SB fängt an durchzudrehen - hier mal als Protokoll

Begonnen von Hansejunge, 31. Mai 2023, 12:44:38

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Hansejunge

Zitat von: Fettnäpfchen am 06. Juli 2023, 14:09:48Einfach alles immer wieder wiederholen.
und das Gehirn und die Nerven soweit abschalten das deine Nerven geschont bleiben aber trotzdem so aufmerksam das du nicht in eine Falle läufst.

Danke, ich versuche es. Für gestern ist der Nervenverbrauch weg. Ich arbeite daran.

Zitat von: Bundspecht am 06. Juli 2023, 13:41:16Druck, erzeugt Gegendruck....DAS sollte mal mein SB sein.

Wie sähe Dein "Gegendruck" aus?

Hansejunge

Schon naiv, zu glauben, man könnte es dem SB recht machen, freundlich sein, zuvorkommend, mehr Material "liefern" als nötig, (ehrliches!) Interesse zeigen, alle Termine wahrnehmen, etc.

Es ist die Quote. Bizarr. Ich bemerkte dass auch bei meinem SB: Total freundlich und nett im ersten Teil, dann ein Umschwenken auf streng und "böse" im zweiten Teil, als dass nicht zog, den Teamleiter rangezogen und auf einmal wieder freundlich mit mir und den Zusatztermin ausgehändigt, weil ich nicht gehorcht habe, zusammen mit netter Verabschiedung von ihm.

Psychospielchen oder ist er einfach so?

Voll weltfremd meiner Natur, diese Leute, entweder generell auch privat mit ihrem respektlosen herablassenden Ego-Aufgeblase und Machtspielchen oder aber privat völlig lieb und harmlos und nur bei Dienstbeginn dann das Umswitchen auf die "SB-Rolle". Beides für mich sehr erschauernd.

Phil_N

Zitat von: Hansejunge am 06. Juli 2023, 22:37:10Psychospielchen oder ist er einfach so? Voll weltfremd meiner Natur, diese Leute, entweder generell auch privat mit ihrem respektlosen herablassenden Ego-Aufgeblase und Machtspielchen oder aber privat völlig lieb und harmlos und nur bei Dienstbeginn dann das Umswitchen auf die "SB-Rolle". Beides für mich sehr erschauernd.

Hallo erneut Hansejunge. Ich will auf Basis meiner eigenen Erfahrungen als ehemaliger Mitarbeiter des Jobcenters mal versuchen, zu erklären, woher dieses seltsam anmutende Verhalten von Freundlich bis Übergriffigkeit rühren kann.

Das Grundproblem ist, dass Konversationen im Jobcenter unter institutionellen Vorzeichen stattfinden, die Konfliktpotenzial bergen. Das Besondere im Jobcenter ist, dass Beratung und Vermittlung hier ohne Einverständnis des ,,Kunden" erfolgen. Die Beratung erfolgt in einem Setting, in dem sich ,,Kunden" beraten lassen müssen, auch wenn sie gar keinen Beratungsbedarf haben. Das Beratungsverhältnis ist klar asymetrisch, ohne gleiche Augenhöhe.

Die Jobcenter-Berater haben die ,,Kunden" personenorientiert zu beraten und Hilfen (auch ungefragt) für sie zu organisieren, sie habe sie aber auch zu kontrollieren, zu ermahnen, zu motivieren und bei einer so wahrgenommenen mangelnden Mitwirkung zu bestrafen. Diese Rollenmehrdeutigkeit aus Hilfeangebot und Sanktionsumsetzung kann "Kunden" verwirren.

Mal ist eine verständnisvolle Ansprache geboten, mal eine direktive. Letztere kann die Assoziation an einen Befehlston wecken. Verunsichernd auf ,,Kunden" kann auch die Tatsache wirken, dass die Integrationsfachkräfte ihnen die Konsequenzen mangelnder Mitwirkung vor Augen führen müssen. Das so zu tun, dass es einerseits freundlich wirkt, dass andererseits aber auch die potenziell gravierenden Folgen von Pflichtverstößen klarwerden, ist ein kommunikativer Drahtseilakt.

Wenn Integrationsfachkräfte mit ,,Kunden" sprechen, fallen oft Worten wie ,,Ich erwarte, Sie müssen, Ihre Aufgabe ist, der Gesetzgeber verlangt" etc., was das Machtungleichgewicht deutlich macht. Der Berater verlangt, der ,,Kunde" hat Folge zu leisten. Eine gleiche Erwartung des ,,Kunden" an die Integrationsfachkraft kann zwar gerichtet werden (etwa die Erwartung, gut beraten zu werden), aber es existiert seitens des ,,Kunden" keine äquivalente Sanktionsmöglichkeit.

Ein Problem ist, dass viele ,,Kunden" nicht nachvollziehen können, dass die technokratische Wortwahl ihrer Berater bei der Erläuterung von Pflichten oft nicht als Anklage gemeint ist. Sie ist oft einfach die Folge des Bemühens, der Rechtsvorgaben zu genügen, eine vollständige Aufklärung über die Rechtsfolgen geleistet zu haben. Das wird allerdings nicht immer als neutrale Informationsgabe wahrgenommen. Es kann als Bedrohung erlebt und als Unterstellung aufgefasst werden.

Neumann & Schaper brachten die Problematik der Rollenambiguität der Integrationsfachkräfte des Jobcenters vor 15 Jahren treffend auf den Punkt, indem sie schrieben, die Beratenden müssten in einer Person »teacher, preacher, friend and cop« sein. Integrationsfachkräfte müssen Ziele verfolgen, die sich widerspruchsfrei nicht in Einklang bringen lassen. Sie sollen Beratung zu Weiterbildung leisten, aber auch die schnelle Arbeitsmarktintegration fokussieren.

Die Beratenden sollen ihre ,,Kunden" nicht bevormunden, aber auch Kontrolle ausüben und ein Werte-Ideal im Sinne eines Arbeit-ist-immer-besser-als-keine-Arbeit vermitteln. Die Beratenden sollen fördern und fordern, normieren und Raum zur Entfaltung geben, dabei wenig Kosten verursachen und keine Beschwerden produzieren. Das funktioniert aber (oft) nicht, wenn man sich nicht verrenkt. Dieses ,,Verrenken" wird von ,,Kunden" wahrgenommen.

Den Beratenden stellt sich immer wieder die Frage: Was gilt denn nun? Soll ich nun eher fördern oder fordern? Soll ich nachhaltig versuchen zu helfen, oder soll ich der Statistik wegen schnell integrieren? Soll ich freundlich sein und dadurch dafür Sorge tragen, dass die Kundenzufriedenheit sich erhöht, oder soll ich massenweise Maßnahmen befüllen, Vermittlungsvorschläge nach dem Motto Masse-statt-Klasse ausgeben und ,,Kunden" immer aktiviert halten, damit die Controlling-Kennzahlen stimmen?

Die Antwort darauf varriert je nach Führungskraft, politischer Ausrichtung und persönlicher Präferenz. Es ändert sich von Zeit zu Zeit. Und irgendwie gilt immer alles. Genau das macht es so verwirrend, und zwar nicht nur für "Kunden", sondern auch für die Beratenden selbst. Deshalb wirkt deren Handeln mitunter so unberechenbar. Es ist oft eine Folge der widersprüchlichen Rahmenbedingungen.

Im Grunde sind es fünf Aspekte, die das Handeln der Integrationsfachkräfte im Jobcenter beeinflussen:

1) Ein Aspekt ist das eigene professionelle Selbstverständnis, das sich auf Basis subjektiver Werte entwickelt.
2) Ein weiterer Aspekt ist der Gesetzestext, der Ermessensspielraum durch Formulierungen wie kann, ist und soll einengt oder öffnet.
3) Einen dritten Aspekt bilden Erwartungen der Vorgesetzten, das Steuerungssystem im Jobcenter sowie die ermessenslenkenden Weisungen.
4) Als vierter Aspekt sind die Wünsche und Erwartungen der ,,Kunden" zu nennen, denen Rechnung zu tragen ist.
5) Hinzu kommen fünftens noch die Erwartungen des Kollegiums (Gruppendruck etc.).

Als Fazit bleibt zu sagen, dass es eine Besonderheit des Jobcenters gegenüber anderen Institutionen des Sozialwesens ist, dass das Spektrum an sich teils widersprechenden Zielen und Rollenerwartungen hier besonders weit ist. Die Praxis zeigt, welche Herausforderungen das birgt.
"In jedem Dorf gibt es eine Fackel, den Lehrer, und jemanden, der dieses Licht löscht, den Pfarrer." (Victor Hugo)

Hansejunge

Zitat von: Phil_N am 07. Juli 2023, 08:50:15Hallo erneut Hansejunge. Ich will auf Basis meiner eigenen Erfahrungen als ehemaliger Mitarbeiter des Jobcenters mal versuchen, zu erklären, woher dieses seltsam anmutende Verhalten von Freundlich bis Übergriffigkeit rühren kann.

Lieber Phil,

vielen Dank für Deine Ausführungen.

Ich habe jetzt verstanden, warum die SB so sind, unabhängig davon, was ich davon halte.

Zitat von: Phil_N am 07. Juli 2023, 08:50:15dabei wenig Kosten verursachen und keine Beschwerden produzieren.

Zu spät. ;-) Eine Beschwerde ging gestern raus, die das ganze Gespräch quasi neutral faktenorientiert wiedergibt, zusammen mit der Begründung, warum ich an dem Zusatztermin nächste Woche nicht teilnehmen möchte. (Beschwerde Nô 2 innerhalb von 2 Monaten)

Wenn mich dann SB und Teamleiter einfach mal fragen würden, was der ganze Irrsinn mit meinen Beschwerden und Nachfragen soll, dann hätte ich darauf nur eine kurze Antwort: Ich möchte einfach, dass sich der SB, der Teamleiter, ich selbst und alle anderen auch an geltende Gesetze halten. Mehr nicht. So kann ich mich voll auf meinen Bewerbungsprozess konzentrieren und muss mich nicht mit Dingen und Situationen beschäftigen, die so gar nicht aufgetreten wären, hätte der SB seinen Job richtig gemacht. Er soll sich an das SGB halten, wie ich auch. Und nein, damit ist nicht "Dienst nach Vorschrift" für den Bewerber gemeint, nur das, was nötig ist, sondern, dass man dem Bewerber auch Zeit und Raum gibt und nicht immer wieder reinkrätscht.

Ich habe jetzt zum Beispiel vor, mir extern, neutral einen Coach für eine Stunde zu suchen, der noch einmal über meine Bewerbungsunterlagen schaut und kurz sagt, wo ich noch herumschrauben kann. Das interessiert mich, das "buche" ich.

Das JC lehne ich dafür komplett ab. 1) Datenschutz und Weitergabe in die Akte (E-Mail und Telefon, etc.) 2) Keine beliebige Einzelstunde möglich, sondern nur Vollprogramm 3) Man kann eben nicht selbst entscheiden, was man "gecoacht" haben möchte und was nicht, sprich Bevormundung vom JC. Kurzum: Ich habe null Vertrauen in den Laden.

Aber in externe Coaches schon, wenn man selbst die Kontrolle darüber behält und wirklich selbst sich das einholen kann, was man als für wichtig und entscheidend erachtet. Immerhin bin ich über 18 und kann selbst entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Eigenverantwortung!