Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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NevAda

Wäre es Dir also lieber, wenn "ein Blinder mit Krückstock" (ich nehme an, Du meinst damit "Unwissende" und nicht Sehbehinderte?) über Deine Anliegen entschiede?

Gast37751

Zitat von: Gast40279 am 21. Juni 2016, 19:29:49
Wie kann das Bundesverfassungsgerichts die Vorlage nur zurückweisen?!
Indem es das Recht richtig anwendet. Denn der MdB a.D. Petermann hat bei der Vorlage einen entscheidenden Fehler gemacht.

Zitat von: Gast40279 am 21. Juni 2016, 19:29:49
Hartz-4-Sanktionen sind verfassungswidrig, das erkennt doch ein Blinder mit Krückstock. Ich verstehe einfach nicht, wie man etwas, das so offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt, im reichen Deutschland noch erlauben kann.
Mit Ausnahme des politisch befangenen RiSG Petermann sahen das aber alle anderen Sozialrichter, die mit dieser Frage befasst waren, anders. Und sie hatten zutreffende Argumente auf ihrer Seite.

Zitat von: Gast40279 am 21. Juni 2016, 19:29:49
Das Bundesverfassungsgericht benötigt meiner Meinung nach überhaupt keine Einreichung einer Prüfungsvorlage, um aktiv zu werden. Es muss von sich aus handeln. Denn die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es nämlich, über die Einhaltung des Grundgesetzes zu wachen.
Was von einer grandiosen Unkenntnis der Rechtslage deinerseits zeugt und die Frage aufwirft, was dich dazu befähigt, komplexe verfassungsrechtliche Fragen besser beantworten zu können, als es Prädikatsjuristen vermögen.

Orakel

Boah, und wieder ein Jurist von Googles Gnaden, der meint, klüger zu sein, als die Richter des BVerfG ...   :wand:

AlterGaul

Zitat von: Orakel am 21. Juni 2016, 20:08:18
Boah, und wieder ein Jurist von Googles Gnaden, der meint, klüger zu sein, als die Richter des BVerfG ...   :wand:
Sind das nicht viele Foristen/Juristen hier, die mehr Ahnung als die Richter in Karlsruhe haben?
Denn was nicht sein darf, darf natürlich nicht sein...
"The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants."
Thomas Jefferson

fluchtzwerg

Der Jurist von Gottes Gnaden maßt sich an, die Meinung des Verfassungsgerichts zu verstehen. Einige Mitforisten sind überzeugt, dem Verfassungsgericht meilenweit voraus zu sein.
Schon die Aussage "xy ist eindeutig verfassungswidrig", wobei dem sämtliche vorhergehende Rechtsprechung, die zu diesem Thema ergangen ist, entgegensteht, finde ich ein bisschen überheblich.

Gast18959

Zitat von: Gast37751 am 21. Juni 2016, 19:42:19Mit Ausnahme des politisch befangenen RiSG Petermann sahen das aber alle anderen Sozialrichter, die mit dieser Frage befasst waren, anders.

Irrtum :

3. Kammer des Sozialgerichts Mainz am 18. April 2016  Beschluss zur Vorlage BVerfG S 3 AS 149/16

"Dementsprechend  sind  auch  Leistungseinschränkungen  gegenüber  einem  dem Grunde  nach  gewährten
Leistungsanspruch  verfassungswidrig,  wenn  sie  dazu führen,  dass  die  Höhe  der verbliebenen  Sozialleistungen
zur  Sicherung  einer menschenwürdigen  Existenz  unzureichend  ist. 
Prüfungsmaßstab  ist hierbei  die gesetzliche Inhaltsbestimmung des Existenznotwendigen. An diesem
verfassungsrechtlichen Maßstab sind die im SGB II vorgesehenen Leistungseinschränkungen zu prüfen
(z.B. § 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II, § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II,
§ 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II, § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 32 Abs.1 Satz 1 SGB II,
§ 42a Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 43 Abs. 2 Satz 1 SGBII).
Dies betrifft beispielsweise Leistungskürzungen  durch  Sanktionen  (§31a  SGB  II,  §  32  SGB II),  die  nur  dann nicht verfassungswidrig wären, wenn trotz der Leistungskürzung noch das gesamte Existenzminimum einschließlich eines
zumindest geringfügigen Maßes an sozialer  Teilhabe  gedeckt  wäre
  (Aubelin:  Emmenegger/Wiedmann,  Leitlinien  der Rechtsprechung  des  Bundesverfassungsgerichts  erörtert  von  den  wissenschaftchen  Mitarbeitern,  Band  2,  1.  Auflage  2011,  S.  297  f.). 
Da  es  dem  Gesetzgeber freisteht, den Leistungsanspruch über das durch ihn verfassungsgemäß bestimmte 
Existenznotwendige  hinaus  zu  erweitern,  verstoßen  Abstufungen  in  der  Leistungshöhe,  die  verhaltenssteuernde 
Wirkung  entfalten  sollen,  jedoch  nicht  automatisch  gegen  das  Grundrecht  auf  Gewährleistung  eines 
menschenwürdigen Existenzminimums  (vgl.  BVerfG,  Nichtannahmebeschluss  vom  07.07.2010 –1 BvR 2556/09 –Rn. 9)"
http://www.sozialrecht-rosenow.de/files/roland-rosenow/Entscheidungen/SG_Mainz,_18.04.2016,_S_3_AS_149-16.pdf


Sozialgericht Dresden 10.08.2015  S 20 AS 1507/14

"Damit kann es offen bleiben, ob die § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 31a Abs. 1 Satz 3, § 31b SGB II wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsgebot, Art. 20 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind, wovon die Kammer überzeugt ist (vgl. im Einzelnen SG Gotha, Vorlagebeschluss vom 26. Mai 2015 – S 15 AS 5157/14 –)."

Chakotay

#621
Man kann der Begründung des Bundesverfassungsgerichts aber etwas positives entnehmen.
Die meisten Verfassungsbeschwerden werden ohne ausführliche Begründung verworfen. In diesem Falle macht sich das BVerfG die Mühe und spricht davon, Zitat "wirft der Vorlagebeschluss durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen auf"

Ich frage mich nur wie wie es jetzt weiter geht. Das SG Gotha muß ja das Verfahren jetzt wieder aufnehmen. Kann Herr Petermann seinen kleiner "Fehler" heilen und dann erneut dem BVerfG zur Prüfung vorlegen ?

Willensstärke ist, Erdbeeren zu pflücken ohne dabei zu naschen. ;-)

Gast21319


MichaK

Zitat von: Chakotay am 22. Juni 2016, 13:28:29Kann Herr Petermann seinen kleiner "Fehler" heilen und dann erneut dem BVerfG zur Prüfung vorlegen ?

theoretisch schon, wenn das SG zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger rechtmäßig aufgeklärt wurde und das Jobcenter den Bescheid nicht rückgängig machen sollte.

Chakotay

Zitat von: MichaK am 22. Juni 2016, 20:27:27
und das Jobcenter den Bescheid nicht rückgängig machen sollte.

Ah Ha, da ist der Pferdefuß, ich fürchte genau das werden sie dann tun.
Willensstärke ist, Erdbeeren zu pflücken ohne dabei zu naschen. ;-)

Gast26342

Zitat von: Gast18959 am 22. Juni 2016, 01:50:01
Zitat von: Gast37751 am 21. Juni 2016, 19:42:19Mit Ausnahme des politisch befangenen RiSG Petermann sahen das aber alle anderen Sozialrichter, die mit dieser Frage befasst waren, anders.

Irrtum :
Da fehlt noch eins.
ZitatNach summarischer Prüfung des Sachverhalts, die dem Gericht angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner nur in sehr geringem Umfang seine Verwaltungsvorgänge vorgelegt hat, nur sehr eingeschränkt möglich ist, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Sanktion gegeben. Denn der Antragsteller hat keinen wichtigen Grund dafür dargelegt, dass er die geforderten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen hat. Allerdings spricht vieles dafür, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 31a Abs. 1 Satz 3 und 6, § 31b SGB II wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsgebot, Art. 20 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind, wovon die Kammer überzeugt ist (vgl. im Einzelnen SG Gotha, Vorlagebeschluss vom 26. Mai 2015 - S 15 AS 5157/14 - ; Beschluss der Kammer vom 31. August 2015, S 20 AS 4288/15 ER). Da eine abschließende verfassungsrechtliche Prüfung im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht möglich ist, hat das Vollzugsinteresse des Antragsgegners wegen der überragenden Bedeutung des betroffenen Grundrechts des Antragstellers zurück zu treten. Im Interesse der Durchsetzung effektiven Rechtsschutzes war von einer Vorlage an das BVerfG abzusehen. Das BVerfG ist auf den Vorlagebeschluss des SG Gotha (a. a. O.) bereits mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften befasst. Da die Kammer ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften hat, konnte zu Gunsten des Antragstellers vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden (Wahrendorf, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 86b Rn. 23 f. m. w. N.).
SG Dresden, Beschluss vom 16.02.2016, S 20 AS 18/16 ER

Gast18959

#626
Erste Verschleisserscheinungen ?   :lachen:

http://grundrechte-brandbrief.de/Prozesse/3-KLage-erste-100%25-Sankton/2016-06-22-SG-Ankuend.-Gerichtsbescheid-erste-100-Prozent-S-anonym.pdf

Das Kleingedruckte im Vertrag ist rechtswidrig wenn es klein ist    :lol:  Ohhh Mann     :lachen:

coolio

Hat mit dem Threadtitel nicht viel zu tun.
Er ist einmal mit einer Rechtsformalie durchgedrungen.... *schulterzuck*

Gast18959

Zitat von: coolio am 10. Juli 2016, 21:43:22Hat mit dem Threadtitel nicht viel zu tun.

Na aber doch
schau mal weiter zurück im Fred


Zitat von: coolio am 10. Juli 2016, 21:43:22Er ist einmal mit einer Rechtsformalie durchgedrungen.... *schulterzuck*

Nö nö, so war det nich jeplant.
Geklagt wurde auf Erkennen der Verfassungswidrigkeit - folgend Richtervorlage, Behörde hat das Recht richtig angewandt, der Kläger kennt die Rechtsfolge.
Der Klage beigelegt war das Rechtsgutachten Erdem - Nešković wie in Gotha

Von durchdringen dürfte keine Rede sein - eher vom Versagen der Sozialrichter

Ottokar

Die Begründung des SG ist eindeutig: die Sanktion ist wegen Mängel der RFB unwirksam.
Das hat sowas von absolut gar nichts mit eine eventuellen Verfassungswidrigkeit von Sanktionen zu tun, dass das SG dieses Wort nicht mal verwendet.
Womit Herr Boes da alles argumentiert hat, ist dabei vollkommen unrelevant. Relevant wird es erst, wenn sich das SG diesen Argumenten anschließt, und das hat es hier in Bezug auf eine ev. Verfassungswidrigkeit von Sanktionen klar erkennbar gerade nicht getan.
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