Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Gast31139

Ich dachte, dies sei allen bewußt:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-99311751.html

Überdies sanktionieren einige gerne, liegt in der Natur der Menschen.
Siehe Milgram- und Gefängnisexperimente.

Gast2063

Ja Eukalyptus, es ist eigentlich allen bewusst. Manche tun aber so als wüssten sie von nichts.
Man kennt das ja.

Gast18959

Zitat von: Gast38338 am 01. Oktober 2015, 15:15:22wie hoch ist das Exminimum beziffert in Euro?

ein 10 Jahre altes Thema, immer wieder.

Weisst du doch noch, oder ?
Oder ist das hier erlangte Wissen über die massgeblichen Verfassungsgerichtsurteile - mit neuem Namen verloren gegangen ?

Gast29894

Lt. der Linken nicht unter € 1050- sonst Armutsgefährdung.

Gast37908

Zitat von: Gast31139 am 01. Oktober 2015, 15:52:51
Ich dachte, dies sei allen bewußt:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-99311751.html

Überdies sanktionieren einige gerne, liegt in der Natur der Menschen.
Siehe Milgram- und Gefängnisexperimente.
@Eukalyptus danke für den Beitrag, den Bericht kannte ich noch nicht.

Gast37751

Zitat von: Unwissender am 01. Oktober 2015, 15:01:31
Wenn er es umsetzen will, so lange es dem geltenden Recht und Gesetz entspricht, müsste er damit aufhören, da das GG ja was anderes sagt! EXISTENZMINIMUM!!!   :wand:
Nein, das ist unproblematisch. Bezogen auf den Regelbedarf liegt das Existenzminimum bei 70%. Wenn Sanktionen von mehr als 30% verhängt werden, gibt es die Möglichkeit ergänzender Sachleistungen. Und selbst wenn jemand zu 100% sanktioniert ist, kann er die Leistungsgewährung wieder herbeiführen. Wenn er sich bereit erklärt, seinen Pflichten künftig wieder nachzukommen, kann das Jobcenter wieder 40% Regelbedarf, die KdU und die Krankenversicherungsbeiträge leisten, über weitere 30% des Regelbedarfs können als ergänzende Sachleistungen erbracht werden. Sprich: Der Leistungsberechtigte hat es stets in der Hand, die Leistungsgewährung in Höhe des Existenzminimums herbeizuführen.

Meck

Fraktion DIE LINKE im Bundestag - aktueller Videobeitrag zum Thema -->> Katja Kipping, DIE LINKE: Grundrechte muss man sich nicht verdienen




Inge Hannemann zum Thema -->>

SPD und CDU/CSU verweigern bis heute Verbesserungen im SGB II, in dem sie die heutigen Anträge im Bundestag (Drs. 18/1115 und 18/3549) Die Linke auf Abschaffung der Sanktionen ablehnen. Selbst zehn Jahre nach Einführung von Hartz IV hat es nicht einmal den Ansatz eines Umdenkens in den Koalitionsfraktionen gegeben.

Dazu erklärt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion Hamburg Inge Hannemann: ,,Ein Sanktionsmoratorium, wie es die Grünen fordern, ist dem Grunde nach eine Befürwortung der Sanktionen, auch wenn eine Entschärfung gefordert wird. Die geforderte Entschärfung der Sanktionen im Bereich der unter 25-jährigen sowie keine Sanktionen bei der Krankenversicherung, ist ein krampfhaftes Festhalten an der derzeitigen Bestrafungspraxis durch die Jobcenter. Rot-Grün will nicht einsehen, dass Hartz IV gescheitert ist."


Weiter lesen unter: http://www.inge-hannemann.de/nc/politik/aktuell/detail/zurueck/aktuell-9767515619/artikel/spd-und-cducsu-verweigern-weiterhin-verbesserung-im-sgb-ii/
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

Unwissender

Zitat von: Gast37751 am 01. Oktober 2015, 21:05:25
Nein, das ist unproblematisch. Bezogen auf den Regelbedarf liegt das Existenzminimum bei 70%. Wenn Sanktionen von mehr als 30% verhängt werden, gibt es die Möglichkeit ergänzender Sachleistungen. Und selbst wenn jemand zu 100% sanktioniert ist, kann er die Leistungsgewährung wieder herbeiführen. Wenn er sich bereit erklärt, seinen Pflichten künftig wieder nachzukommen, kann das Jobcenter wieder 40% Regelbedarf, die KdU und die Krankenversicherungsbeiträge leisten, über weitere 30% des Regelbedarfs können als ergänzende Sachleistungen erbracht werden. Sprich: Der Leistungsberechtigte hat es stets in der Hand, die Leistungsgewährung in Höhe des Existenzminimums herbeizuführen.

So ein Quark! Wie soll man mit Gutscheinen (bei 100/70% Sanktion bzw. rgänzenden Sachleistungen) die Miete zahlen? Und was soll der Unsinn, das man es selber in der Hand hat, ob man sanktioniert wird oder nicht? Was, wenn Sachen von einem verlangt werden, die man nicht leisten kann und/oder die sanktionen willkürlich und rechtswidrig verhängt werden? Was hat man da selbst in der Hand?  :wand:
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

Gast2063

@Martell schrieb:
Sprich: Der Leistungsberechtigte hat es stets in der Hand, die Leistungsgewährung in Höhe des Existenzminimums herbeizuführen.

Sprich: Der Leistungsberechtigte hat gefälligst seinem Herrn bedingungslos zu gehorchen.  :wand:


Gast18959

#549
Zitat von: Gast37751 am 01. Oktober 2015, 21:05:25Nein, das ist unproblematisch. Bezogen auf den Regelbedarf liegt das Existenzminimum bei 70%.

Diesen Irrglauben hat das BverfG mehrfach verneint.
Zuletzt 2014, hat es Regierung und BSG darüber belehrt, dass das Existenzminimum nicht nur die 70 % lebensnotwendige Bedarfe zu decken hat, sondern auch die 30 % Bedarfe für Teilhabe zu decken sind.
Und zwar so eindeutig, dass andere Interpretationen nicht mehr möglich sind.

wörtlich :

Zitat"Auch die in der Pauschale für den Regelbedarf enthaltenen Leistungen für soziokulturelle Bedarfe sind keine frei verfügbare Ausgleichsmasse, da diese Bedarfe ebenfalls existenzsichernd zu decken sind "

RN 118
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/07/ls20140723_1bvl001012.html

Im Übrigen beruft sich das BSG auch nicht mehr auf diese "veraltete" 70 % Deckung der Existenz, sondern meint jetzt (bzgl. Sanktionen) einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Berechnung der Bedarfe zu erkennen.


oldhoefi

Zitat von: Gast37751 am 01. Oktober 2015, 21:05:25Der Leistungsberechtigte hat es stets in der Hand, die Leistungsgewährung in Höhe des Existenzminimums herbeizuführen.
Na klar, es hat immer der LE Schuld an einer Leistungsminderung. :wand:

Schon mal daran gedacht, dass die vom SB erstellten Unterlagen (z. B. EinV-VA, Maßnahmezuweisung) aus denen sanktioniert wird, nicht den persönlichen Verhältnissen angepasst und/oder teilweise die darin enthaltenen Forderungen gar nicht erfüllt werden können und/oder völlig entgegen der geltenden Gesetzgebung/Rechtssprechung erlassen werden?

Wenn es so einfach ist, dann werde ich in Zukunft hier im Forum nur noch raten, dass sich der LE gefälligst an alle JC-Vorgaben zu halten hat und diese ausnahmslos zu erfüllen sind. Somit erspare ich mir dadurch viel Arbeit.

Ferner frage ich mich, warum dann die SG's so überlastet sind und zugleich mehr als die Hälfte der eingereichten Klagen zu Gunsten der LE geurteilt werden.


Gast37751

Zitat von: Unwissender am 02. Oktober 2015, 09:53:18
So ein Quark! Wie soll man mit Gutscheinen (bei 100/70% Sanktion bzw. rgänzenden Sachleistungen) die Miete zahlen?
Nix Quark, Tatsache! Erst ab der dritten Verletzung einer Pflicht nach § 31 SGB II werden keine KdU mehr gezahlt. Und selbst wenn es soweit gekommen ist, kann der Betroffene die Leistungsgewährung wiederherstellen, indem er erklärt, seinen Pflichten wieder nachzukommen. Wie du siehst, bedarf es für die Mietzahlugn gar keiner Gutscheine.

Zitat von: Unwissender am 02. Oktober 2015, 09:53:18
Und was soll der Unsinn, das man es selber in der Hand hat, ob man sanktioniert wird oder nicht? Was, wenn Sachen von einem verlangt werden, die man nicht leisten kann und/oder die sanktionen willkürlich und rechtswidrig verhängt werden? Was hat man da selbst in der Hand?  :wand:
Kein Unsinn, Tatsache! Wenn die Sanktion rechtswidrig ist, kann man sich ja problemlos gerichtlich dagegen wehren. Für eine rechtmäßige Sanktion wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II müssen dem Betroffenen zuvor die Rechtsfolgen des Fehlverhaltens im Detail erklärt werden oder er muss diese bereits kennen. Voraussetzung ist danach, dass wissentlich eine Pflichtverletzung begangen wird. Insofern hat es der Betroffene natürlich selbst in der Hand. Dasselbe gilt für die Wiederherstellung der Leistungsgewährung.

Zitat von: Gast2063 am 02. Oktober 2015, 10:54:40
Sprich: Der Leistungsberechtigte hat gefälligst seinem Herrn bedingungslos zu gehorchen.  :wand:
Der Leistungsberechtigte hat die möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um seine Bedürftigkeit zu beenden oder zu verringern.

Zitat von: Gast18959 am 02. Oktober 2015, 13:11:37
Diesen Irrglauben hat das BverfG mehrfach verneint.
Zuletzt 2014, hat es Regierung und BSG darüber belehrt, dass das Existenzminimum nicht nur die 70 % lebensnotwendige Bedarfe zu decken hat, sondern auch die 30 % Bedarfe für Teilhabe zu decken sind.
Und zwar so eindeutig, dass andere Interpretationen nicht mehr möglich sind.
Das ist falsch. Nirgendwo wird eine Aufteilung in 70% Existenz und 30% Teilhabe vorgenommen. Auch das BVerfG geht nicht davon aus. Allerdings macht der Gesetzgeber - dem laut BVerfG die Bemessung des Existenzminimums zukommt - in den §§ 31a Abs. 3 Satz 1, 43 Abs. 2 Satz 2 SGB II deutlich, dass er bezogen auf den Regelbedarf das Existenzminimum bei 70% verortet.

Zitat von: oldhoefi am 02. Oktober 2015, 15:30:31
Na klar, es hat immer der LE Schuld an einer Leistungsminderung. :wand:
Das ist die Voraussetzung einer Sanktion, ja.

Zitat von: oldhoefi am 02. Oktober 2015, 15:30:31
Schon mal daran gedacht, dass die vom SB erstellten Unterlagen (z. B. EinV-VA, Maßnahmezuweisung) aus denen sanktioniert wird, nicht den persönlichen Verhältnissen angepasst und/oder teilweise die darin enthaltenen Forderungen gar nicht erfüllt werden können und/oder völlig entgegen der geltenden Gesetzgebung/Rechtssprechung erlassen werden?
Dann wird es ja kein Problem sein, sich dagegen zu wehren.

Zitat von: oldhoefi am 02. Oktober 2015, 15:30:31
Ferner frage ich mich, warum dann die SG's so überlastet sind und zugleich mehr als die Hälfte der eingereichten Klagen zu Gunsten der LE geurteilt werden.
Weil in Sozialangelegenheiten die gerichtlichen Verfahren - im Gegensatz zur restlichen Gerichtsbarkeit - für beide Seiten kostenfrei sind, die Sozialgerichte im Vergleich zu den Verwaltungsgerichten sehr spendabel bei der Prozesskostenhilfe sind und der Gesetzgeber anstatt die Rechtsanwendung zu vereinfachen, diese mittels unbestimmter Rechtsbegriffe unnötig verkompliziert. Gerade im Bereich der Sanktionen fällt bei der Rechtsprechung auf, dass ein Großteil der stattgebenden Entscheidungen nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Betroffene das ihm vom Jobcenter vorgeworfene Verhalten nicht an den Tag gelegt hätte, sondern dass die Rechtsfolgenbelehrung nicht individuell genug gewesen sein. Wie ein Richter das beurteilt, lässt sich im Vorwege nicht genau vorhersagen. Auch Ermessensentscheidungen sind ein Unsicherheitsfaktor. Die Behörde hat alle relevanten Umstände in die Entscheidung einzubeziehen. Was der eine für irrelevant hält, ist für den anderen ein unbedingt zu berücksichtigender Faktor. So kann der Ausgang eines Verfahrens viel zu viel einzig davon abhängen, welcher Kammer eines Sozialgerichts die Sache zugewiesen ist.


Gast37908

Zitat von: Andre1909 am 01. Oktober 2015, 15:50:32
Indem er einen Bonus erhält wenn genug Sanktionen verhängt wurden gegen Betroffene die Maßnahmen abgebrochen haben usw.
Solch eine Praxis führt zu Betrug am kunden, siehe Banken

Gast38338

Zitat von: Gast38171 am 03. Oktober 2015, 16:29:26
So hier mal zusammengefasst, was am 01.10.2015 im Bundestag los war und wie abgestimmt wurde.
Etwas anderes war nicht zu erwarten.

@mir reichts
wenn es so zu verstehen ist, daß bereits im von dir genannten BVerfG-Beschluß die 100% stets verfügbar sein müssen, macht doch dieser Leitsatz keinen Sinn.
Die Richtervorlage aus Gotha macht dann auch keinen Sinn.
Das Hungern von Boes  evtl. nur für ihn selber.
Und die Abstimmung vorgestern im Bundestag erst recht nicht.
Leitsatz:Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der grundsätzlich zulässigen statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen nachträglich in Orientierung am Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der existenzsichernde Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können, oder ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern.

Ist die RN 118 doch anders zu verstehen? :scratch: