt nächste Woche.
Sei so nett und halte uns auf dem Laufenden. Der Fall ist interessant.

PetraL

Zitat von: Ratlos am 13. Juli 2022, 18:31:09Sei so nett und halte uns auf dem Laufenden. Der Fall ist interessant.
Ja sicher, mache ich gerne.

Ratlos

#50
Das nachfolgende könntest du in der Besprechung mit deinem RA in Ergänzung vom Beitrag @ Ottokar ihm als Mangel seiner Anwaltspflichten  vorhalten:

Der BGH entschied zu der Beratungspflicht eines Rechtsanwaltes:

,,...der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet.
Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen.
Dem Mandanten hat der Anwalt diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Er muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind.

Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann;

Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern."

Das Urteil könnte durchaus der Auslöser der Schadenersatzpflicht deines RA sein.


Ottokar

Sollte das Verfahren 2022 nicht enden, dann soll die Tochter nicht vergessen, trotzdem in 2022 einen Überprüfungsantrag für alle Bescheide rückwirkend zum 01.01.2021 zu stellen.
Als Grund soll sie angeben, dass ihr anteilig höhere HK zustehen als bislang bewilligt, da aufgrund des laufenden Verfahrens vor dem SG xyz, Az 123, zu erwarten ist, dass das JC rückwirkend höhere tatsächliche HK nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkennen muss.
Außerdem sollte darin abschließend der Antrag gestellt werden, den Überprüfungsantrag bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ruhend zu stellen.
(Die Ruhendstellung entbindet das JC solange davon, den Antrag bearbeiten zu müssen, was ja erst nach Ende des Verfahrens Sinn macht.)
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


PetraL

Vielen lieben Dank, ihr Beiden.
Alles Weitere liegt jetzt (erstmal) in Gottes Hand - wir werden sehen ...  :ok:

Ratlos

@ Petra - Die Ausführungen von ottokar in seinen Beiträgen 45 und51 sind leicht verständlich.
Ob der RA der ja nur wenig mit dem Sozialrecht zu tun hat, das alles weiß ist fraglich.
Ich rate dir die wichtigsten Punkte aus den ottokar-beiträgen raus zu schreiben und auf dieser Basis dem RA die Marschrichtung vorzugeben.

Denke dran: Mit Vollmacht deiner Tochter bist du die Herrin des Verfahrens auch wenn der RA verpflichtet ist den sichersten Weg zu gehen entscheidest zum Schluss nur du, denn du trägst auch das Prozessrisiko.

PetraL

Zitat von: Ratlos am 15. Juli 2022, 09:35:04Denke dran: Mit Vollmacht deiner Tochter bist du die Herrin des Verfahrens auch wenn der RA verpflichtet ist den sichersten Weg zu gehen entscheidest zum Schluss nur du, denn du trägst auch das Prozessrisiko.
Ah, ok, das mit der Vollmacht wollte ich euch auch noch fragen:
Was würde denn eine explizite schriftliche Vollmacht meiner Tochter für mich bewirken? Denn natürlich habe ich auch in ihrem Namen und Willen den RA beauftragt und immer alles mit ihr besprochen. Wäre doch sonst auch unlogisch? Also, jedenfalls für mich.

Ratlos

Zitat von: PetraL am 15. Juli 2022, 10:17:04Was würde denn eine explizite schriftliche Vollmacht meiner Tochter für mich bewirken?
Mit Vollmacht bist du aktivlegitimiert i.S. deiner Tochter

PetraL

Zitat von: Ratlos am 14. Juli 2022, 14:21:28Das Urteil könnte durchaus der Auslöser der Schadenersatzpflicht deines RA sein.
Hast du einen Link zu dem Urteil oder die Nummer mit der ich danach suchen kann?
Nur so für den Fall der Fälle - bin gerade dabei, mir das Wesentliche von hier zu notieren.

Zitat von: Ratlos am 15. Juli 2022, 10:24:41Mit Vollmacht bist du aktivlegitimiert
Äh, ja? Das heißt im Klartext für "Dummies"?
Dass ich das, was sowieso ist, nochmal schriftlich habe?  :scratch:
Zitat von: PetraL am 15. Juli 2022, 10:17:04Denn natürlich habe ich auch in ihrem Namen und Willen den RA beauftragt und immer alles mit ihr besprochen.
s. meinen "Auftrag" #16
Ich meinte auch, inwieweit eine solche Vollmacht etwas an dem Sachverhalt ändert, dass meine Tochter separat für sich und ihre Hälfte der Heizkosten hätte klagen müssen? :weisnich:

Ratlos

#57
Mit einer Vollmacht kannst du deine Tochter im Verfahren und vor dem RA vertreten.
Du kannst dann im Namen deiner Tochter Erklärungen abgeben und Handlungen bestimmen.
Auch könntest du Klage im Namen deiner Tochter erheben, Prozesshandlungen vornehmen, Vergleiche schließen usw.

Mit Vollmacht hättest du wirksamen Widerspruch gg. die JC Bescheide einlegen können und hättest Untervollmachten erteilen können.
Zitat von: PetraL am 15. Juli 2022, 10:40:39Ich meinte auch, inwieweit eine solche Vollmacht etwas an dem Sachverhalt ändert, dass meine Tochter separat für sich und ihre Hälfte der Heizkosten hätte klagen müssen
Du plädierst hier auf ,,Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages".
Wie ich schon mehrfach geschrieben habe hängt das vom Inhalt des Mandatsvertrag ab den ich nicht kenne. Es kommt auf den Einzelfall an.
Beratungs und Hinweispflichten sind immer auf den erteilten Auftrag begrenzt und den kenne ich auch nicht.
Hierfür gibt es mehrere Urteile die dein RA kennen muss.
Bevor du mit so einem Urteil deinen RA konfrontierst muss man dir den Inhalt erklären.

Dein Brief in Antwort 16 ist wie schon zigfach geschrieben eine Anfrage an den RA aber kein Mandatsvertrag
 

Ratlos

Mach dich mit dem Thema hier nicht selbst verrückt.
Konfrontiere den RA am 01.08. mit dem Sachverhalt und notiere dir wie er dagegen argumentiert.
Dann informiere uns bitte und man sieht weiter.

PetraL

Zitat von: Ratlos am 15. Juli 2022, 10:50:16Mit Vollmacht hättest du wirksamen Widerspruch gg. die JC Bescheide einlegen können
Äh, ich habe doch "wirksamen" Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt? Und entsprechende Widerspruchsbescheide erhalten? - Da komme ich jetzt gerade nicht mehr mit, sorry.

Frage: Muss in so einer Vollmacht ein ganz bestimmter Wortlaut enthalten sein? Oder reicht eine allgemeine Vollmacht, so in etwa:
"Vollmacht

Hiermit bevollmächtige ich,
    Töchterlein,
    geb. xxx in xxx, xx
    wohnhaft xx

meine Mutter,
    Mütterchen,
    geb. xx in xx, xx
    wohnhaft xx

in meinem Auftrag alle wichtigen Angelegenheiten
    bezüglich des Jobcenters
für mich zu erledigen und entsprechende Unterschriften zu leisten, alle damit im Zusammenhang stehenden erforderlichen und zweckmäßigen Handlungen vorzunehmen, in meinem Namen Erklärungen abzugeben und damit verbundene Informationen und Unterlagen für mich entgegen zu nehmen.
Diese Vollmacht gilt bis auf Widerruf.
Ort, xx.2019"