SG Chemnitz: NK-Guthaben nicht als Einkommen anrechenbar bei Zahlung aus RL

Begonnen von Meck, 23. Mai 2013, 21:34:31

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Meck

SG Chemnitz: Hartz IV-Empfänger müssen sich ihr Nebenkosten - Guthaben nicht als Einkommen anrechnen lassen.

Dies gilt zumindestens in Fällen, in denen ein Guthaben durch Nebenkostenvorauszahlung erzielt worden ist, die aus der Regelleistung bestritten wurden, so die Rechtsauffassung des SG Chemnitz, Urteil vom 14.03.2013 - S 14 AS 4157/13 , Berufung wird zugelassen.


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LG Meck :bye:

Gast30174

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich andere Sozialgerichte im selben Fall diesem Urteil anschließen und genauso urteilen?

Gast96

Dass bei nicht angemessenen KdU, also wenn das JC nur einen Teil des KdU-Bedarfs anerkennt und der Alg-II-Bezieher den Restbetrag (den unangemesssenen Teil) selbst zahlt, ein Guthaben im Anrechnungsmonat auf die tatsächlichen (also höheren als angemessenen) Aufwendungen für die insgesamten Kosten der Unterkunft und Heizung angerechnen muss und dadurch deshalb im Monat der Anrechnung der Hilfebedürftige den Teil, den er sonst hinzuzahlen muss zur Miete/Heizkosten, nicht zuzahlen muss, hat das Bundessozialgericht schon am 12.12.2013 entschieden (also nicht "nur" ein SG-Urteil):

*klick* http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BSG&Datum=12.12.2013&Aktenzeichen=B%2014%20AS%2083/12%20R

Beispiel:
Du hast monatliche Aufwendungen von 550 € für Miete+Heizkosten, das JC erkennt aber nur einen KdU-Bedarf (also vor Anrechnung von Einkommen) von 500 € (Du zahlst also 50 € selbst dazu) und das Guthaben beträgt 120 €, dann mindern sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten (= die unangemessenen 550 €) im Folgemonat nach Erhalt des Guthabens um eben die 120 €:

550 € - 120 € = 430 € beträgt der KdU-Bedarf nach Anrechnung des Guthabens, nicht 380 € (500 € - 120 €), so dass man einmalig im Monat der Anrechnung die 50 € nicht selbst hinzuzahlen muss.

Und das gilt bundesweit.

LG Lilith

Gast30174

Nach den Urteilen in Chemnitz und Kiel wird es so berechnet:

Zuzahlung z.B. monatlich 50.- Euro; macht im Abrechnungszeitraum, aus dem das "Guthaben" entsteht (ist ja kein eigentliches Guthaben, sondern eine Rückzahlung von zu viel geleisten Vorauszahlungen im Abrechnungszeitraum - also KEIN zusätzliches Einkommen) 12x50 Euro = 600 Euro; davon Abzug "Guthaben" in Höhe von z.B. 120.- Euro. = Bleibt KEIN anrechenbares Einkommen übrig.

Gast96

Die lagen aber beide vor dem höherinstanzlichen BSG-Urteil vom 12.12.2013.

LG Lilith

Gast30174

Aha.
Sehr "gerecht". Denn wenn man eine Nachzahlung bekommt, übernimmt das Amt die nicht - unter Berufung auf die KdU-Grenze.

Und was ist, wenn man vor 2 Jahren (!) das "Guthaben" bekam, das JC das Guthaben damals, zum aktuellen Zeitpunkt und auch danach  NICHT anrechnete (wegen Zuzahlung aus Regelsatz) und nun - 2 Jahre später plötzlich mit einer Rückzahlungsforderung nachträglich ankommt (weil es sich, aufgrund Aufstockung) um einen vorläufigen Bescheid gehandelt hatte und keinen endgültigen? Das Geld ist natürlich längst verbraucht nach der langen Zeit.

Gast96

Wenn der Grund der Vorläufigkeit das Erwerbseinkommen war und weil es damals ja eh noch nicht "ständige Rechtsprechung" (BSG-Urteil vom 12.1.2013) war, dürfte da m. E. nichts passieren.

Frage ist auch - hat aber jetzt nichts mit dem Thema Guthaben zu tun -, warum es noch keinen endgültigen Bescheid gibt (wenn der vorläufige "zu ändern war" aufgrund vorläufiger Anrechnung einer nur "Circa-Einkommenshöhe") hätte das JC längst endgültig bewilligen müssen nach Aufforderung an Dich, ggf. noch fehlende Unterlagen zur Berechnung vorzulegen.

LG Lilith

Gast30174

Das von Dir verlinkte BSG-Urteil ist vom 12.12.2013.
Bis Ende November 2013 habe ich aufstockendes ALGII bekommen. Seit Dezember 2013 EM-Rente wegen 100% EM, plus Grusi.
2013 bekam ich die BK-Rückzahlung - wurde, wie gesagt, wegen Zuzahlung der BK aus Regelsatz vom JC nicht angerechnet damals.
Grund für Vorläufigkeit des damaligen Bescheides war das nicht feststehende Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Anderthalb Jahre später fiel es dem Sachbearbeiter des JC (da war ich schon längst nicht mehr im ALG-Bezug, sondern in Rente und Grusi) auf, dass er für das letzte halbe Jahr beim JC (also zweites Halbjahr 2013) noch keine abschließende Einkommenserklärung von mir hatte (ich war durchgehend AU geschrieben und hatte keine Einnahmen). Er forderte mich auf, die nachzureichen, was ich tat. Danach kam dann vom JC ein endgültiger Bescheid, in dem das JC das zum aktuellen Zeitpunkt von mir angegebene, aber vom JC damals  NICHT angerechnete BK-Guthaben nachträglich nun doch anrechnete und von mir zurückforderte.
Ich legte Widerspruch ein - erfolglos. Deshalb habe ich beim SG Klage eingereicht.
Das Geld ist natürlich verbraucht, wie gesagt - wurde ja nicht angerechnet vom JC damals. Und natürlich habe ich mich darauf verlassen, dass die Sache geklärt ist und alles in Ordnung (Stichwort: Vertrauensschutz). Und dann kommt das JC plötzlich nach der langen Zeit an und sagt, nein, jetzt rechen wir das doch noch nachträglich an und du musst es zurückzahlen.

Gast96

Zitat von: Gast30174 am 11. Oktober 2015, 20:43:44
Das von Dir verlinkte BSG-Urteil ist vom 12.12.2013.
Ja, die 2 war mir durchgerutscht - steht ja auch 12.12. in den beiden anderen Postings ;)

ZitatBis Ende November 2013 habe ich aufstockendes ALGII bekommen. Seit Dezember 2013 EM-Rente wegen 100% EM, plus Grusi.
2013 bekam ich die BK-Rückzahlung - wurde, wie gesagt, wegen Zuzahlung der BK aus Regelsatz vom JC nicht angerechnet damals.
Grund für Vorläufigkeit des damaligen Bescheides war das nicht feststehende Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Anderthalb Jahre später fiel es dem Sachbearbeiter des JC (da war ich schon längst nicht mehr im ALG-Bezug, sondern in Rente und Grusi) auf, dass er für das letzte halbe Jahr beim JC (also zweites Halbjahr 2013) noch keine abschließende Einkommenserklärung von mir hatte (ich war durchgehend AU geschrieben und hatte keine Einnahmen). Er forderte mich auf, die nachzureichen, was ich tat. Danach kam dann vom JC ein endgültiger Bescheid, in dem das JC das zum aktuellen Zeitpunkt von mir angegebene, aber vom JC damals  NICHT angerechnete BK-Guthaben nachträglich nun doch anrechnete und von mir zurückforderte.
Ich legte Widerspruch ein - erfolglos. Deshalb habe ich beim SG Klage eingereicht.
Das Geld ist natürlich verbraucht, wie gesagt - wurde ja nicht angerechnet vom JC damals. Und natürlich habe ich mich darauf verlassen, dass die Sache geklärt ist und alles in Ordnung (Stichwort: Vertrauensschutz). Und dann kommt das JC plötzlich nach der langen Zeit an und sagt, nein, jetzt rechen wir das doch noch nachträglich an und du musst es zurückzahlen.
Da bin ich mal gespannt, wie die Klage ausgeht - wie gesagt: Meines Erachtens ist das so nicht korrekt.

LG Lilith

Gast30174

Ich stütze mich auf den Vertrauensschutz - auch wenn es ein vorläufiger Bescheid war. Denn
(I) Grund der Vorläufigkeit war unklares Einkommen (JC musste übrigens davon ausgehen, dass kein anrechenbares Einkommen erzielt werden würde; wurde auch nicht erzielt, ich war fortlaufend AU);
(2) die Frage der Anrechnung oder nicht Anrechnung des BK-Guthabens wurde bereits zum aktuellen Zeitpunkt mit dem JC geklärt und das Guthaben nicht angerechnet; und auf diese Nichtanrechnung habe ich natürlich vertraut und das Geld verbraucht.

Ottokar

Zitat von: Gast30174 am 10. Oktober 2015, 19:47:31
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich andere Sozialgerichte im selben Fall diesem Urteil anschließen und genauso urteilen?
Aufgrund des schon von Lilith verlinkten BSG-Urteiles halte ich es für fragwürdig bis ausgeschlossen.

Ich bin aber grundsätzlich der gleichen Meinung wie das SG Chemnitz und es ist offensichtlich, dass das BSG in dieser Entscheidung den offensichtlichen Zirkelschluss nicht beachtet hat, den das SG moniert.
Außerdem steht dieses Urteil des BSG im Widerspruch zu den sonstigen Entscheidungen des BSG (u.a. bei Stromguthaben), wonach Rückzahlungen, die auf Vorauszahlungen basieren, die vom ALG II gezahlt wurden, gemäß § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II nicht als Einkommen anzurechnen sind. Daran ändert in Bezug auf Betriebskostenguthaben auch die lex specialis des § 22 Abs. 3 SGB II nichts, denn § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II geht dieser vor.
Ich zähle B 14 AS 83/12 R zu den Urteilen, die das BSG vergeigt hat, weil es sich offensichtlich nicht ausreichend mit der Materie auseinandergesetzt und deshalb wichtige Aspekte nicht beachtet hat, die möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Gast18959

Zitat von: Ottokar am 13. Oktober 2015, 17:57:28Ich zähle B 14 AS 83/12 R zu den Urteilen, die das BSG vergeigt hat, weil es sich offensichtlich nicht ausreichend mit der Materie auseinandergesetzt und deshalb wichtige Aspekte nicht beachtet hat, die möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Wer dieses Urteil genauer unter die Lupe nimmt, wird feststellen, dass dort nur die kalten Nebenkosten verhandelt wurden und nicht die Heizkosten.
Da diese, vom LE evtl. selbst bezahlten Beträge innerhalb der kalten Nebenkosten eher gering sind, hat das BSG aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung enschieden, dass zum Ausgleich, im Folgemonat nach der Gutschrift auf die tatsächlich gezahlte Miete anzurechnen ist und nicht auf die vom Amt bewilligte.
Die Heizkosten wurden in diesem Fall in voller Höhe übernommen und standen zu keiner Zeit zur Disposition.

Auch Berlit hält die Frage für ungeklärt :

ZitatUmstritten bleibt die Frage, inwieweit die Rückzahlung von Nebenkosten auch insoweit den Unterkunftsbedarf mindert,
als sie auf Zahlungen beruhen, die der Leistungsberechtigte wegen lediglich unvollständiger Berücksichtigung der tat -
sächlich geforderten Heizkostenvorauszahlungen aus eigenen Mitteln getragen hat.
226 ...
Das Bundessozialgericht
hat nunmehr entschieden, dass in den Fällen, in denen nur abgesenkte Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht
wurden, die Betriebskostenerstattungen den Alg II-Anspruch nur um den Betrag mindern, der nach ihrer Anrechnung auf
die tatsächlich aufgebrachten Aufwendungen verbleibt.230
Dies lässt die Streitfrage im Ergebnis aber letztlich ungeklärt, weil es die Anrechnung auf die geminderten Aufwendungen
bezieht, nicht auf die Höhe des anzurechnenden Betrages.
http://www.info-also.nomos.de/fileadmin/infoalso/doc/Aufsatz_infoalso_14_06.pdf

Gast30174

Zitat von: Ottokar am 13. Oktober 2015, 17:57:28
Zitat von: Gast30174 am 10. Oktober 2015, 19:47:31
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich andere Sozialgerichte im selben Fall diesem Urteil anschließen und genauso urteilen?
Aufgrund des schon von Lilith verlinkten BSG-Urteiles halte ich es für fragwürdig bis ausgeschlossen.

Ich bin aber grundsätzlich der gleichen Meinung wie das SG Chemnitz und es ist offensichtlich, dass das BSG in dieser Entscheidung den offensichtlichen Zirkelschluss nicht beachtet hat, den das SG moniert.
Außerdem steht dieses Urteil des BSG im Widerspruch zu den sonstigen Entscheidungen des BSG (u.a. bei Stromguthaben), wonach Rückzahlungen, die auf Vorauszahlungen basieren, die vom ALG II gezahlt wurden, gemäß § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II nicht als Einkommen anzurechnen sind. Daran ändert in Bezug auf Betriebskostenguthaben auch die lex specialis des § 22 Abs. 3 SGB II nichts, denn § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II geht dieser vor.
Ich zähle B 14 AS 83/12 R zu den Urteilen, die das BSG vergeigt hat, weil es sich offensichtlich nicht ausreichend mit der Materie auseinandergesetzt und deshalb wichtige Aspekte nicht beachtet hat, die möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.


Gibt es denn eine Möglichkeit, gegen dieses Urteil des BSG vorzugehen? Bundesverfassungsgericht vielleicht?

Ich habe inzwischen mit einem Rechtsanwalt korrespondiert; der meinte, das Urteil sei so, dass Rückzahlungen sowohl von Heizkosten als auch von Betriebskosten - also sämtliche Nebenkosten - angerechnet werden könnten von den JC (im Gegenteil zu den vorhergehenden Urteilen von Chemnitz und Kiel).


P.S.: Hoffentlich - siehe meine Beiträge #7 und #9 weiter oben - gilt in meinem speziellen Fall (ich klage ja gerade) wenigstens der Vertrauensschutz.

Gast18959

Zitat von: Gast30174 am 13. Oktober 2015, 19:36:23Ich habe inzwischen mit einem Rechtsanwalt korrespondiert; der meinte, das Urteil sei so, dass Rückzahlungen sowohl von Heizkosten als auch von Betriebskosten - also sämtliche Nebenkosten - angerechnet werden könnten von den JC (im Gegenteil zu den vorhergehenden Urteilen von Chemnitz und Kiel).

Das besagt aber das BSG-Urteil nicht :

ZitatBei abgesenkten Leistungen für Unterkunft und Heizung ist das regelmäßig auch nicht feststellbar, weil kalte Betriebskosten und Nettokaltmiete Berechnungselemente einer einheitlichen Angemessenheitsprüfung sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 36) und demzufolge bei einer nur teilweisen Übernahme der Kosten von Unterkunft und Heizung nicht ausweisbar ist, welcher Anteil der kalten Betriebskosten vom Grundsicherungsträger getragen worden und welcher bei den Leistungsbeziehern verblieben ist. Ist in solchen Fällen ein Teil der Betriebskostenerstattungen wirtschaftlich regelmäßig den Leistungsberechtigten selbst zuzuordnen, so kann die Anrechnung auf ihre tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen unproblematisch als Ausgleich dafür angesehen werden, dass die partielle Übernahme der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in der Vergangenheit für die Anrechnung nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF ansonsten unbeachtlich ist.
https://openjur.de/u/709632.html

Gast30174

Der Anwalt meinte, es werde so gerechnet wie in Liliths Beitrag#2 - also teilweise Anrechnung.