Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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MagnaCharta

Das ist doch kein Wunder, wenn man sich mal vor Augen führt, wer die Verfassungsrichter wie wählt.

Orakel

Du willst doch nicht ernsthaft die Unabhängigkeit der Richter in Frage stellen?

Gast10987



Orakel

Klare Worte??? Ich erspare mir jeden Kommentar!

Rein rhetorische Frage, ich erwarte keine Antwort: Weshalb kritisiert eigentlich niemand den Richter, der diese unzulässige Beschlussvorlage zu verantworten hat?

Und nur mal so am Rande: Der ehemals Vorsitzende Richter am Sozialgericht Gotha, Jens Petermann, wurde im September 2015 vom Landtag Thüringens zum Richter am Verfassungsgerichtshof Thüringens gewählt ...

MagnaCharta

Dass die herrschenden Parteien mit Vorliebe ihre eigenen Spezis in die Verfassungsgerichte bringen, das ist doch ein alter Hut und nichts besonderes. Das machen die CDU/CSU und SPD überall dort genau so, wo sie an der Regierung sind. Je länger eine Partei durchregiert, desto mehr Leute mit dem eigenen Parteibuch landen dort.

Und zur Unabhängigkeit der Verfassungsrichter - auf dem Papier mag diese gegeben sein, was aber nichts daran ändert, dass auch die Verfassungsrichter einen gewissen politischen Hintergrund haben und damit einem gewissen politischen Lager zuzuordnen sind. Und das schlägt scih dann natürlich auch in der Urteilsfindung häufig nieder.

Es zeigt sich einmal mehr, dass die Gerichtsbarkeit in dem Bereich extrem undurchlässig ist und man da von einem Rechtsstaat nicht mehr ausgehen kann, da dieser ganze Mist inzwischen im Jahr 12 nach wie vor Bestand hat und ab August noch schlimmer wird!

Warum niemand den Richter kritisiert, der diese Beschlussvorlage zu verantworten hat, ist einfach: weil er in 10 Jahren Hartz IV wohl der Erste war, der das überhaupt nach Karlsruhe zur Überprüfung weiter reichte.

Und die Begründung der Karlsruher Richter ist ein schlechter Witz, weil die meisten RFBs rechtsfehlerhaft erstellt sind, damit tendenziell rechtswidrig und man sich so prima dahinter verstecken kann, ob die dahinter liegenden Normen nun verfassungsgemäß sind oder nicht. Man findet, wenn man will, immer einen Grund, warum es nicht geht, und gerade das ist eine Totschlagargumentation der Sonderklasse.

Das zeigt doch vielmehr nur, dass zumindest dieser Senat sich in Wirklichkeit mit der Frage aus politischer Motivation nicht auseinandersetzen will, da bin ich ganz bei Ottokar.

Orakel

O.k., dann noch einmal Helga Spindler (Quelle unter Antwort #538):

"Von einer Darstellung der weiteren Vorlagebegründung kann hier abgesehen werden, denn spätestens ab Seite 11 des Beschlusses wird wortwörtlich bis in die einzelnen Gliederungszeichen und Zitate und nur geringfügig ergänzt durch zwischenzeitlich entschiedene Verfahren der Wortlaut eines "Antrages auf Richtervorlage" übernommen, den die Bürgerinitiative Grundeinkommen im Juli 2013 ins Netz gestellt hat und mit der die Gerichte "geflutet" werden sollten. Es muss nicht von vornherein falsch sein, die Vorlage einer Interessengruppe zu übernehmen, das passiert schließlich auch in der Politik und spricht nicht grundsätzlich gegen die Qualität der Argumentation, aber nachgewiesen werden sollte dieser Hintergrund schon. Er begründet zumindest die Gefahr, dass manche der zitierten Autoren vielleicht nicht differenziert genug für eine Argumentation vereinnahmt werden, die sie so in ihrer Gesamtheit nicht tragen würden.

Zu kritisieren ist auch, dass es die Kammer an einer Auseinandersetzung mit Argumenten fehlen lässt die sowohl rechtlich als auch sozialpolitisch für die grundsätzliche Zulässigkeit von Sanktionen sprechen. Dementsprechend werden auch nach dem Juli 2013, entgegenstehende Abhandlungen wie etwa die von Uwe Berlit und eine umfangreiche Expertise nicht wahrgenommen.

Ob es angesichts des Sachverhaltes auch noch sinnvoll war, aus der Richtervorlage den Verstoß gegen Art. 12 GG zu übernehmen, bleibt dahingestellt. Nicht jede mangelnde Realisierungsmöglichkeit eines Berufswunsches ist zugleich auch eine Verletzung der Berufswahlfreiheit. Da könnten sich Millionen Arbeitnehmer n das Bundesverfassungsgericht wenden."

Und auch dies noch einmal:

Zitat von: Orakel am 02. Juni 2016, 17:56:06
Die Entscheidung des BVerfG überrascht doch nicht wirklich

amazone

Zitat von: Ottokar am 02. Juni 2016, 16:59:08Das BVerfG will sich mit der Frage nicht auseinandersetzen, das hat rein politische Gründe.
Die Begründung für diese Ablehnung ist mehr als fragwürdig, die stinkt zum Himm

Zitat von: MagnaCharta am 03. Juni 2016, 07:52:24Das zeigt doch vielmehr nur, dass zumindest dieser Senat sich in Wirklichkeit mit der Frage aus politischer Motivation nicht auseinandersetzen will, da bin ich ganz bei Ottokar.

:yes: :yes: :yes: :teuflisch:
wer nicht das unmögliche wagt, wird das mögliche niemals erreichen (bakunin)
freiheit ist immer die freiheit des andersdenkenden
(nach rosa luxemburg)

Gast26342

Zitat von: MagnaCharta am 03. Juni 2016, 07:52:24
Und zur Unabhängigkeit der Verfassungsrichter - auf dem Papier mag diese gegeben sein, was aber nichts daran ändert, dass auch die Verfassungsrichter einen gewissen politischen Hintergrund haben und damit einem gewissen politischen Lager zuzuordnen sind. Und das schlägt scih dann natürlich auch in der Urteilsfindung häufig nieder.
Die Art und Weist wie BVerfG-Richter ins Amt kommen, ist zumindest anrüchig. Wirklich 100% unabhängig können die damit nicht sein.

Zitat von: MagnaCharta am 03. Juni 2016, 07:52:24
Das zeigt doch vielmehr nur, dass zumindest dieser Senat sich in Wirklichkeit mit der Frage aus politischer Motivation nicht auseinandersetzen will, da bin ich ganz bei Ottokar.
Das war nicht mal der ganze Senat, nur eine Kammerentscheidung.

Orakel

Zitat von: Gast26342 am 03. Juni 2016, 12:55:41
Das war nicht mal der ganze Senat, nur eine Kammerentscheidung.

Na und???

Schau mal in § 81a BVerfGG

Meck

Noch ergänzend der Artikel auf gegen-hartz.de -->>

Bundesverfassungsgericht lehnt Vorlage des Sozialgerichts Gotha ab

Karlsruhe (jur). Jobcenter dürfen Hartz-IV-Bezieher jedenfalls vorerst weiter nach den gesetzlichen Bestimmungen bestrafen und das Arbeitslosengeld II bis auf null Euro kürzen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem am Donnerstag, 2. Juni 2016, veröffentlichten Beschluss eine Richtervorlage des Sozialgerichts Gotha aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen, welches die Sanktionsregelungen für verfassungswidrig hielt (Az.: 1 BvL 7/15). Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts sind aber noch ,,einige" Verfassungsbeschwerden einzelner Personen zu den Hartz-IV-Sanktionen anhängig. Wann darüber entschieden wird, sei aber unklar.


-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-jobcenter-duerfen-weiter-sanktionieren.php
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

UW

 Elf Jahren hat es gedauert bis die umstrittenen Sanktionsparagrafen des Sozialgesetzbuch II, besser bekannt unter dem Namen Hartz IV, zur verfassungsrechtlichen Prüfung beim Bundesverfassungsgericht angekommen waren.

Den Vorlagebeschluss S 15 AS 5157/14 erarbeitete Richter Jens Petermann von der 15. Kammer des Sozialgerichts Gotha. In mündlicher Verhandlung am 26. Mai 2015 hatten die ehrenamtlichen Richter Rutenbeck und Schieck mit entschieden das Bundesverfassungsgericht anzurufen.


In einer Pressemitteilung des BVerfG vom 02.06.2016 wurde nun mitgeteilt, dass der Vorlagebeschluss zur Verfassungswidrigkeit von ALG II-Sanktionen als unzulässig abgewiesen wurde.

http://www.lokalkompass.de/iserlohn/politik/vorlagebeschluss-zur-verfassungswidrigkeit-von-alg-ii-sanktionen-als-unzulaessig-abgewiesen-d663845.html



Thema wurde hier mit eingefügt. LG Meck

Gast10987

Zitat von: MagnaCharta am 03. Juni 2016, 07:52:24

Und zur Unabhängigkeit der Verfassungsrichter - auf dem Papier mag diese gegeben sein, was aber nichts daran ändert, dass auch die Verfassungsrichter einen gewissen politischen Hintergrund haben und damit einem gewissen politischen Lager zuzuordnen sind. Und das schlägt scih dann natürlich auch in der Urteilsfindung häufig nieder.

Kann man das an Entscheidungen des BVerfG näher belegen oder ist das einfach eine pauschale Behauptung?

oldhoefi

Ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet, als das diese Richtervorlage des SG Gotha vom BVerfG abgeschmettert wird – die Gründe einmal dahingestellt.

Zitat von: Meck am 02. Juni 2016, 14:02:46Unzulässigkeit einer Richtervorlage des Sozialgerichts Gotha festgestellt
Da hat wohl der SG-Richter seine Hausaufgaben nicht gründlich gemacht.

mein Fazit --> viel Lärm um nichts...

Gast18959

Zitat von: oldhoefi am 03. Juni 2016, 23:20:57Da hat wohl der SG-Richter seine Hausaufgaben nicht gründlich gemacht.

Sehe ich anders, der Gothaer Richter betont in seiner Vorlage ausdrücklich :

Zitat5.  ......
b) Keine Rechtswidrigkeit der Bescheide aus anderen Gründen

Die durch den Beklagten erlassenen Leistungskürzungen nach § 31a SGB II
sind nicht bereits aus anderen Gründen rechtswidrig bzw. nichtig.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a i.V.m. § 31 SGB II liegen vor.
Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Sachverhalt Bezug genommen.
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=SG%20Gotha&Datum=26.05.2015&Aktenzeichen=S%2015%20AS%205157/14

Dazu das BVerfG :

Zitatb) Es fehlt jedoch an einer hinreichenden Begründung, warum die Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II in diesem Verfahren entscheidungserheblich sein soll. Dem Vorlagebeschluss ist nicht hinreichend nachvollziehbar zu entnehmen, ob die Rechtsfolgenbelehrungen zu den hier in Rede stehenden Sanktionsbescheiden den gesetzlichen Anforderungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II genügen, obwohl Ausführungen hierzu geboten sind. Fehlte es bereits an dieser Tatbestandsvoraussetzung für eine Sanktion, wären die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und es käme auf die Verfassungsgemäßheit der ihnen zugrunde liegenden Normen entscheidungserheblich nicht mehr an.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/05/lk20160506_1bvl000715.html

Hatten wohl ihre Lesebrille nicht dabei die Herren Verfassungsrichter.